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LG Berlin zur Übertragung der Pflichten aus strafbewehrter Unterlassungserklärung

Zusammenfassung / Volltext des Urteils des Landgerichts Berlin vom 02.04.2012, Az. 52 O 123/11


Das Landgericht Berlin hat mit Urteil vom 02.04.2012, Aktenzeichen 52 O 123/11, entschieden, dass durch die Übernahme eines Handelsgeschäfts und Fortführung unter derselben Firma auch die vor der Übernahme abgegebenen Unterlassungserklärungen übernommen werden. Ein Verstoß durch den neuen Inhaber löst den Anspruch auf die vereinbarte Vertragsstrafe aus.

Das Landgericht Berlin (LG Berlin) hat in seiner Entscheidung vom 02.04.2012 unter dem Aktenzeichen 52 O 123/11 klargestellt, dass die Rechtsnachfolge auch für Unterlassungserklärungen gilt, die vom früheren Inhaber abgegeben wurden. Nur wenn der neue Inhaber nachweisen kann, dass er nichts von der Unterlassungserklärung wusste, entfällt ein Verschulden.

Der Entscheidung liegt ein Rechtsstreit zugrunde, bei dem ein Firmennachfolger wegen des Verstoßes gegen eine Unterlassungserklärung auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,00 Euro in Anspruch genommen wurde. Die Erklärung war ursprünglich vom Lebensgefährten und Bevollmächtigten der früheren Inhaberin abgegeben worden. Aufgrund persönlicher Umstände verkaufte die Inhaberin das Handelsgeschäft an die jetzige Beklagte. Der Lebensgefährte verstarb kurz darauf.

Nachdem die Beklagte durch ihr Verhalten, das in der Formulierung einer AGB-Klausel bestand, gegen die Unterlassungserklärung verstieß, wurde sie von dem Kläger zur Zahlung der Vertragsstrafe aufgefordert. Vor Gericht berief sich die Beklagte darauf, nichts von der Unterlassungserklärung gewusst zu haben. Die ehemalige Inhaberin wurde als Zeugin gehört und konnte sich aber aufgrund der persönlichen Umstände beim Firmenübergang nicht genau erinnern, ob die schriftliche Unterlassungserklärung in den Geschäftspapieren vorhanden war und übergeben wurde. Dies reichte dem Gericht nicht aus, die Unkenntnis der Beklagten von der Unterlassungserklärung als bewiesen anzunehmen.

Grundsätzlich gilt bei einer Firmenübernahme, dass der Übernehmer in alle Rechte und Pflichten eintritt. Dazu gehört natürlich auch, dass eine früher abgegebene Unterlassungserklärung weiter für den neuen Firmeninhaber wirkt. Dies hat das LG Berlin bestätigt. Es hat aber ebenfalls das rechtliche Erfordernis des Verschuldens bestätigt. Ohne Verschulden ist ein Verstoß nicht möglich und Verschulden erfordert Kenntnis. Dies ist eine Ausnahme von der alltäglichen Regel, dass Unkenntnis nicht vor Strafe schützt. Bei dem entschiedenen Rechtsstreit hätte eine derartige Unkenntnis durchaus der Beklagten die Vertragsstrafe erspart. Voraussetzung ist allerdings, dass derjenige, der sich auf diese Unkenntnis beruft, dies auch zweifelsfrei beweisen kann. Eine solche Beweisführung kann unter Umständen sehr schwierig sein. Selbst in dem Rechtsstreit vor dem LG Berlin reichte die Zeugenaussage der früheren Inhaberin, die nach Überzeugung des Gerichts wohl selbst nicht einmal von der Unterlassungserklärung wusste, noch nicht für den Beweis der Unkenntnis aus. Dieser Aussage wurde entgegengehalten, dass die Zeugin wohl keinen zuverlässigen Überblick der übergebenen Geschäftspapiere hatte.

Für eine Firmenübernahme bedeutet dies, dass der zukünftige Inhaber sich in jedem Fall einen genauen Überblick über die vollständigen Verpflichtungen der Firma machen muss. Der Beweis, nichts von bestehenden Verpflichtungen wie einer zuvor abgegebenen Unterlassungserklärung zu wissen, wird in der Regel schwer zu führen sein.



Der Volltext der Entscheidung:



1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.000,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. März 2011 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte. Davon ausgenommen sind die durch Anrufung des Amtsgerichts Charlottenburg entstandenen Kosten, die der Kläger zu tragen hat.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags zuzüglich 10 % vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Unterlassungsvereinbarung auf Zahlung einer danach verwirkten Vertragsstrafe in Anspruch.

Die Firma "...-....de", vertreten durch Herrn L., gab mit Datum vom 20. Februar 2006 eine Unterlassungserklärung ab, wonach sich besagte Firma verpflichtete, es bei Vermeidung einer für jeden Fall zukünftiger schuldhafter Zuwiderhandlung zu zahlender Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,-- € u.a. zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd in allgemeinen Mietbedingungen gegenüber Verbrauchern wörtlich oder inhaltsgleich die Klausel "Ausschließlicher Gerichtsstand ist Berlin" zu verwenden und/oder sich bei der Abwicklung bestehender Verträge auf diese Klausel zu berufen. 

Ursprüngliche Inhaberin der Firma "....de" war  - nunmehr unstreitig - die Zeugin Julia K., die dabei durch ihren damaligen, nunmehr verstorbenen Lebensgefährten Herrn L. unterstützt wurde. Mit Wirkung zum 1. Januar 2007 verkaufte und übertrug sie das Unternehmen als Ganzes auf die Beklagte.

Die Beklagte verstieß nachfolgend durch die Gestaltung von Ziffer 4 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegen das oben genannte Unterlassungsgebot. Entsprechend forderte der Kläger sie mit Schreiben vom 15. Februar 2011 unter Fristsetzung zum 25. Februar 2011 zur Zahlung von 4.000,-- € auf.

Der Kläger hat zunächst Klage vor dem Amtsgerichts Charlottenburg erhoben, das sich mit Beschluss vom 27. Mai 2011 gemäß § 13 UWG für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreits an das Landgericht verwiesen hat.

Der Kläger meint, die Beklagte hafte nach den Grundsätzen der Firmenfortführung als Rechtsnachfolgerin aus der Unterlassungsvereinbarung, weshalb die Vertragsstrafe verwirkt sei.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.000,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. März 2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, sie hafte jedenfalls deshalb nicht aus der Unterlassungsvereinbarung, weil sie diese und die darin enthaltene Vertragsstrafenverpflichtung nicht gekannt habe. Weder habe sich das entsprechende Dokument in den ihr übergebenen Unterlagen befunden, noch habe sie die frühere Inhaberin des Unternehmens, die Zeugin Julia K., davon in Kenntnis gesetzt. Mit Kenntnis der Unterlassungsverpflichtung habe sie die entsprechende Klausel dann umgehend gelöscht. Sie habe den objektiven Verstoß gegen das Vertragsstrafeversprechen mangels Kenntnis nicht schuldhaft begangen.

Die Kammer hat Beweis erhoben über die Behauptung der Beklagten, sie habe von der Unterlassungserklärung vom 20. Februar 2006 keine Kenntnis gehabt; die Verkäuferin des Unternehmens Frau K. habe ihr während der Gespräche über den Kauf und die Übernahme des Unternehmens keine Hinweise darauf erteilt, dass im Namen des Unternehmens eine Unterlassungserklärung abgegeben worden sei. Frau K. habe ihr auch keine Unterlagen im Zusammenhang mit der Unterlassungserklärung – etwas die Abmahnung und weiteren Schriftverkehr – gezeigt oder übergeben, durch Vernehmung der Zeugin Julia K. auf Antrag der Beklagten. Wegen des Ergebnisses  der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2012, Bl. 120f. d.A. Bezug genommen.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf den Vortrag ihrer Prozessbevollmächtigten nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,-- € aus der Unterlassungsvereinbarung zwischen dem Kläger und der Firma "....de" vom 20. Februar 2006 in Verbindung mit § 339 S. 2 BGB.

Die versprochene Vertragsstrafe ist verwirkt.

Zunächst ist davon auszugehen, dass mit Abgabe der Unterlassungserklärung des Herrn L. für die Firma "....de" eine wirksame Unterlassungsvereinbarung zwischen dem Kläger und dieser Firma geschlossen wurde, wobei sich die Annahme des entsprechenden Angebots von Herrn L. durch den Kläger aus den gesamten Umständen ergibt, bzw. durch schlüssiges Verhalten erfolgt ist. Herr L. war auch als bevollmächtigt anzusehen, eine verbindliche Erklärung dieser Art für die Firma "....de" abzugeben. Dafür kann offen bleiben, ob die damalige Inhaberin des Unternehmens – die Zeugin Julia K. – ihn ausdrücklich bevollmächtigt hatte. Jedenfalls greifen hier die Grundsätze der Duldungs- bzw. Anscheinsvollmacht ein. Denn Herr L. hat die Erklärung offenbar mit Billigung der Zeugin K. und unter Verwendung des Firmenstempels abgegeben. Auch muss nach den Gesamtumständen unterstellt werden, dass er bereits die entsprechende Abmahnung des Klägers selbständig in Empfang genommen, geöffnet und in diesem Sinne bearbeitet hat. Mangels anderer Anhaltspunkte - welche die Beklagte im Übrigen darzulegen und zu beweisen hätte - ist deshalb die Unterlassungserklärung des Herrn L. der  Firma "....de" als eigene Willenserklärung zuzurechnen. 

Die Beklagte haftet gemäß § 25 Abs. 1 HGB als Rechtsnachfolgerin der Zeugin Julia K.  aus der mit Wirkung für die Firma "....de" eingegangene Verpflichtung. Denn hat sich der frühere Inhaber eines Handelsgeschäfts – wie hier – zur Unterlassung und für den Fall der Zuwiderhandlung zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet, so schuldet derjenige, der das Handelsgeschäft übernimmt und unter der bisherigen Firma fortführt, nicht nur Unterlassung, sondern im Falle einer Zuwiderhandlung auch die versprochene Vertragsstrafe (BGH NJW 1996, 2866).

Ein objektiver Verstoß der Beklagten gegen die Unterlassungsverpflichtung steht außer Streit. Auch das – grundsätzlich erforderliche – Verschulden der Beklagten ist zu unterstellen. Es wäre nur dann nicht gegeben, wenn die Beklagte als Inhaberin der Firma "....de" von der entsprechenden Verpflichtung schon keine Kenntnis gehabt hätte. Denn Verschulden setzt zumindest solche Kenntnis voraus, auch fahrlässige Unkenntnis würde nicht ausreichen. Allerdings ist die Beklagte für fehlendes Verschulden - hier also für die mangelnde Kenntnis ihrer Verpflichtung - darlegungs- und beweispflichtig. Den Beweis ihrer Unkenntnis hat sie nicht erbringen können. Insbesondere hat die Zeugin K. in der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Gerichts bestätigt, dass sie der Beklagten nicht von der Erklärung berichtet hat und sich diese auch nicht als schriftliches Dokument in den übergebenen Geschäftsunterlagen des Firma "....de" befunden hätte. Die Zeugin war aufgrund eines persönlichen Schicksalsschlages offensichtlich nicht in der Lage, sich unbefangen an Erklärungen, Vorgänge und Abläufe im Zusammenhang mit dem Verkauf der Firma "....de" an die Beklagte zu erinnern. So erscheint es nach den Ausführungen der Zeugin zwar eher nahe liegend, dass sie schon selbst überhaupt keine Kenntnis von der Unterlassungserklärung hatte und deshalb der Beklagte davon auch nichts gesagt hat. Die Zeugin hatte aber im Übrigen  keine genauen Erinnerungen daran, ob sich die Unterlassungsverpflichtung möglicherweise in den Geschäftsunterlagen befunden haben könnte, was wiederum die Kenntnis der Beklagten begründen würde. Da die Zeugin im Ergebnis jedenfalls weder eine Mitteilung der Unterlassungserklärung, noch deren Übergabe mit den Geschäftsunterlagen völlig ausschließen konnte, hat die Beklagte den von ihr zuführenden Beweis fehlender Kenntnis nicht erbringen können.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB.

Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91 Abs. 1, 709 S. 1 und 2 ZPO.


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