Urheberrechtlicher Schutz von Programmen
Computerprogramme unterliegen grundsätzlich dem Urheberrechtsschutz, bei komplexen Programmen besteht darüber hinaus eine Vermutung für die ausreichende Individualität bei der Programmgestaltung. Der Urheberrechtsschutz gilt für jede Ausdrucksform eines Programms und damit auch für dessen Quellcode. Eine Urheberrechtsverletzung entsteht daher durch eine unzulässige Programmbearbeitung per Dekompilierung genauso wie durch eine unerlaubte Veröffentlichung, die auch ein Testzugang sein kann. So hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in einem Berufungsverfahren vom Januar 2015 geurteilt.
Tatbestand
Kläger des Verfahrens ist ein Programmentwickler beziehungsweise dessen Unternehmen, Beklagte ist eine Firma, der die Nutzungsrechte an dem entsprechenden Programm eingeräumt worden waren. Diese Firma hatte das Programm daraufhin weiteren Nutzern zu Test- und Vermarktungszwecken zugänglich gemacht, worauf der Kläger zunächst abmahnte und schließlich vor das Landgericht Frankfurt zog. Es ging um urheberrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche, des Weiteren auch um Auskunfts- und Zahlungsansprüche. Die entsprechende Software wird im B2B-Bereich eingesetzt, sie kann Unternehmensdaten verwalten. Das Landgericht Frankfurt urteilte im Sinne des Klägers und untersagte der Beklagten, das Programm zu bearbeiten, zu dekompilieren (Rückübersetzen des Maschinencodes in einen menschenlesbaren Programmcode) und gleichgeartete Werke zu verbreiten. Auch verurteilte das Landgericht Frankfurt die Beklagte, Auskunft über bisher erzielte Umsätze mit dem entsprechenden Programm zu erteilen und an den Kläger Schadenersatz wegen Umgehung eines Unterlassungsverbots zu zahlen. Die Beklagte ging dagegen in Berufung und erhob außerdem Widerklage, unter anderem wegen der ihr entstandenen Kosten durch das Abmahnschreiben des Klägers. Dieser Widerklage gab das Landgericht ebenfalls teilweise statt. Die Berufung der Beklagten basiert auf der Auffassung, dass die Verbreitung des Programms insgesamt keine Urheberrechtsverletzung darstelle. Verletzungshandlungen können sich nur auf einen Teil der Software beziehen, während die Beklagte aber das Werkoriginal verwendet habe. Nach dem Urteil des Landgerichts seien Verletzungshandlung auf die Kernsoftware beschränkt. Fremde Programmbestandteile seien im Urteil nicht erwähnt, auch der Auskunftsanspruch sei diesbezüglich unklar umrissen. Im Kern geht es bei dem Rechtsstreit darum, welche Programmteile nach einer Lizenzvereinbarung - die offenbar zwischen den Vertragsparteien bestanden hat - über die Selbstnutzung hinaus veröffentlicht werden dürfen und welchen Einfluss eine Dekompilierung und daraufhin die Erweiterung des Programms durch fremde Bestandteile auf das Recht zur Veröffentlichung hat. Die Beklagte führte aus, dass es hierzu noch keine Vergleichsmaßstäbe gäbe und auch Sachverständige nicht weiterhelfen könnten. Die Nutzungsrechte an der Software besaß die Beklagte ganz offensichtlich, sah dies aber durch das Landgericht Frankfurt nicht ausreichend festgestellt und gewürdigt - auch dies ein Grund für das Berufungsverfahren. Das leuchtet uns sofort ein. Die Richter am Landgericht haben genauso wenig Zeit wie Sie und wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, sie mussten auch erst einmal googeln, was Dekompilierung überhaupt bedeutet und was man dann mit einem solcherart veränderten Programm anfangen kann. Kurz und gut: Der Gang zum Berufungsgericht ist verständlich.
Urteil des OLG Frankfurt
Das OLG Frankfurt ließ die Berufung folgerichtig zu, folgte aber der Argumentation des Klägers. Die Beklagte besaß zwar die Nutzungsrechte an der Software im Zuge einer Lizenzvereinbarung mit dem Kläger, hätte das Programm aber nicht dekompilieren und - wahrscheinlich in veränderter Form - anderen Nutzern zugänglich machen dürfen, ohne dass der Kläger hierauf Einfluss ausüben konnte. Die Beklagte hatte zu Werbezwecken eine Demo- und Testversion veröffentlicht, die bereits voll einsatzfähig war. Die Verbreitung des Programms erfolgte außerdem über das zeitliche Ende des Lizenzvertrages hinaus. Dabei wurde der Quellcode dekompiliert, auch um das Google-Analytic-Tracking zu unterbinden, also den Vorgang zu verschleiern. Weitere Punkte im vorliegenden Rechtsstreit betrafen die Einsicht der ersten Instanz in entsprechende Unterlagen. Diese Punkte sind zwar juristisch relevant, sollen hier aber wegen der Umfänglichkeit nicht ausgeführt werden. Im Kern geht es darum, dass der Urheberrechtsschutz gewahrt bleibt, Lizenzen nur vereinbarungsgemäß genutzt werden und Programme nicht zum Zwecke der Anpassung an eigene kommerzielle Zwecke dekompiliert werden dürfen. Allerdings verurteilte das OLG Frankfurt die Beklagte nur zur Unterlassung der Verbreitung des Programms, nicht aber zum Schadenersatz an den Kläger. Eine Vereinbarung über die wirtschaftliche Verwertung des Programms und die Beteiligung des Programmierers (Klägers) war nämlich nicht eindeutig getroffen worden.
OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 27.01.2015, Az. 11 U 94/13