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Rechtsanwalt Gereon Sandhage erneut zum Schadensersatz verurteilt

LG Berlin, Urteil vom 02.08.2017, Az. 15 O 144/17 - Foto: © medesulda/fotolia.com


Rechtsanwalt Gereon Sandhage erneut zum Schadensersatz verurteilt

Der für rechtsmissbräuchliche Massenabmahnserien hinlänglich bekannte Berliner Rechtsanwalt Gereon Sandhage ist erneut durch ein Gericht zum Schadensersatz verurteilt worden.

Gegenstand des jetzigen Urteils ist diesmal eine der vielen wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen, die Rechtsanwalt Sandhage im Namen des Herrn Artur Hornbacher ausgesprochen hat.

Unsere Mandantschaft hatte hinreichend Grund zu der Annahme, dass die Abmahnung, die RA Gereon Sandhage ausgesprochen hat, rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG gewesen ist und dass die Abmahnung ausschließlich dazu diente, sich durch erhoffte Abmahnkosten bereichern zu können.

Dieser Verdacht erhärtete sich nicht zuletzt dadurch, dass der Abmahner Hornbacher selbst auf eine von uns für unsere Mandantschaft eingereichte negative Feststellungsklage keinerlei Anlass sah, seine Abmahnung in irgendeiner Form gegenüber dem zuständigen Gericht zu verteidigen, sodass ein Versäumnisurteil erging, das in der Folgezeit rechtskräftig geworden ist.

Nachdem Artur Hornbacher die mit der negativen Feststellungsklage einhergehenden Prozesskosten nicht beglich und Schuldnerregisterauskünfte seine Zahlungsunfähigkeit bekräftigten, sind die unserer Mandantschaft entstandenen Kosten als Schadensersatz unmittelbar gegenüber dem abmahnenden Rechtsanwalt Gereon Sandhage geltend gemacht worden.

In erster Instanz bestätigte das Landgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 15 O 144/17 nun mit Urteil vom 02.08.2017, dass der beklagte Rechtsanwalt Sandhage die entstandenen Schäden zu ersetzen habe. Die Abmahnung sei rechtsmissbräuchlich (§ 8 Abs. 4 UWG) gewesen und stelle eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung (§ 826 BGB) unserer Mandantschaft dar.

Hierbei handelt es sich nicht um die erste Entscheidung eines Gerichts, mit der Rechtsanwalt Gereon Sandhage im Zusammenhang mit rechtsmissbräuchlichen Massenabmahnungen nach § 826 BGB zum Schadensersatz verurteilt worden ist.

Das jetzige Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig (Stand: 16.08.2017).

Die Entscheidung des LG Berlin, Urteil vom 02.08.2017, Az. 15 O 144/17, haben wir nachfolgend im Volltext für Sie veröffentlich.


UPDATE 31.01.2019: Rechtskraft

Zur Information teilen wir mit, dass das Schadensersatzurteil des LG Berlin, Urteil vom 02.08.2017, Az. 15 O 144/17, gegen Rechtsanwalt Gereon Sandhage rechtskräftig geworden ist.





Landgericht Berlin

Im Namen des Volkes

Urteil

Geschäftsnummer: 15 O 144/17
verkündet am: 02.08.2017


In dem Rechtsstreit

der vavorit GmbH,
vertreten durch den Geschäftsführer Frank Richert,
Vacher Straße 461,90768 Fürth,
Klägerin,

- Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Weiß & Partner, -
Katharinenstraße 16, 73728 Esslingen,-

gegen

den Rechtsanwalt Gereon Sandhage,
Clayallee 337,14169 Berlin,
Beklagter,

- Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte von Stein und Kollegen,
Schloßstraße 28, 12163 Berlin,-

hat die Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin in Berlin - Mitte, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin,
auf die mündliche Verhandlung vom 2. August 2017 durch XXXXX

für Recht erkannt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.297,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus 2.747,69 € seit dem 24. März 2016 und aus weiteren 550,00 € seit dem 17. März 2017 zu zahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen mit Ausnahme der vor dem Amtsgericht Schöneberg entstandenen Mehrkosten, die die Klägerin zu tragen hat.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.


Tatbestand:
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadenersatz nach Abwehr einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung in Anspruch.

Die Klägerin, handelt im Internet mit Messern. Sie bot am 27. November 2015 auf der Handelsplattform Amazon.de ein Messer mit der Angabe „2 Jahre Garantie“ an (Anlage B 1).

Wegen dieser Garantieangabe wurde die Klägerin am 30. November 2015 von Herrn Artur Hornbacher, anwaltlich vertreten durch den Beklagten, wettbewerbsrechtlich abgemahnt (Anlage K 1). Dabei gab Herr Hornbacher an, „im Internet u. a. über die Onlinepräsenz uzi.watch“ Messer und diverses Zubehör zu verkaufen. Die Domain uzi.watch war am 1. September 2015 auf Herrn George Rauscher unter Angabe der Telefonnummer 0800 9536880 0 und am 25. November 2015 auf Herrn Hornbacher registriert (Anlage K 14). Am 30. November 2015 bot Herr Hornbacher auf dieser Webseite vier verschiedene Messer zu Preisen zwischen 29,90 € und 34,90 € an. Im Impressum dieser Webseite wurde die Telefonnummer 0800 9536880 1 genannt (Anlage K 13). Als Zahlungsart sah Herr Hornbacher nur eine Vorkasse durch Banküberweisung nach Vertragsschluss vor (Anlage K 16). Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin nahmen zwei Testkäufe bei Herrn Hornbacher vor: Der erste vom: 30. November 2015 erhielt die Bestellnummer 1042, der zweite vom 9. März 2016 die Bestellnummer 1058 (Anlage K 15). Über diese Webseite wurden im Zeitraum vom 30. November 2015 bis zum 9. März 2016 nach den durchlaufenden Bestellnummern 16 Verkäufe getätigt, von denen mindestens 5 Testkäufe waren. Verkaufsbemühungen des Herrn Hornbacher außerhalb dieser Webseite waren nicht festzustellen.

Der Beklagte ist Rechtsanwalt in Berlin. Er vermarktet einen Abmahnschutzbrief, der Onlinehändlern Schutz vor Abmahnungen bietet. Der Beklagte nennt im Impressum seiner Kanzleiwebseite die „Notfallrufnummer“ 0800 9356880 5 (Anlage K 2). Er bildet mit Herrn George Rauscher und einem Dritten den Aufsichtsrat der Digitalactiva AG, deren Vorstand die Ehefrau des Beklagten ist (Anlage K 3).

Die Klägerin beauftragte ihre Prozessbevollmächtigen mit einer pauschalierten Vergütungsvereinbarung über 550,00 € (Anlage K 4) mit der außergerichtlichen Vertretung. Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2015 trat sie der Abmahnung mit ausführlichen Einwänden gegen die Abmahnungsberechtigung entgegen, dies unter Hinweis auf eine frühere Abmahnwelle des Beklagten für Herrn Hornbacher als Vertreiber von Kosmetikprodukten und einer dem Beklagten bereits vor Monaten mitgeteilten Auskunft aus dem Schuldnerregister des Herrn Hornbacher (Anlage K 5). Der Beklagte teilte am 7. Dezember 2015 mit, dass nach Rücksprache mit seinem Mandanten „an den geltend gemachten Unterlassungsansprüchen unbedingt festgehalten“ werde (Anlage K 6).

Die Klägerin erhob am 15. Dezember 2015 vor dem Landgericht Bochum zum Aktenzeichen I-14 O 226/15 negative Feststellungsklage gegen Herrn Hornbacher und verkündete dem Beklagten den Streit. Der Prozess endete mit einem Versäumnisurteil gegen Herrn Hornbacher, in dem festgestellt wurde, dass der Rechtsstreit erledigt ist. Die Kosten wurden Herrn Hornbacher auferlegt. Nach dem, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 25. Mai 2016 hat Herr Hornbacher der Klägerin 2.747,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. März 2016 zu erstatten. Das Gericht hat die Akte dieses Prozesses beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Herr Hornbacher zahlte nicht. Die Klägerin forderte den Beklagten am 18. August 2016 erfolglos zur Zahlung auf.

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen dieses Betrages und ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten in Anspruch.

Der Beklagte ist nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin als Massenabmahnanwalt bekannt: Nach den Feststellungen des LG Berlin (- 103 O 96/10 -, Urteil vom 30. November 2010, zitiert in der Anspruchsbegründung) zählte Herr George Rauscher zu den „Massenabmahnmandanten“ des Beklagten, diese Abmahnungen wurden vom Gericht als rechtsmissbräuchlich bewertet. Mitte April 2013 trat der Beklagte mit Abmahnungen für die Body Point Products GmbH in Erscheinung, die ihren Geschäftsbetrieb nach Auskunft ihrer Geschäftsführerin bereits im Jahr 2012 vollständig und endgültig eingestellt hatte. Als Technischer Ansprechpartner für die Webseite dieses Unternehmens war Herr George Rauscher registriert worden. Der Beklagte fiel den Prozessbevollmächtigten der Klägerin ab Mai 2013 mit einer umfangreichen Abmahntätigkeit im Namen des Mandanten Konatowski, dessen Onlinehandel erst kurz zuvor eingerichtet wurde, auf. Testanrufe bei dem bei DENIC registrierten technischen Ansprechpartner führten zur Mobilbox von der Ehefrau des Beklagten, eine Rechtsanwältin. Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin waren der Beklagte und seine Ehefrau an der Errichtung des Onlineshops dieses Mandanten beteiligt. Das Amtsgericht Schöneberg (- 16 C 104/14 -, Urteil vom 24. Oktober 2014) verurteilte den Beklagten wegen Massenabmahnungen im Namen einer anderen Mandantin nach § 826 BGB zum Schadensersatz.

Den Prozessbevollmächtigten der Klägerin fiel der Beklagte seit September 2014 mit einer Vielzahl Abmahnungen im Namen von Herrn Hornbacher im Marktsegment Kosmetikprodukte auf (Anlage K 10). Sie wiesen den Beklagten im Juli 2015 darauf hin, dass Herr Hornbacher nach dem Schuldnerregister zahlungsunfähig sei (Anlage K 11). Ab Herbst 2015 fiel der Beklagte den Prozessbevollmächtigten der Klägerin durch eine zweite Abmahnwelle im Namen des Herrn Hornbacher, jetzt im Marktsegment Messer, auf. Ihnen gingen serienbriefartige Abmahnungen in zweistelliger Anzahl zu, die alle zwischen dem 25. und 30. November 2015 datierten und Onlinehändler wegen deren Garantieerklärungen betrafen. Gab man am 17. Oktober 2016 bei Google.de die Suchbegriffe „Abmahnung Artur Hornbacher“ ein, wurden „ungefähr 2.390 Ergebnisse“ angezeigt, wobei die erste Seite mehrere Einträge aus dem Zeitraum vom September 2014 bis Dezember 2015 unter Bezug auf Herrn Hornbacher und den Beklagten enthielt (Anlage K12).

Die Klägerin behauptet: Herr Hornbacher habe mit seinem Onlineshop keinen ernsthaften Handel betrieben, sondern im Zusammenwirken mit dem Beklagen nur ein Vehikel für Abmahnungen konstruiert. Der Beklagte bediene sich seit Jahren wechselnder Unternehmer, die entweder insolvent oder nicht mehr tätig seien, um wegen Lappalien serienweise Onlinehändler abzumahnen. Er verfolge damit keine lauterkeitsrechtlichen Ziele, sondern eigene finanzielle Interessen.

Die Klägerin ist der Ansicht: Herr Hornbacher habe mangels Mitbewerbereigenschaft nicht abmahnen dürfen. Jedenfalls sei seine Abmahnung rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG gewesen, weil damit überwiegend ein sachfremdes Gebührenerzielungsinteresse verfolgt worden sei. Ein wirtschaftlich denkender Unternehmer, dem es um die Verfolgung legitimer wettbewerbsrechtlicher Ziele, gehe, hätte in der Situation des Herrn Hornbacher keine solche Abmahnwelle veranlasst und sich damit trotz wirtschaftlicher Not einem unverhältnismäßigen Kostenrisiko ausgesetzt. Der Erfolg sei als eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Abgemahnten zu qualifizieren, für die der Beklagte als wissentlich Beteiligter nach § 826 BGB unmittelbar auf Schadensersatz hafte.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Mahnbescheid wegen einer Hauptforderung in Höhe von 2.747,69 € (gemäß dem Kostenfestsetzungsbeschluss) erwirkt. Nach dessen Widerspruch ist das Verfahren auf den Antrag der Klägerin an das Amtsgericht Schöneberg abgegeben worden. Dieses hat sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Berlin verwiesen. Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2017, der dem Beklagten am 16. März 217 zugestellt worden ist, hat die Klägerin ihre Klage um eine Hauptforderung von 550,00 € (vorgerichtliche Anwaltskosten) erweitert.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt mit Schriftsatz vom 25. Juli 2017, der den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 31. Juli 2017 erreichte und auf den sich diese bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung noch nicht einlassen konnten, vor: Herr Hornbacher sei ein Kunde seines Abmahnschutzbriefes gewesen. Er, der Beklagte, habe im Rahmen einer Tiefenprüfung der Onlinepräsenz des Herrn Hornbacher festgestellt, dass der Shop funktionierte. Herr Hornbacher habe dort außerdem mit Armbanduhren und tactical pens von UZI gehandelt. Gegen Herrn Hornbacher bestünden nur unterhaltsrechtliche Titel zugunsten der staatlichen Leistungsträger, die durch Tilgung oder Stundungsabreden so geregelt worden seien, dass Herrn Hornbacher seine gewerblichen Einkünfte zur eigenen Verfügung gestanden hätten. Herr Hornbacher habe ihn am 27. November 2015 mit der Abmahnung der Klägerin beauftragt. Nach dem 7. Dezember 2015 habe Herr Hornbacher ihm die als Anlage B 2 vorgelegte eidesstattliche Versicherung zur Vorlage in einem einstweiligen Verfügungsverfahren übergeben. Am 11. Dezember 2015 habe Herr Hornbacher ihm dann mitgeteilt, dass keine einstweilige Verfügung beantragt werden solle.

Der Beklagte ist der Ansicht: Er habe ohne Weiteres auf den Inhalt der eidesstattlichen Versicherung des Herrn Hornbacher vertrauen dürfen. Jedenfalls hafte er bereits aus Rechtsgründen nicht für Kosten aus dem Prozess der Klägerin gegen Herrn Hornbacher, zumindest solange die Klägerin deren Beitreibung nicht bei diesem versucht habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des wechselseitigen Parteivorbringens wird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet. Das Landgericht Berlin ist schon aufgrund der bindenden
Verweisung des Rechtsstreits zur Entscheidung berufen, § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB zu. Wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist nach § 826 BGB dem anderen zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Der Beklagte hat den Tatbestand dieser Vorschrift erfüllt.

Die am 30. November 2015 gegen die Klägerin ausgebrachte Abmahnung war rechtsmissbräuchlich.

Die von der Klägerin verwendete Garantieangabe war zwar wettbewerbswidrig, worüber die Parteien auch nicht streiten.

Es bestehen aber erhebliche Bedenken an der Berechtigung des Herrn Hornbacher, die Klägerin deswegen auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. Das setzte nach § 8 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG voraus, dass er ein Mitbewerber der Klägerin, also als ein Unternehmer, der mit der Klägerin als Anbieter von Messern in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht, war. Das gilt zwar auch für den Unternehmer, der sein Geschäft gerade erst aufbaut, so dass alleine aus geringen Verkäufen oder Umsätzen nicht auf eine fehlende Mitbewerbereigenschaft geschlossen werden kann. Voraussetzung ist aber immer, dass der Handelnde es darauf angelegt hat, im Wettbewerb werbend tätig zu sein, Kunden zu gewinnen und an diese Waren zu verkaufen, sich also aktiv werbend und unternehmerisch zu betätigen. Das bloße Installieren einer Kulisse ohne eine ernsthafte Beteiligung am Wettbewerb führt dagegen noch nicht- zu einer Mitbewerberstellung. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Beklagte einmal die technische Funktionsfähigkeit des Onlineshops seines Mandanten überprüft hat. Die Funktionsfähigkeit musste auch für ein Abmahnkonstrukt gewährleistet sein. Gegen die Absicht des Herrn Hornbacher, sich damit im Wettbewerb zu etablieren, spricht, dass er sich über Monate hinweg auf einen eigenen Onlineshop ohne parallele Präsenz auf maßgeblichen Onlineplattformen wie Ebay oder Amazon beschränkt hat, dort nur einzelne Messer angeboten hat, Kaufinteressenten als einzigen Zahlungsweg die für Kunden riskante Vorkasse-Überweisung angeboten hat und dass tatsächlich keinen nennenswerten Verkäufe zustande kamen, falls sich die Bestellnummern nicht sogar vollständig auf Testkäufe von Abgemahnten beschränkten. Es ist auch nichts dafür erkennbar, dass Herr-Hornbacher seinem Onlineshop beworben hat. um ihn in den Weiten des Internets für Kaufinteressenten auffindbar zu machen. Letztlich können diese Aspekte für die Entscheidung aber dahinstehen und zu Gunsten des Beklagten unterstellt werden, dass Herr Hornbacher ein Mitbewerber und damit aktivlegitimiert war.

Zugunsten des Beklagten kann hier ferner unterstellt werden, dass Herr Hornbacher ihn tatsächlich für die Abmahnung bevollmächtigt hatte, so dass auch dieser Aspekt der Berechtigung der Abmahnung hier nicht entgegensteht.

Die Abmahnung war auch dann rechtsmissbräuchlich. Nach § 8 Abs. 4 S. 1 UWG ist die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs unzulässig, wenn sie unter der Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist. Das ist der Fall, wenn mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv des rechtlichen Vorgehens erscheinen. Ein Fehlen oder vollständiges Zurücktreten legitimer wettbewerbsrechtlicher Ziele ist indessen nicht erforderlich. Ausreichend ist, dass die sachfremden Ziele überwiegen. Das ist der Fall, wenn eine Abmahnung vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Das war hier der Fall: Falls Herr Hornbacher überhaupt ernsthaft um echte Käufer seiner Messer warb, waren seine Verkaufszahlen und Umsätze jedenfalls verschwindend gering. Bei höchstens elf Verkäufen von Waren im zweistelligen Preisbereich binnen dreier Monate, also einem monatlichen Umsatz im unteren dreistelligen Bereich, wäre von einem wirtschaftlich denkenden Marktteilnehmer zu erwarten, dass er sich erst einmal um bessere Verkäufe bemüht und bis dahin alle unnötigen Kostenrisiken nach Kräften vermeidet. Dies gilt umso mehr, wenn der Unternehmer so wenig Geld hat, dass über einen längeren Zeitraum Vollstreckungsversuche immer wieder mit der Feststellung, dass eine Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen ist, enden, wie es bei Herrn Hornbacher durch die Auskünfte (Anlage K 11) der Fall war. Dabei ist unerheblich, woher dessen Verbindlichkeiten stammen. Das pauschale Vorbringen des Beklagten, Herr Hornbacher habe - zu einem nicht dargelegten Zeitpunkt - Tilgungen geleistet und Stundungsvereinbarungen getroffen, stehen jedenfalls für den Zeitraum der fraglichen Abmahnungen im offenen Widerspruch zu der vernichtenden Bonitätsauskunft und ist daher unerheblich. Auf der anderen Seite handelte es sich bei den Wettbewerbsverstößen nicht etwa um Fälle einer den Herrn Hornbacher unmittelbar treffenden Leistungsübernahme, sondern nur um unzureichende Garantieangaben. Es ist nicht zu erkennen, dass es sich auf den Umsatz des Herrn Hornbacher positiv hätte auswirken können, wenn die Klägerin der beanstandeten Garantieangabe die fehlenden Informationen hinzugefügt hätte, denn das würde voraussetzen, dass Kaufinteressenten, die auf der Handelsplattform Amazon suchen, parallel den nur unter seiner eigenen Domain abrufbaren Herrn Hornbacher finden und aufsuchen, dann die jeweiligen Garantieangaben vergleichen und sich dann zu Lasten des Herrn Hornbacher für die Klägerin entscheiden, weil diese weniger Informationen zur Garantie bereit hielt. Es konnte bei Herrn Hornbacher daher allenfalls ein allgemeines Interesse als wettbewerbsrechtlicher Marktwächter bestehen. Das ist zwar grundsätzlich legitim. Bei der kaum wahrnehmbaren Marktpräsenz und den Bagatellumsätzen des in finanziellen Nöten steckenden Herrn Hornbacher stand das finanzielle Risiko einer Abmahnwelle aber weit außerhalb jedes vertretbaren Rahmens eines wirtschaftlichen denkenden Unternehmers. Geht man mit dem Beklagten von einem echten Mandatsverhältnis aus, so dass der Beklagte gegen Herrn Hornbacher für jeden Auftrag einen Anspruch auf Anwaltsvergütung erwarb und abrechnete, lag das Risiko, sich wegen dieser Kosten bei dem jeweils Abgemahnten irgendwann schadlos halten zu können, alleine bei Herrn Hornbacher. Gegen die Annahme, es sei Herrn Hornbacher bei seiner Abmahnung tatsächlich um die Pflege des lauteren Wettbewerbs gegangen, spricht auch, dass er sein Vorgehen gegen die Klägerin im Sande verlaufen ließ, nachdem diese sich gegen die Abmahnung zur Wehr gesetzt hatte, anstatt seinen als sicher angesehenen Unterlassungsanspruch gerichtlich durchzusetzen, um damit auch eine bessere Grundlage für eine Erstattung seiner Anwaltskosten zu erreichen. Diese Umstände sprechen dafür, dass es bei den Abmahnungen primär darum ging, zu Lasten der Abgemahnten Anwaltsgebühren zu erzeugen und zu kassieren. Der Beklagte hat diesen Umständen nichts Erhebliches entgegen gesetzt. Die Abmahnung war daher jedenfalls nach § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich.

Darin lag zugleich eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung im Sinne des § 826 BGB. Sittenwidrig handelt, wer in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich einen Schaden zufügt. Eine Sittenwidrigkeit ist dann gegeben, wenn sie nach ihrem Gesamtcharakter, der durch Inhalt, Beweggründe und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall einer Massenabmahnung, zu deren Gegnern auch die Klägerin zahlte, mit dem primären sachfremden Ziel einer Kostenerstattung, erfüllt.

Der Beklagte haftet unmittelbar wegen eigenen deliktischen Verhaltens auf Schadensersatz. Er befand sich nicht in der Rolle eines ahnungslosen, gutgläubigen Rechtsanwalts, der von einem unlauteren Mandanten ausgenutzt wird. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beklagte selbst aktiv an der Abmahnwelle mitgewirkt hat, um gemeinsam mit Herrn Hornbacher als dafür benötigtem Mitbewerber Einnahmen zu generieren. Mittäterschaft setzt ein, bewusstes und gewolltes Zusammenwirken Mehrerer hinsichtlich eines Verletzungserfolges voraus. Die Tatbeiträge der anderen Mittäter werden jedem Beteiligten zugerechnet. Der Beklagte hatte als Rechtsanwalt des Herrn Hornbacher die juristische Prüfung, Beratung und Betätigung übernommen und dabei bewusst und gewollt mit Herrn Hornbacher zusammengewirkt. Nimmt man mit der Klägerin darüber hinausgehend sogar an, dass der Beklagte die treibende Kraft der Abmahnungen ist und sich dazu nur des Herrn Hornbacher als Strohmann bedient hat, wäre der Beklagte erst recht Täter; auf diese Tatsachenfeststellung kommt es für die Entscheidung aber nicht an, so dass sie offen gelassen werden kann. Dazu gilt im Einzelnen das Folgende: Der Beklagte ist bereits in den vergangenen Jahren wiederholt damit in Erscheinung getreten, im Namen zweifelhafter Mitbewerber Abmahnwellen durchzuführen. Soweit die initiative dazu nicht von ihm selbst ausging, war er jedenfalls erfahren und gewarnt, sich nicht ungewollt erneut auf ein solches Geschäftsmodell einzulassen. Dies gilt insbesondere für Herrn Hornbacher, über dessen schlechte finanzielle Situation der Beklagte spätestens durch die ersten Hinweise der Prozessbevollmächtigten der Klägerin informiert war. Es war die Aufgabe des Beklagten als Rechtsanwalt zu überprüfen, ob bei Herrn Hornbacher die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Wettbewerbsverhältnis erfüllt waren und ob dessen Wunsch nach einer Abmahnwelle mit den Anforderungen des § 8 Abs. 4 S. 1 UWG vereinbar sind, um seinen Mandanten sorgfältig zu beraten und aufzuklären, bevor weitere Kosten ausgelöst werden. Dem Beklagten hätte sich dabei die Rechtsmissbräuchlichkeit - auch aufgrund seiner eigenen einschlägigen Erfahrungen mit vergleichbaren Serienabmahnungen - aufdrängen müssen. Der Beklagte kann in dieser Situation nicht damit gehört werden, er habe sich ohne Weiteres auf eine Erklärung verlassen dürfen, die Herr Hornbacher ihm zur Vorlage als eidesstattliche Versicherung für den Fall eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung überlassen habe. Mit einer solchen Erklärung des Mandanten kann sich ein Rechtsanwalt nicht seiner eigenen Prüf- und Warnpflichten entziehen. Tatsächlich sprechen mehrere Umstände dafür, dass der Beklagte sogar ganz bewusst mit Herrn Hornbacher zusammengewirkt hat, um gemeinsam mittels der Abmahnserie Zahlungen der Abgemahnten zu erlangen. Der Beklagte bildet mit Herrn George Rauscher und einer dritten Person den Aufsichtsrat der Digitalaktiva AG, deren Vorstand die Ehefrau des Beklagten ist. Der Beklagte trat im Jahr 2010 mit einer - gerichtlich als rechtsmissbräuchlich festgestellten - Abmahnwelle im Namen des George Rauscher in Erscheinung. Dieser war technischer Ansprechpartner für die Webseite der Point Products GmbH, in deren Namen der Beklagte im Jahr 2013 abmahnte. Er war bis mindestens Anfang September 2015 Inhaber der Domain, die Herr Hornbacher dann für seine neue Onlinepräsenz übernahm. Die Ehefrau des Beklagten trat als registrierte technische Ansprechpartnerin für die Webseite des Mandanten Konatowski, in dessen Namen der Beklagte abmahnte, auf und es ist unstreitig geblieben, dass der Beklagte und seine Ehefrau an der Errichtung des Onlineshops dieses Mandanten beteiligt waren. Dass zwischen Herrn Hornbacher, Herrn Rauscher und dem Beklagten ebenfalls eine über das bloße Mandatsverhältnis hinausgehende Verbindung im Zusammenhang mit den Umständen einer Mitbewerberstellung bestehen, ist aus der gemeinsamen Verwendung eines Telefonnummernstamms mit einer Abweichung nur bei der letzten Ziffer herzuleiten. Die Klägerin hat substantiiert und nachvollziehbar dargetan, dass die äußeren Anzeichen für eine Beteiligung des Beklagten an der Einrichtung des Onlinehandels des Herrn Hornbacher sprechen. Darauf hat der Beklagte nichts Greifbares oder Erhebliches erwidert, obwohl die Umstände teilweise seinen eigenen Bereich betreffen. Der Beklagte hat auch nicht vorgetragen, von bestimmten Umständen seines Mandanten Hornbacher nichts zu wissen und sich vergeblich bei diesem um Auskünfte bemüht zu haben. Vielmehr hat der Beklagte wesentliche Teile des klägerischen Vortrags mangels eines Eingehens oder eines erheblichen Bestreitens unstreitig gestellt.

Der Beklagte handelte aus den bereits genannten Gründen vorsätzlich. Er hatte eine langjährige eigene Erfahrung mit den Besonderheiten von Abmahnwellen, wusste um die schlechte finanzielle Lage des Herrn Hornbacher und dass Zwangsvollstreckungen bei diesem keine Aussicht auf Erfolg bieten und kannte Umfang und Qualität des Onlineangebots des Herrn Hornbacher. In dieser Situation als Rechtsanwalt daran mitzuwirken, auf erkennbar rechtsmissbräuchliche Weise abzumahnen und Zahlungen der Abgemahnte zu veranlassen, spricht gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Dass der Beklagte seine Gegner im Falle des eigenen Misserfolgs an den mittellosen Mitbewerber verweist und damit leer ausgehen lassen will, zeigt sich auch an seiner Verteidigung. Er kann aber nicht damit gehört werden, dass die Klägerin sich zuerst an Herrn Hornbacher halten müsse. Der Beklagte haftet selbst unmittelbar als Mittäter und der Klägerin kann es nicht verwehrt werden, sich zuerst an den vermeintlich solventeren Schuldner zu halten, anstatt Geld für eine als aussichtslos zu prognostizierende Zwangsvollstreckung gegen Herrn Hornbacher zu riskieren. Es bleibt dem Beklagten unbenommen zu prüfen, ob er sich selbst an Herrn Hornbacher schadlos halten kann und etwaige Ansprüche bei diesem zu realisieren.

Die Klägerin hat durch die rechtsmissbräuchliche Abmahnung des Beklagten einen Vermögensschaden erlitten. Die Klägerin hat sich berechtigterweise anwaltlicher Hilfe zur Abwehr der Abmahnung bedient, was vorgerichtliche Kosten in Höhe von 550,00 €, ein Betrag unter den Sätzen der RVG, verursacht hat. Nachdem eine dezidierte und substantielle Antwort auf die Abmahnung nur die Reaktion des unbedingten Festhaltens an den vermeintlichen Ansprüchen erkennbar werden ließ, durfte die Klägerin eine negative Feststellungsklage gegen Herrn Hornbacher erheben. Der dadurch entstandene Schaden entspricht den dort festgesetzten Kosten, die der Klägerin vorgerichtlich nicht erstattet wurden. Ein Schaden im Sinne des § 826 BGB liegt bereits in der Belastung der Klägerin mit diesen Forderungen. Diesen Schaden hat der Beklagte der Klägerin zu ersetzen. Der Betrag aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ist wie dort tituliert zu verzinsen. Im Übrigen ist der Beklagte zur Zahlung von Rechtshängigkeitszinsen verpflichtet, §§ 291, 288 Abs. 2 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1., 281 Abs. 3 ZPO, ohne dass es hier auf die Feststellung ankommt, ob bei dem Amtsgericht Schöneberg tatsächlich Mehrkosten entstanden sind.


Das Urteil ist rechtskräftig (Stand: 28.08.2019).


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