Umfang von Löschungspflichten im Internet
Nach der gerichtlich angeordneten Aufforderung, eine rechtswidrige Äußerung aus dem Internet zu entfernen, schuldet der Urheber der Äußerung nur die Entfernung von Seiten, die seinem Einflussbereich unterliegen. Er ist nicht verpflichtet, sämtliche Dritte über die gerichtliche Anordnung zu informieren, erst recht muss er sie nicht zur Löschung auffordern, wenn diese seine Äußerung übernommen hatten. Nur auf Portalen in seinem Einwirkungsbereich muss er die Löschung veranlassen.
Tatbestand
Zwei angestellte Redakteure einer Tageszeitung (im Folgenden “Schuldner”) verfassten einen Online-Beitrag, gegen dessen Darstellung sich eine betroffene Partei wehrte und gegen diese eine Einstweilige Verfügung erwirken konnte. Die beiden Redakteure arbeiten unter der Verantwortung einer Chefredakteurin, gegen diese drei Personen richtete sich die Einstweilige Verfügung. Sie kamen der Verfügung auch nach und verbreiteten die betreffenden Äußerungen nicht weiter, zudem löschten sie diese aus dem Online-Auftritt ihrer Tageszeitung. Jedoch hatte eine andere Tageszeitung den Beitrag übernommen. Der von der Äußerung Betroffene (im Folgenden “Gläubiger”) verlangte von den Redakteuren, dafür Sorge zu tragen, dass auch dort der unstrittig nicht mehr zulässige Beitrag verschwindet. Als das nicht geschah, beantragte der Gläubiger die Verhängung von Ordnungsmitteln. Diesen Antrag wies das Landgericht Hamburg zurück. Daraufhin zog der Gläubiger mit einer sofortigen Beschwerde vor das Oberlandesgericht Hamburg, das diese Beschwerde mit Beschluss vom 18.02.2015 zurückwies.
Begründung des OLG Hamburg
Die sofortige Beschwerde hielt das OLG Hamburg für zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Entscheidung des Landesgerichts war zutreffend begründet. Der Gläubiger muss daher die Kosten für das Beschwerdeverfahren (Streitwert: 15.000 Euro) tragen. Der Beschluss des OLG Hamburg führt aus, dass das Landgericht zu Recht feststellen konnte, dass die Schuldner nicht gegen die Aufforderung zur Unterlassung verstoßen haben. Nach Zustellung des entsprechenden Titels verbreiteten sie die Äußerungen nicht weiter. Der Titel verpflichtete sie aber nicht dazu, dritte Verbreiter des Beitrages zur Löschung aufzufordern. Zwar weise der Gläubiger zutreffend auf eine aktive Vorsorge gegen die beanstandete Störung hin, zu der die Schuldner verpflichtet seien. Bloßes Nichtstun genüge nicht, um dieser Pflicht nachzukommen. Jedoch kann sich eine solche Verpflichtung nur auf Störungen erstrecken, deren Quelle im Einwirkungsbereich eines Unterlassungsschuldners liegt. Wer eine Äußerung im Internet verbreitet und gerichtlich zur Unterlassung aufgefordert wird, muss alles unternehmen, was ihm zur Entfernung möglich ist. Dazu gehört aber nicht die Einwirkung in Bereiche, die dem Schuldner prinzipiell nicht zugänglich sind. Im konkreten Fall ist das der Bereich einer anderen Tageszeitung mit eigener Redaktion und dem Recht auf freie Meinungsäußerung. Indes ist die Sachlage subtil: Das OLG Hamburg wies die Beschwerde vor allem deshalb zurück, weil der Gläubiger nicht darlegen konnte, dass die Schuldner nach Zustellung des Unterlassungstitels noch in der Lage gewesen wären, die Äußerungen in der anderen Tageszeitung zu unterbinden. Es handelte sich um zwei Redakteure, die für ihren Arbeitgeber - ihre Tageszeitung - den Beitrag verfasst hatten und anschließend keine Verfügungsgewalt mehr über ihn hatten. Unter Umständen hat sogar die dritte Partei - die andere Tageszeitung - in Absprache mit der Zeitung der beiden Redakteure den Beitrag übernommen. Dennoch entzog sich das dem Einflussbereich der Schuldner, jedenfalls konnte der Gläubiger nichts Gegenteiliges belegen.
Kommentar zu diesem Urteil
Was sich so eindeutig liest, ist es in Wahrheit nicht. Wenn beispielsweise eine Person eine Äußerung zu unterlassen hat und sie pflichtgemäß löscht, könnte sie durchaus weitergehend verpflichtet werden, diese aus sämtlichen sozialen Netzwerken zu entfernen, der sie angehört oder in welcher sie zitiert wird. Die meisten Menschen wissen gar nicht, in wie vielen Netzwerken sie vertreten sind oder auch kommentiert werden, weil sie dort User und Kommentatoren in einem Thread sind. Im vorliegenden Fall schützte die Redakteure lediglich die Pressefreiheit, unter deren Ägide die andere Zeitung das Zitat weiterverbreitete.
Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 18.02.2015, Az. 7 W 24/15