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Warenverkehrsfreiheit darf zum Schutz von Urheberrechten eingeschränkt werden


Ein Mitgliedstaat darf einen Spediteur wegen Beihilfe zum unerlaubten Verbreiten von Vervielfältigungsstücken urheberrechtlich geschützter Werke in seinem Gebiet strafrechtlich verfolgen, auch wenn diese Werke im Mitgliedstaat des Verkäufers nicht geschützt sind. Dies hat der Europäische Gerichtshof entschieden.  Herr Donner, ein deutscher Staatsangehöriger, wurde vom Landgericht München II wegen Beihilfe zur gewerbsmäßigen unerlaubten Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte Herr Donner zwischen 2005 und 2008 an der Verbreitung von Nachbildungen von Einrichtungsgegenständen im „Bauhaus“-Stil, die in Deutschland urheberrechtlich geschützt waren, mitgewirkt.  Diese Vervielfältigungsstücke der Werke kamen aus Italien, wo sie zwischen 2002 und 2007 nicht urheberrechtlich geschützt waren oder im entscheidungserheblichen Zeitraum keinen vollen Schutz genossen, da dieser Schutz nach der italienischen Rechtsprechung gegenüber Produzenten, die die Werke seit einer gewissen Zeit vervielfältigt und/oder vermarktet hatten, nicht durchsetzbar war. Die Nachbildungen wurden in Deutschland ansässigen Kunden von dem italienischen Unternehmen Dimensione Direct Sales über Zeitschriftenanzeigen und -beilagen, durch direkte Werbeanschreiben und über eine deutschsprachige Internetseite zum Verkauf angeboten.  Für den Transport der Nachbildungen nach Deutschland empfahl Dimensione die italienische Spedition In.Sp.Em., deren Geschäftsführer Herr Donner war. Die Fahrer von In.Sp.Em. holten die von den deutschen Kunden bestellte Ware bei Dimensione in Italien ab und zahlte dieser den Kaufpreis. Bei der Ablieferung der Ware an die Kunden in Deutschland zogen sie von diesen den Kaufpreis und die Frachtkosten ein. Das Eigentum an den von Dimensione verkauften Gegenständen ging in Italien auf die deutschen Kunden über. Die tatsächliche Verfügungsgewalt über diese Gegenstände erlangten die Kunden jedoch erst mit der Übergabe in Deutschland mit Hilfe von Herrn Donner. Daher erfolgte die Verbreitung im Sinne des Urheberrechts nach Ansicht des Landgerichts nicht in Italien, sondern in Deutschland, wo sie mangels Zustimmung der Inhaber des Urheberrechts verboten war.  Herr Donner legte gegen das Urteil des Landgerichts Revision beim Bundesgerichtshof ein. Dieser möchte wissen, ob die Anwendung der deutschen Strafvorschriften im vorliegenden Fall eine ungerechtfertigte Einschränkung der unionsrechtlich garantierten Warenverkehrsfreiheit darstellt.  In seinem Urteil weist der Europäische Gerichtshof erstens darauf hin, dass die Anwendung der Strafvorschriften im vorliegenden Fall voraussetzt, dass im Inland eine „Verbreitung an die Öffentlichkeit“ im Sinne des Unionsrechts stattgefunden hat. Hierzu stellt er fest, dass ein Händler, der seine Werbung auf in einem bestimmten Mitgliedstaat ansässige Mitglieder der Öffentlichkeit ausrichtet und ein spezifisches Lieferungssystem und spezifische Zahlungsmodalitäten schafft oder für sie zur Verfügung stellt oder dies einem Dritten erlaubt und diese Mitglieder der Öffentlichkeit so in die Lage versetzt, sich Vervielfältigungsstücke von Werken liefern zu lassen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat urheberrechtlich geschützt sind, in dem Mitgliedstaat, in dem die Lieferung erfolgt, eine solche Verbreitung vornimmt. Im vorliegenden Fall weist der Europäische Gerichtshof den nationalen Gerichten die Aufgabe zu, zu beurteilen, ob Indizien vorliegen, die den Schluss zulassen, dass der betreffende Händler eine solche Verbreitung an die Öffentlichkeit vorgenommen hat.  Zweitens stellt der Europäische Gerichtshof fest, dass das strafrechtlich sanktionierte Verbot der Verbreitung in Deutschland eine Behinderung des freien Warenverkehrs darstellt. Eine derartige Beschränkung könne jedoch zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sein. Die fragliche Beschränkung beruhe nämlich darauf, dass die praktischen Bedingungen des Schutzes der betreffenden Urherberrechte von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich sind. Diese Unterschiedlichkeit sei untrennbar mit dem Bestehen der ausschließlichen Rechte verknüpft. Im vorliegenden Fall könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Schutz des Verbreitungsrechts zu einer unverhältnismäßigen oder künstlichen Abschottung der Märkte führt. Die Anwendung strafrechtlicher Vorschriften könne nämlich als erforderlich angesehen werden, um den spezifischen Gegenstand des Urheberrechts zu schützen, das u. a. ein ausschließliches Verwertungsrecht gewährt. Die fragliche Beschränkung sei daher gerechtfertigt und stehe in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Zweck.  Daher antwortet der Europäische Gerichtshof, dass das Unionsrecht es einem Mitgliedstaat nicht verbietet, einen Spediteur wegen Beihilfe zum unerlaubten Verbreiten von Vervielfältigungsstücken urheberrechtlich geschützter Werke in Anwendung seiner nationalen Strafvorschriften strafrechtlich zu verfolgen, wenn diese Vervielfältigungsstücke in dem betreffenden Mitgliedstaat (Deutschland) im Rahmen eines Verkaufsgeschäfts an die Öffentlichkeit verbreitet werden, das speziell auf die Öffentlichkeit in diesem Mitgliedstaat ausgerichtet ist und von einem anderen Mitgliedstaat (Italien) aus abgeschlossen wird, in dem ein urheberrechtlicher Schutz der Werke nicht besteht oder nicht durchsetzbar ist.  21.06.2012 - C-5/11 Gerichtshof der Europäischen Union - PM 84/2012 vom 21.06.2012


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