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Amazon haftet für Urheberrechtsverletzung seiner Verkäufer

Landgericht München I, Urteil vom 20.02.2019, Az. 37 O 5140/18


Amazon haftet für Urheberrechtsverletzung seiner Verkäufer

Das Landgericht München entschied mit Urteil vom 20.02.2019, dass Amazon für Urheberrechtsverletzungen seiner Verkäufer zu haften habe, wenn sie fremde Fotos verwenden. Denn Amazon nutze diese Fotos auch für eigene Angebote. Somit liege die Situation anders als bei Plattformen, die ausschließlich Angebote der Verkäufer veröffentlichen.

Muss Amazon oder der Verkäufer verklagt werden?
Klägerin war die Herstellerin von Sport- und Freizeitrucksäcken; Beklagte die Betreiberin der Online-Verkaufsplattform Amazon. Die Beklagte vermittelte Dritten den Zugang zu ihrer Verkaufsplattform, um ihnen die Präsentation ihrer Angebote zu ermöglichen. Sie war auch für die technischen Prozesse bei Erstellung von Produktdetailseiten zuständig. Gegenstand des Rechtsstreits waren Urheberrechtsverletzungen aufgrund von Produktabbildungen auf den Internetseiten der Beklagten. Dabei handelte es sich jedoch nicht um Angebote der Beklagten selbst, sondern um Verkaufsangebote von Drittanbietern, die über Amazon ihre Waren anboten. Die Klägerin forderte die Beklagte auf, die Nutzung von neun streitgegenständlichen Fotos zu unterlassen, an denen sie die exklusiven Nutzungsrechte hatte.

Landgericht München als Ort der Schutzgesetzverletzung zuständig
Das Landgericht München I entschied, dass es örtlich und international zuständig sei. Denn es komme als Gerichtsstand, nämlich als Ort der Schutzgesetzverletzung, in Betracht. Die Klägerin berufe sich auf ein in Deutschland wirksames Schutzrecht. Somit sei - territorial beschränkt - eine Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben. Auch im Übrigen weise der Sachverhalt eine enge Verbindung zum Gerichtsbezirk München I auf. Zum einen seien die streitgegenständlichen Angebote in deutscher Sprache für deutsche Kunden abrufbar. Zudem habe die Klagepartei ihren Sitz im Gerichtsbezirk. Aufgrund der örtlichen Nähe seien so am einfachsten Beweismittel zu erheben. Dies sei auch aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und einer sachgerechten Prozessgestaltung gerechtfertigt.

Ausschließliche Nutzungsrechte an den Produktabbildungen
Das Gericht urteilte, dass es sich bei den Abbildungen um urheberrechtlich geschützte Lichtbildwerke handele, an denen die Klägerin ein Nutzungsrecht zustehe. Im Auftrag der Klägerin habe ein Fotograf die Produktfotos erstellt. An diesen Fotos habe er der Klägerin das ausschließliche Nutzungsrecht ohne zeitliche und räumliche Beschränkung eingeräumt.

Amazon ist für die Zugänglichmachung verantwortlich
Das Gericht entschied zudem, dass Amazon durch die öffentliche Zugänglichmachung der Bilder das Nutzungsrecht der Klägerin verletzt habe. Die Beklagte habe die Zugänglichmachung bewirkt, indem sie die Bilder in ihrer Zugriffssphäre zum Abruf bereitgehalten habe. Sie habe die Fotos über Produktdetailseiten auf ihrer Plattform sichtbar gemacht. Denn die Fotos, auch soweit sie von Dritten hochgeladen werden, fänden sich in Dateiform auf Servern des Amazon-Konzerns wieder und damit in der Sphäre der Beklagten. Zwar seien die Fotodateien von Dritten hochgeladen worden, jedoch unter Verwendung einer von der Beklagten zur Verfügung gestellten Eingabemaske. Diese ermögliche den Verkäufern der Erstellung ihrer jeweiligen Angebote auf der Amazon-Verkaufsplattform. Die hochgeladenen Bilder und weiteren Informationen seien in der Folge in einer Datenbank abgelegt worden. Später seien in einem automatisierten Verfahren nach formalen und qualitativen Kriterien (z.B. Bildauflösung) Bilder aus dem Datenpool ausgewählt und in die Produktdetailseite eingestellt worden.

Zugänglichmachung war auch öffentlich
Durch die Wiedergabe auf den Produktdetailseiten seien die Fotos einem neuen Publikum und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden, so das Gericht weiter. Das Angebot sei öffentlich, da der Adressatenkreis eine große Zahl von potentiellen Nutzern der Plattform und damit eine unbestimmte Vielzahl von Personen umfasse. Es sei vom Grundsatz auszugehen, dass jede unberechtigte Nutzung eines Werkes durch einen Dritten ohne vorherige Zustimmung die Rechte des Urhebers verletze. Eine solche Zustimmung sei vorliegend weder vom Urheber selbst noch von der nutzungsberechtigten Klägerin erteilt worden. Vielmehr habe die Klägerin im Rahmen ihres selektiven Vertriebssystems Vertragshändlern das Einstellen der Lichtbildwerke auf der Plattform untersagt. Zwar richten sich etwaige Online-Angebote autorisierter Händler ebenso wie entsprechende Amazon-Angebote an ein Publikum, das an den jeweiligen Produkten Interesse habe. Jedoch sei vorliegend maßgeblich, an welches Publikum die Klägerin bei Zustimmungserteilung zur Nutzung gedacht habe. Dies seien nicht sämtliche kaufwilligen und kaufbereiten Kunden der Produkte gewesen, sondern ausschließlich autorisierten Händler.

Verkaufsplattform ist öffentliche Zugänglichmachung zuzurechnen
Das Landgericht entschied zudem, dass die Beklagte eine zentrale Rolle bei der öffentlichen Zugänglichmachung einnehme. Daher sei ihr die Nutzungshandlung zuzurechnen. Denn durch ihr System zur Erstellung von Produktdetailseiten im automatisierten Verfahren habe die Beklagte die Fotos im Wege der öffentlichen Zugänglichmachung für eigene Zwecke genutzt. Für Kunden entstehe der Eindruck eines umfassenden Warensortiments, das wie in einem Online-Katalog gezeigt werde. Zwar werden die Eigenangebote auf der Plattform durch Drittangebote anderer Verkäufer ergänzt. Eine eigenständige „Marketplace-Plattform“ für Drittangebote gebe es jedoch nicht. Vielmehr werden die Eigenangebote in gleicher Weise dargestellt wie die Angebote der Dritthändler. Eigen- und Fremdangebote würden sich daher nicht in der Präsentation unterscheiden. Deshalb nehme auch Kunde die Unterscheidung zwischen Eigen- und Drittangebote allenfalls nachrangig wahr. Der jeweilige Händler werde an untergeordneter Stelle im Rahmen der Produktinformation genannt. Nähere Informationen zum Dritthändler erhalte der Nutzer nur über einen Link.

Technische Verantwortlichkeit durch Dritten spielt keine Rolle
Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass die technischen Prozesse nicht von ihr verantwortet werden und der Eigenhandel durch eine andere Konzerngesellschaft betrieben werde. Die Verteilung von technischen Aufgaben sowie anderen Serviceleistungen auf verschiedene Konzerngesellschaften könne die Beklagte nicht bei der Haftung für Urheberechtsverletzungen entlasten. Denn die arbeitsteilige Organisation des Unternehmens beseitige nicht die Verantwortung für die geschäftliche Tätigkeit. Zuwiderhandlungen eines Beauftragten würde wie eigenes Handeln zugerechnet. Somit komme es nicht darauf an, dass diverse Tätigkeiten nicht über die Beklagte, sondern durch eine Schwestergesellschaft im Konzern erfolge.

Keine mutmaßliche Einwilligung in die Nutzungshandlung
Das Landgericht urteilte zudem, dass sich die Beklagte weder auf eine mutmaßliche Einwilligung noch auf eine Übertragung der Nutzungsrechte berufen könne. Denn der Beklagten hätte bekannt sein müssen, dass die Klägerin ein selektives Vertriebsmodell verfolge. Somit könne sie sich nicht darauf berufen, ein Handelstreibender sei regelmäßig mutmaßlich mit der Verbreitung seiner Werbemittel einverstanden. Gleiches gelte für die fehlende Übertragung der Nutzungsrechte. Dies gelte auch, soweit die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Übertragung von Nutzungsrechten durch die Teilnehmer vorsehen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Übertragung wäre, dass der Dritte seinerseits zur Übertragung von Nutzungsrechten berechtigt sei. Dies werde durch die Beklagte jedoch nicht behauptet. Maßgeblich sei lediglich die Frage, ob ein autorisierter Händler zur Weiterübertragung berechtigt wäre. Dies liege aber nicht nahe, da der Inhaber eines einfachen Nutzungsrechtes keine weiteren Nutzungsrechte einräumen könne.

Landgericht München I, Urteil vom 20.02.2019, Az. 37 O 5140/18


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