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Schmerzensgeldanspruch bei Veröffentlichung des Klarnamens

Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 16.02.2021, Az. 16 U 269/20


Schmerzensgeldanspruch bei Veröffentlichung des Klarnamens

Das Oberlandesgericht Düsseldorf befand am 16.02.2021, dass für die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches nach Art. 82 DSGVO auch ein konkret verursachter Schaden vorliegen müsse. Zudem sei bei der Veröffentlichung und Verbreitung von Berichten und Inhalten als Ergebnis eines Kommunikationsprozesses nicht die DSGVO, sondern § 823 BGB einschlägig.

Welche Norm ist anzuwenden?
Die Klägerin rügte die Veröffentlichung eines Gutachtens. Beklagte war eine Sachverständige, die im Rahmen eines familienrechtlichen Verfahrens ein Gutachten erstellte. Dies beinhaltete den Klarnamen der Klägerin und von ihr geschilderte traumatische Kindheitserlebnisse wie z.B. Missbrauchserfahrung. Das Gutachten wurde dem Gericht zur Verfügung gestellt. Die Klägerin behauptete, später sei der Inhalt durch eine dritte Person veröffentlicht und in den sozialen Medien anderen zugänglich gemacht worden. Daher verlangte sie Schmerzensgeld wegen Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts auf Grundlage von Art. 82 DSGVO. Die Vorinstanz wies den Anspruch zurück, weswegen sie Berufung einlegte.

Kein Anspruch aus DSGVO
Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied, der Klägerin stehe kein Schmerzensgeld aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu. Denn ihr Rechtsschutzbegehren sei nicht vom Schutzzweck der Norm gedeckt. Art. 82 Abs. 1 DSGVO gewähre einen Anspruch, wenn gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstoßen werde. Die Norm erfasse also solche Fälle, in denen die Art der Informationserlangung gerügt werde und eine intransparente Datenverarbeitung im Raum stehe. Es gehe also um das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die Norm solle - neben der ungewollten Preisgabe von Daten - insbesondere vor deren intransparenter Verarbeitung und Nutzung schützen. Sie biete Schutz dafür, dass Dritte sich individueller Daten bemächtigen und sie in nicht nachvollziehbarer Weise ausnutzen. Vorliegend gehe es aber nicht darum. Die Klägerin wende sich nicht gegen die Preisgabe von Daten oder gegen deren intransparente Nutzung. Vielmehr gehe es ihr um die im Sachverständigengutachten enthaltene Darstellung und damit um das Ergebnis eines Kommunikationsprozesses, nämlich die Veröffentlichung und Verbreitung von Inhalten aus dem Sachverständigengutachten. Dass dabei auch die Verbreitung durch das Internet und der sozialen Medien von Bedeutung seien, ändere daran nichts. Eine Anwendung des Art. 82 DSGVO komme daher nicht in Betracht.

Allgemeines Persönlichkeitsrecht betroffen
Das OLG befand daher, es komme allein §§ 823 Abs. 1 BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht. Denn vorliegend sei der äußerungsrechtliche Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen. Das BVerfG habe entschieden, dass die Verbreitung personenbezogener Berichte und Informationen als Teil öffentlicher Kommunikation in die äußerungsrechtlichen Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts falle. Der Schutzbedarf gründe hier in der sichtbaren Verbreitung bestimmter Informationen im öffentlichen Raum. Gefährdungen für die Persönlichkeitsentfaltung ergeben sich hier vornehmlich aus Form und Inhalt der Veröffentlichung selbst.

Keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Allerdings sei eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht feststellbar, so das Gericht. Dass der Inhalt des Gutachtens in den sozialen Medien zugänglich war, werde von der Beklagten mit Nichtwissen bestritten. Die Klägerin habe ihr Vorbringen nicht näher substantiiert. Vielmehr habe sie ausgeführt, konkrete Vorfälle nicht angegeben zu können.

Keine unmittelbare Störerin
Das OLG war der Ansicht, der Beklagten sei ohnehin eine derartige Verletzung nicht zuzurechnen. Zwar beeinträchtige die Verbreitung ihrer Missbrauchserfahrungen in sozialen Netzwerken ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht. Allerdings hafte die Beklagte nicht dafür; es fehle am erforderlichen Zurechnungszusammenhang. Denn vorliegend gehe es nicht um eine Haftung der Beklagten als unmittelbare Störerin. Sie habe nämlich die in Rede stehenden Informationen nicht selbst in den sozialen Netzwerken veröffentlicht.

Keine mittelbare Störerin
Auch eine Haftung als mittelbare Störerin scheide aus, so das Gericht. Die Beklagte habe das Gutachten entsprechend den gesetzlichen Vorgaben an das Gericht weitergeleitet. Damit ende ihre Verantwortlichkeit. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung rechtfertige sich eine abweichende Beurteilung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Prüfpflichten. Das gelte, auch wenn die Beklagte begründete Hinweise darauf gehabt habe, dass die dritte Person zu „Rufmord“ im Internet neige. Die Beklagte habe mit der Erstellung des Gutachtens und Übersendung an das Gericht ihre rechtliche Verpflichtung erfüllt. Dabei sei es auch erforderlich gewesen, sowohl den Klarnamen der Klägerin zu nennen als auch die von ihr geschilderten Missbrauchserfahrungen darzustellen. Es sei außerdem darauf hingewiesen, dass die Beklagte bereits rein tatsächlich nicht in der Lage gewesen sei, die missbräuchliche Verwendung ihres Gutachtens zu verhindern. Schon aus diesem Grund komme keine Haftung der Beklagten in Betracht.

Gutachterin hat rechtmäßig gehandelt
Selbst wenn ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gegeben sei, fehle es an dessen Rechtswidrigkeit, befand das OLG. Dabei seien die Interessen der Klägerin am Schutz ihrer Persönlichkeit mit dem Recht der Beklagten auf Kommunikations- und Wissenschaftsfreiheit abzuwägen. Diese Abwägung falle zu Gunsten der Beklagten aus. Sie sei gerichtlich mit der Erstellung eines familienpsychologischen Gutachtens beauftragt und zur Sachverständigen bestellt worden. Dies habe sie dazu verpflichtet, alle entscheidungsrelevanten Tatsachen zur Beurteilung der zu begutachtenden Punkte zu ermitteln. Sie habe daher bei der Gutachtenerstellung in Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung gehandelt und lediglich die ihr obliegenden rechtlichen Pflichten erfüllt.

Oberlandesgericht Düsseldorf, Beschluss vom 16.02.2021, Az. 16 U 269/20


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