Kein Anspruch auf Einschreiten der Datenschutzbehörde
Das Verwaltungsgericht Mainz urteilte am 16.01.2020, dass der Datenschutz dem Anspruch von Verteidigern auf Akteneinsicht gem. § 147 StPO nicht entgegenstehe. Der Paragraf enthalte eine gesetzliche Verpflichtung und damit auch datenschutzrechtliche Erlaubnis zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten.
Wann muss der Datenschutzbeauftragte eingreifen?
Kläger zu 1) beschwerte sich beim Beklagten, den Datenschutzbeauftragten Rheinland-Pfalz, wegen datenschutzrechtlicher Verstöße in einen gegen ihn geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Die Verteidiger von drei Mitbeschuldigten hatten im Rahmen des Verfahrens jeweils Akteneinsicht beantragt. Die Akten beinhalteten aber auch personenbezogene Daten des Klägers zu 1). Der Beklagte bat die zuständige Staatsanwaltschaft deshalb um Stellungnahme. Diese teilte mit, dass in dem betreffenden Strafverfahren neun Bände Sachakten sowie verschiedene Fall-, Sonder- und Personenakten vorlagen. Da der Kläger zu 1) als Haupttäter geführt wurde, sei keine eigene Personenakte für ihn angelegt worden. Bei der Akteneinsicht durch die drei anderen Verteidiger wurden allerdings einzelne Personenakten und Sonderbände von der Akteneinsicht ausgenommen. Darüber wurden die Verteidiger auch informiert. Ihnen wurde die Möglichkeit unterbreitet, auch in diese Aktenteile Einsicht zu nehmen, sollte das erforderlich sein. Der Beklagte teilte dem Kläger zu 1) später mit, dass kein Datenschutzverstoß habe festgestellt werden können. Eine Rechtsmittelbelehrung enthielt das Schreiben nicht. Hiergegen legte der Kläger zu 1 „Einspruch“ ein. Der Beklagte teilte daraufhin mit, dass ein Widerspruchs- oder Einspruchsverfahren nicht vorgesehen sei. Allerdings könne der verwaltungsgerichtliche Rechtsweg beschritten werden. Der Kläger zu 1) erhob daraufhin Klage. Die Klägerin zu 2) trat der Klage später bei. Durch die Offenlegung der Daten des Klägers zu 1) seien auch ihre Datenschutzrechte berührt worden. Beide Kläger beantragten sinngemäß die Aufhebung des ursprünglichen Bescheides.
Verwaltungsrechtsweg steht offen
Das Verwaltungsgericht Mainz entschied, dass die Klage zulässig sei. Der Verwaltungsrechtsweg sei eröffnet. Zwar enthalte das Landesdatenschutzgesetz Rheinland-Pfalz (LDS) keine ausdrückliche Zuweisung zum Verwaltungsrechtsweg. Diesen enthalte aber das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Der Verwaltungs-rechtsweg gelte für alle Streitigkeiten zwischen einer natürlichen oder einer juristischen Person und einer Aufsichtsbehörde des Bundes oder eines Landes. Somit müsse der Verwaltungswege auch für das inhaltsgleichen Beschwerderecht aus dem LDS gelten. Denn beides basiere auf der Umsetzung einer EU-Richtlinie zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten etc. Es widerspräche der Einheit der Rechtsordnung, wenn sich der Rechtsweg aufgrund einer Beschwerde gegen eine Bundesbehörde von einer Beschwerde gegen eine Landesbörde unterscheiden würde.
Verpflichtungsklage als statthafte Klageart
Statthafte Klageart sei die Verpflichtungsklage, so das Gericht weiter. Der Vortrag des Klägers zu 1) sei dahingehend auszulegen, dass er sich nicht nur gegen die Beendigung des datenschutzrechtlichen Beschwerdeverfahrens wehren möchte, sondern auch ein Einschreiten des Beklagten gegen die Staatsanwaltschaft begehrt. Dies gehe aus seiner Klagebegründung hervor. Das Schreiben des Beklagten stelle einen Verwaltungsakt dar. Zwar sei es weder mit „Bescheid“ oder „Verfügung“ oder ähnlichem betitelt. Allerdings treffe die Ablehnung bzw. Abweisung einer Beschwerde eine regelnde und für den Beschwerdeführer belastende Entscheidung über den Fortgang des Verfahrens.
Kein Datenschutzrechtsverstoß durch Staatsanwaltschaft
Das Gericht befand, dass das Beschwerdeverfahren in rechtmäßiger Weise durchgeführt und beendet worden sei. Ein Datenschutzrechtsverstoß sei nicht erkennbar. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Staatsanwaltschaft den Verteidigern der Mitbeschuldigten Akteneinsicht gewährt habe. Grundsätzlich stelle die Gewährung von Akteneinsicht eine Datenverarbeitung dar. Diese Datenverarbeitung bzw. Übermittlung sei dann zulässig, wenn sie durch eine Rechtsvorschrift ermöglicht werde. Eine solche Rechtsvorschrift sei § 147 StPO. Danach bestehe im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens eine Rechtspflicht der ermittelnden Staatsanwaltschaft, den Verteidigern auf Antrag Akteneinsicht zu gewähren. Die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht durch die zuständige Behörde erfolge stets im öffentlichen Interesse. Diese Pflicht sei dabei grundsätzlich umfassend. Den Verteidigern komme ein Akteneinsichtsrecht in alle Akten zu, die auch dem Gericht vorzulegen wären. Dabei gelte der Grundsatz der Aktenvollständigkeit. Einzelne Teile der Akten dürfen lediglich in Ausnahmefällen ausgenommen werden. Der Grundsatz des Datenschutzes steht dem Anspruch des Verteidigers auf Akteneinsicht nicht entgegen. § 147 StPO enthalte eine gesetzliche Verpflichtung und damit auch datenschutzrechtliche Erlaubnis zur Verarbeitung von - auch personenbezogenen - Daten.
Gesondert geführte Personalakte nicht erforderlich
Auch sei nicht zu beanstanden, dass die Staatsanwaltschaft keine gesonderte Personenakte über den Kläger zu 1) geführt habe, so das Gericht weiter. Denn schließlich bestehe das Akteneinsichtsrecht der Verteidiger umfassend. Die Staatsanwaltschaft dürfe die Akteneinsicht nicht auf solche Teile beschränken, die sie für die Verteidigung als erforderlich halte. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 1) hier von Beginn an als Haupttäter angesehen wurde. Eine Verwehrung der Akteneinsicht hätte zu einem so weitreichenden Ausschluss von Aktenmaterial geführt, dass eine effektive Verteidigung der anderen Beschuldigten nicht möglich gewesen wäre.
Klage von Klägerin zu 2) nicht zulässig
Das Verwaltungsgericht befand die Klage der Klägerin zu 2) als nicht zulässig. Denn die Klägerin zu 2) sei bereits nicht klagebefugt. Das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf stehe nur demjenigen zu, der vom Verwaltungsakt der Aufsichtsbehörde betroffen sei. Dies könne der Adressat der Entscheidung sein oder auch ein Dritter, weil gegen ihn z.B. konkrete Maßnahmen verhängt werden. Beides treffe aber auf die Klägerin zu 2) nicht zu. Weder habe sie selbst beim Beklagten einen datenschutzrechtlichen Verstoß geltend gemacht, noch sei sie sonstige Betroffene des Bescheids. Auch sei nicht erkennbar, in welcher anderen Weise sie von datenschutzrechtlichen Verstößen betroffen sein will. Ihre Personalakte sei jedenfalls nicht von der Akteneinsicht der anderen Mitbeschuldigen umfasst gewesen.
Verwaltungsgericht Mainz, Urteil vom 16.01.2020, Az. 1 K 129/19.