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200,00 EUR Schadensersatz pro Musiktitel

OLG Frankfurt, 11 U 115/13


200,00 EUR Schadensersatz pro Musiktitel

Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt wurde der Rechtsstreit um illegales Filesharing in Internettauschbörsen verhandelt. Der für Urheberrechtssachen zuständige 11. Zivilsenat hat eine Entscheidung betreffend die Schadensersatzansprüche sowie die Erstattung von Abmahnkosten für die Teilnahme an einer Internet-Tauschbörse für Musik getroffen. Er hat der Klägerin einen sogenannten fiktiven Lizenzschaden und die geltend gemachten Abmahnkosten gemäß § 97a II Urhebergesetz zugesprochen. Die Beklagte hatte einen in den aktuellen Charts befindlichen Titel, für den die Klägerin als Tonträgerherstellerin das ausschließliche Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung besitzt, mittels eines Filesharing-Programms für eine unbestimmte Anzahl von Nutzern zum kostenlosen Download zur Verfügung gestellt. Die Erstinstanz, das Landgericht Frankfurt, legte dem gewährten Lizenzschaden in Höhe von 150,00 Euro Erfahrungswerte zugrunde, die Abmahnkosten wurden auf 100,00 Euro gedeckelt. Gegen dieses Urteil ging die Klägerin vor dem Oberlandesgericht Frankfurt in Berufung. 

Sie trägt vor, das Landgericht habe ihren Vortrag nicht entsprechend gewürdigt und ihr Beweisangebot nicht ausgeschöpft. Daher habe keine Notwendigkeit zur Ermessensausübung bestanden. Ferner sei die Beklagte ihrer Forderung auf Lizenzanalogie nicht entgegengetreten. Sie wendet ein, bei einer kostenlosen Weitergabe in einem Peer-to-Peer-Netzwerk dürfe nicht auf eine Stückzahl oder eine umsatzorientierte Bewertungsmethode abgestellt werden. Es müssten Vergleichsmodelle herangezogen werden. Sie sieht einen Lizenzzeitraum von mindestens einem Jahr als angemessen an. Ferner müsse eine weltweite Nutzung und eine Rechtsverletzung der marktrelevanten Erstverkaufsphase bezüglich eines Charthits mit hohem Marktwert berücksichtigt werden. Sie fordert eine Lizenzanalogie in Höhe von 982,50 nebst Zinsen. Die Berufungsinstanz nahm eine Teilabänderung des erstinstanzlichen Urteils vor. Das Oberlandesgericht nimmt bezüglich der Schadenshöhe eine Lizenzanalogie in Höhe von 200 Euro an. Die Rechtsprechung nimmt mangels unmittelbar für Filesharing-Fälle anwendbare Tarife teilweise vergleichend auf verschiedene Tarife der GEMA Bezug. Dieser Rechtsprechung folgt die Berufungsinstanz jedoch nicht, da die GEMA ausschließlich die Urheberrechte von Textern und Komponisten vertrete, während die Nutzung von Musikdateien im Internet wesentlich weitergehende Rechte Dritter betreffe. So sei das Tarifgefüge der GEMA nicht dazu geeignet, Rechtsverletzungen durch Privatpersonen im Wege des nichtkommerziellen Filesharings im Internet zu behandeln. So könne die geforderte Lizenzanalogie lediglich im Rahmen des § 287 ZPO unter Berücksichtigung aller Umstände geschätzt werden. Unabhängig von der Herleitung wird in der Rechtsprechung mehrfach ein Betrag von 200 Euro für einen in die Tauschbörse eingestellten Titel als abgemessen erachtet. Die Berufungsinstanz legt ihrer Urteilsfindung die verkehrsüblichen Entgeltsätze für legale Downloadangebote im Internet zugrunde. 

Eine Deckelung des Kostenanspruchs für die Abmahnkosten wie die Erstinstanz (einfach gelagerte Rechtsfälle, 100 Euro) nimmt die Berufungsinstanz nicht vor. Sie legt die Abmahnkosten auf 459,40 Euro fest. Aufgrund der weltweit wirkenden „Paralleldistribution“ im Rahmen der Internettauschbörse werde eine erhebliche Rechtsverletzung nicht nur im Urhebersinn nach § 97 a II Urhebergesetz angenommen. Das Gericht sieht die Handlung der Beklagten als vorsätzlich, mindestens jedoch als fahrlässig an. Der entsprechende Paragraph stellt dabei auf den durch den Verletzer gemachten Gewinn ab, der in diesem Fall durch den kostenlosen Download in der Filesharingbörse jedoch nicht vorliegt. Dennoch ist das Gericht berechtigt, den Schadensersatzanspruch auf der Basis des Betrages zu berechnen, den der Verletzer als angemessene Vergütung an die Rechtsinhaberin bei legaler Nutzung des entsprechenden Rechtes hätte entrichten müssen. Entsprechend des zuvor zitierten § 287 ZPO entscheidet das Gericht im Falle eines streitigen Schadensersatzes unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. 

Das Gericht legt einen Gegenstandswert von 6.000 Euro für das Unterlassungsbegehren fest. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 659,40 Euro nebst Zinsen seit dem 19.09.2012 zu zahlen. Ferner wird die Beklagte verurteilt, bei Meidung von Ordnungsgeld in Höhe von 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, die klagegegenständliche Tonaufnahme „X“ nicht mehr im Internet zugänglich zu machen. Insbesondere hat sie es zu unterlassen, besagten Titel in einem Peer-to-Peer-Netzwerk zum Herunterladen für Dritte verfügbar zu machen. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 07.11.2013 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und neu gefasst. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird aufgrund der fehlenden Bedeutung der Angelegenheit nicht zugelassen. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung des Revisionsgerichts ist nicht erforderlich. 

Oberlandesgericht Frankfurt, Urteil vom 15.07.2014, Az.: 11 U 115/13 


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