Akteneinsicht auch, wenn Gerichtsakte Geschäftsgeheimnisse enthält
Das Oberlandesgericht (OLG) in Köln hat mit seinem Beschluss vom 22.02.2017 unter dem Az. 6 W 107/16 entschieden, dass auch dann ein Recht auf vollständige Akteneinsicht besteht, wenn die Gerichtsakte Geschäftsgeheimnisse des Prozessgegners enthält. In diesem Fall handelte es sich um den Quellcode von Software.
Damit hat das Gericht auf die Beschwerde der Antragsgegnerin den Beschluss der Vorinstanz (Landgericht Köln) bezüglich des Akteneinsichtsgesuches der Antragsgegnerin abgeändert und der Antragsgegnerin Akteneinsicht bewilligt.
Die Antragsgegnerin hatte beantragt, per einstweiliger Verfügung anzuordnen, dass ein Sachverständiger eine Besichtigung des „Prüfautomaten D. R1“ und „D. R2“ vornimmt. Es handelt sich dabei um eine Software für Abrechnungen einer Krankenversicherung. Die Besichtigung sollte bei der Antragsgegnerin und im Beisein ihres Prozessbevollmächtigten stattfinden.
Die Prozessbevollmächtigten sollten dabei ausdrücklich gegenüber der eigenen Mandantin zur Verschwiegenheit verpflichtet sein. Die Unterlagen enthalten unter anderem Quellcode einer Software, die das Ergebnis jahrelanger Arbeit und hoher Investitionen ist.
Das LG Köln hat dem Antrag stattgegeben. Die Besichtigung fand bei der Antragsgegnerin durch Sachverständige in der Begleitung eines Gerichtsvollziehers statt. Es wurde ein Sachverständigengutachten erstellt.
Das Landgericht gab der Antragsgegnerin Gelegenheit, sich zu eventuellen Geheimhaltungsinteressen zu äußern. Diese hat daraufhin beantragt, ihr Akteneinsicht zu gewähren und hat einer Herausgabe des Sachverständigengutachtens an die Antragstellerin oder deren Anwalt widersprochen. Die Antragstellerin hat der Bewilligung der Akteneinsicht an die Antragsgegnerin widersprochen. Die vollständige Kenntnisgabe verletze ihre Geschäftsgeheimnisse und sei auch nicht erforderlich.
Das LG hat angeordnet, dass das Gutachten den Prozessbevollmächtigten zur Kenntnis zu bringen sei. Die Geheimhaltungsverpflichtung der Prozessbevollmächtigten hat das LG bestätigt.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde.
Die Antragstellerin ist hingegen der Auffassung, es müsse ihr vollumfänglich Akteneinsicht gewährt werden, ansonsten sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Die Antragstellerin widerspricht dem. Ihrer Ansicht nach ist ein vollumfänglicher Anspruch auf Akteneinsicht nicht gegeben. Es müsste insoweit ihr Geschäftsgeheimnis gewahrt werden. Im Rahmen einer Grundrechteabwägung müsse dies dazu führen, der Antragsgegnerin die vollständige Akteneinsicht zu verweigern.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin führt jedoch zum Erfolg, zur Bewilligung der Akteneinsicht und zur Aufhebung der Geheimhaltungsverpflichtung des Anwalts der Antragsgegnerin dieser gegenüber.
Nach § 101a UrhG kann ein Verletzer auf die Vorlage einer Urkunde in Anspruch genommen werden, sofern er ein nach dem UrhG geschütztes Recht verletzt hat und der Rechteinhaber die Vorlage der Urkunde zur Begründung seiner Ansprüche benötigt.
Das Beweisverfahren diene nicht der Informationsbeschaffung, sondern der Verhinderung des Beweisverlustes. Das führe dazu, dass der Rechteinhaber eine Urheberrechtsverletzung im Falle der Computersoftware oft nicht wird beweisen können, wenn er Quellcode des Gegners nicht kennt. Daher habe der Gesetzgeber schon vor der Einführung des § 101a UrhG in Form des § 809 ZPO ermöglichen wollen, dass ein Besichtigungsanspruch durchgesetzt werden kann. Das setzte jedoch eine hochgradige Rechtsverletzung voraus.
Es solle jedoch auch vermieden werden, dass der Anspruch auf Besichtigung zu einer Ausspähung missbraucht wird. Daher könne die Besichtigung durch einen Dritten erfolgen, der zur Geheimhaltung verpflichtet ist.
Es sei jedoch eine sinnvolle Urteilsbegründung nicht möglich, wenn die Geschäftsgeheimnisse im Rahmen der Beweiswürdigung zu erhalten seien.
Auch wenn die Berufsfreiheit der Antragstellerin die Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse umfasse, begründet das nach Ansicht des LG keinen Anspruch auf Geheimhaltung. Entsprechend komme auch keine Anordnung der Geheimhaltung des Anwalts gegenüber der Antragsgegnerin als seiner Mandantin in Betracht.
OLG Köln, Beschluss vom 22.02.2017, Az. 6 W 107/16