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Unzulässige Speicherung von Daten zu Werbezwecken

Verwaltungsgericht Saarlouis, Urteil vom 09.03.2018, Az. 1 K 257/17


Unzulässige Speicherung von Daten zu Werbezwecken

In einem Urteil vom 09.03.2018, Az. 1 K 257/17 kam das Verwaltungsgericht Saarlouis zu dem Ergebnis, dass die Erhebung, Nutzung und Speicherung von personenbezogenen Daten von inhabergeführten Einzelzahnarztpraxen, welche in öffentlich zugänglichen Registern zu finden sind, für Werbezwecke mangels mutmaßlicher Einwilligung der Betroffenen unzulässig ist. Infolge dieses datenschutzrechtlichen Verstoßes müsse mithin eine derartige Geschäftspraxis eingestellt werden.

Kundenakquisition durch Daten aus öffentlichen Verzeichnissen
Der Rechtsstreit betrifft ein datenschutzrechtlich fragwürdiges Verhalten eines Unternehmens (Klägerin), welches europaweit im Bereich des Ankaufs von Edelmetallresten von Zahnarztpraxen und Dentallaboren tätig ist. Um Kunden zu akquirieren, entnahm es öffentlich zugänglichen Seiten wie beispielsweise den „Gelben Seiten“ Kontaktdaten von Zahnarztpraxen und Zahnlaboren, d.h. Name und Vorname des Praxisinhabers sowie die Praxisanschrift nebst Telefonnummer. Nachdem diese Daten zunächst in dessen Datenbank gespeichert wurden, kontaktierte es anschließend die besagten Praxen und Labore telefonisch. Dabei erklärte die Klägerin ihr Geschäftsmodell und bot dem jeweiligen Kontakt den Ankauf von Edelmetallresten an. Im Falle von Interesse wurde sodann die weitere Vorgehensweise (Besuch eines Mitarbeiters usw.) kurz erläutert.

Beklagte untersagte weitere Erhebung und Nutzung solcher Daten
Auf diese Geschäftspraxis wurde die Beklagte aufmerksam. Diese erlies daraufhin einen Bescheid gegenüber der Klägerin, welcher auf § 38 Abs. 5 S. 2 BDSG a.F. fußte. Sofern keine Einwilligung des Betroffenen im Sinne des § 4 Abs. 1 BDSG a.F. in Verbindung mit § 28 Abs. 3 S. 1 BDSG a.F. vorliege oder nicht bereits ein Geschäftsverhältnis mit dem Betroffenen bestehe, sei die beschriebene Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von personenbezogenen Daten von Inhabern von Zahnarztpraxen einzustellen. Grund hierfür sei ein Verstoß der Klägerin gegen § 4 Abs. 1 a.F. BDSG. Hiernach sei die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung solcher Daten nur zulässig, soweit das BDSG selbst oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaube oder der Betroffene explizit eingewilligt habe. Letztere sei aber nicht gegeben gewesen. Auch habe es im Streitfall an den anderen in Betracht kommenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Tätigkeit gefehlt. Mithin habe das klägerische Verhalten das Recht der betroffenen Zahnärzte auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Daher rechtfertige sich auch die zusätzlich angeordnete Löschung der erlangten Daten.

Klägerin bestritt Anwendbarkeit des BDSG
Gegen diese behördliche Maßnahme erhob die Klägerin Klage. Hierbei brachte sie zunächst vor, dass der Anwendungsbereich des BDSG für den Streitfall schon gar nicht eröffnet ist. Das Gesetz diene nur dem Schutz natürlicher Personen, wobei juristische Personen und sonstige Personengesellschaften nicht vom BDSG erfasst seien. Ein Großteil der Ärzte sei aber gerade in Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften organisiert. Seien hingegen Einzelpraxen betroffen, so finde das BDSG zwar grundsätzlich Anwendung, allerdings scheitere der Rückgriff dann an dem Umstand, dass es sich bei der von der Klägerin verwendeten Telefonnummern um rein geschäftliche Daten handelte, welche keinen Personenbezug aufwiesen. Es erscheine der Klägerin nicht nachvollziehbar, weshalb sie Praxisgemeinschaften weiterhin telefonisch kontaktieren dürfe, inhabergeführte Einzelpraxen aber dagegen nicht.

Im Übrigen sei telefonische Kontaktaufnahme zulässig
Selbst wenn man das BDSG für anwendbar halte, sei nach der Auffassung der Klägerin ihr Verhalten dennoch nach dem BDSG zulässig. Solchen von ihr getätigten Anrufen stünde ein schutzwürdiges Interesse der Betroffenen nicht entgegen, schließlich sei im Rahmen der datenschutzrechtlichen Bewertung zu berücksichtigen, dass die Telefonwerbung wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden war. Es liege seitens der Praxen und Labore sowie inhabergeführten Zahnarztpraxen eine mutmaßliche Einwilligung in den telefonischen Kontakt vor, was die Beklagte verkannt habe.
Zu berücksichtigen sei laut der Klägerin außerdem, dass ein solcher Erstkontakt schnell sowie unkompliziert und ebenso eine willkommene Gelegenheit für Praxen und Labore darstellt. Weiterhin behauptete sie, dass ihr durch die Maßnahme die gesamte Grundlage für ihre gewerbliche Tätigkeit entzogen wird, da sie nicht mehr in der Lage sei, Neukunden zu gewinnen. Ebenso entsprächen die Anrufe den üblichen Gepflogenheiten der Branche. Zuletzt bedürfe es einer „verordnungskonformen Auslegung“ des BDSG im Hinblick auf die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zeitnah in Kraft tretende Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Das strittige Verhalten sei nämlich zumindest im Hinblick auf die künftige Rechtslage aufgrund des Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO rechtmäßig.

Verwaltungsgericht hielt Klage für unbegründet
Das Verwaltungsgericht Saarlouis teilte die Auffassung der Klägerin allerdings nicht. Sie hielt die Klage vielmehr für unbegründet. Es fehle an einer Rechtsgrundlage für die Speicherung und Nutzung der Telefonnummern inhabergeführter Einzelzahnarztpraxen und die Klägerin verstoße mit ihrer Form der Kundenwerbung gegen das BDSG. Zutreffende Rechtsgrundlage für den Erlass des Bescheides sei mithin § 38 Abs. 5 S. 2 BDSG a.F. in Verbindung mit § 35 Abs. 2 Nr. 1 BDSG a.F.

Geschäftspraxis unterfiel dem Anwendungsbereich des BDSG
Zunächst stellte das Gericht fest, dass die Geschäftspraxis gegenüber inhabergeführten Einzelzahnarztpraxen entgegen der Auffassung der Klägerin vom Anwendungsbereich des BDSG erfasst ist. Auch Unternehmensdaten wie Name und Vorname des Praxisinhabers, die Praxisanschrift sowie die Telefonnummer der Praxis von Einzelzahnärzten seien datenschutzrechtlich relevant und mithin als personenbezogene Daten im Sinne von § 3 Abs. 1 BDSG a.F. zu qualifizieren. Zwar treffe es zu, dass ein Großteil der Ärzte in Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften organisiert sind. Allerdings seien derartige Praxen eindeutig nicht Gegenstand des Bescheids.

Verstoß gegen § 4 Abs. 1 BDSG a.F.
Mangels expliziter Einwilligung in die Werbeansprache im Sinne des § 4a Abs. 1 BDSG a.F. in Verbindung mit § 28 Abs. 3 S. 1 BDSG a.F. durch die Betroffenen sei für die Beurteilung der Zulässigkeit des Verhaltens der Klägerin allein § 28 Abs. 3 BDSG a.F maßgeblich. Dieser beinhalte eine abschließende Spezialregelung für die Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten für die Zwecke der Werbung. Da es sich bei den Telefonnummern im Gegensatz zu den anderen erhobenen Daten nicht um sog. „Listendaten“ handele, sei die Zulässigkeit der Tätigkeit nach § 28 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BDSG a.F. im Einklang mit der Beklagten zu verneinen. Für die Speicherung und Nutzung der Telefonnummern sei als Rechtsgrundlage konkret daher nur § 28 Abs. 3 S. 3 BDSG a.F. in Betracht gekommen. Hiernach hätte die verantwortliche Stelle für Zwecke der Werbung zu den Listendaten weitere Daten hinzuspeichern dürfen, sofern hierdurch nicht schutzwürdige Interessen verletzt gewesen wären (§ 28 Abs. 3 S. 6 BDSG). Entscheidend sei mithin, ob die Tätigkeit der Klägerin eine solche Verletzung nach sich zog.

Lag ein mutmaßliche Einwilligung der Betroffenen vor?
Eine Verletzung schutzwürdiger Interessen sei – wie die Klägerin zutreffend anführte – insbesondere zu bejahen, wenn das UWG eine bestimmte Werbeform als unzumutbare Belästigung einstufe. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei im Streitfall aber gerade nicht von einer mutmaßlichen Einwilligung im B2B-Bereich auszugehen, weshalb eine unzumutbare Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG anzunehmen ist. Im Rahmen der Beurteilung sei auf die Umstände vor dem Anruf sowie auf die Art und den Inhalt der Werbung abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2006 – I ZR 191/03). Relevant sei, ob der Werbende bei verständiger Würdigung davon ausgehen konnte, der Anzurufende erwarte einen solchen Anruf oder werde ihm jedenfalls positiv gegenüberstehen (vgl. BGH, Urteil vom 24.01.1991 – I ZR 133/89). Zwar könne der Klägerin dahingehend Recht gegeben werden, dass es durchaus Zahnärzte gibt, die die Werbeanrufe als willkommene Gelegenheit wahrnehmen, um ansonsten ungenutzte Edelmetallreste gewinnbringend zu veräußern. Dieser Umstand allein rechtfertige jedoch noch nicht die Annahme einer mutmaßlichen Einwilligung. Vielmehr müsse auch berücksichtigt werden, dass ein derartiger Verkauf nicht zur eigentlichen Tätigkeit eines Zahnarztes gehört, sondern allenfalls eine zusätzliche Einnahmequelle eröffne. Zwar hätten die Anrufe der Klägerin mit rund einer Minute nur sehr kurz gedauert und würden daher einzeln betrachtet nicht erheblich ins Gewicht fallen. Vor dem Hintergrund zahlreicher Mitbewerber tue sich allerdings die Gefahr auf, dass der übliche Praxisbetrieb durch eine Vielzahl ähnlicher Telefonanrufe empfindlich gestört werden kann. Eine erschwerende Kontaktaufnahme für die Patienten der jeweiligen Praxis sei daher nicht auszuschließen. Daran ändere auch nichts, dass das die Geschäftspraxis der Klägerin branchenüblich sein mag. Zu berücksichtigen sei ebenso eine Stellungnahme der Saarländischen Ärztekammer. Hiernach bestehe in der Regel kein sachliches Interesse des Arztes/der Ärztin an Werbeansprachen in der in Rede stehenden Art und Weise. Überdies verbleibe der Klägerin zur Kontaktaufnahme die Zusendung eines Angebots per Post.

DSGVO nicht zu berücksichtigen
Zuletzt merkte das Gericht an, dass die im Zeitpunkt des Urteils in Kürze in Kraft tretende DSGVO für den Streitfall keine Rolle spielt. Es komme für die Beurteilung der Rechtslage allein auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung an. Überdies sei auch nicht erkennbar, dass sich die Rechtslage für den streitigen Fall entscheidungserheblich verändern wird. Die angeführte Zulässigkeit des Verhaltens nach Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO ergebe sich lediglich aus der Auslegung der Norm durch die Klägerin.

Verwaltungsgericht Saarlouis, Urteil vom 09.03.2018, Az. 1 K 257/17

von Sabrina Schmidbaur


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