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Adblock Plus gewinnt gegen Axel Springer

LG Köln, Urteil vom 29.09.2015, Az. 33 O 132/14


Adblock Plus gewinnt gegen Axel Springer

Sind Werbeblocker ein wettbewerbswidriger Eingriff in das Angebot eines Webseiten-Betreibers oder handelt es sich um ein legitimes Mittel zur Wahrnehmung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Nutzer? Dürfen Anbieter solcher Software von Webseiten-Betreibern Geld verlangen, damit sie deren Werbung von der Blockierung befreien? Diese Fragen hatte das Landgericht Köln zu beantworten. Wie bereits die Landgerichte Hamburg und München I schlägt es sich auf die Seite der Werbeblocker.

Sachverhalt
Die Vertreiberin des meistverbreiteten Werbeblockers Adblock Plus, Eyeo GmbH, gehörte zu den Ersten, die die Werbeblockierung zu einem profitablen Geschäftsmodell entwickelten. Das Kölner Unternehmen generiert seine Einnahmen vornehmlich, indem es Webseiten-Betreibern kostenpflichtig anbietet, deren Werbeinhalte von der Blockierung auszunehmen. Voraussetzung für eine Aufnahme in die sogenannte Whitelist ist unter anderem, dass die Werbung einen von Eyeo definierten Kriterienkatalog für "akzeptable Werbung" erfüllt. Als Entgelt verlangt das Unternehmen von großen Webseiten-Betreibern eine Beteiligung von 30 Prozent am durch die Deblockierung erzeugten Mehrerlös.

Eyeo preist das Whitelisting als Maßnahme zur Verbesserung der Werbung an. Die durch den Strukturwandel ohnehin gebeutelten Medienhäuser sehen darin hingegen ein parasitäres Geschäftsmodell mit nötigungsähnlichem Charakter.

Axel Springer SE, Betreiberin zahlreicher Onlinepublikationen wie bild.de und welt.de, war entsprechend nicht bereit, mit Eyeo einen Whitelisting-Vertrag abzuschließen. Vielmehr rief sie das Landgericht Köln an. Sie beantragte, Eyeo und seinen Geschäftsführern Vertrieb und Erstellung von Werbeblockern, hilfsweise von Werbeblockern mit Whitelist-Funktion, zu untersagen, sofern diese Werbung auf den klägerischen Webseiten unterdrücken. Daneben verlangte sie detaillierte Auskunft und Ersatz der entgangenen Werbeeinnahmen.

Mit Urteil vom 29. September 2015 wies die 33. Zivilkammer des Landgerichts Köln die Klage zurück (Az. 33 O 132/14).

Urteilsbegründung
Die Richter sind der Auffassung, das Anbieten eines Werbeblockers stelle keine gezielte Behinderung eines Mitbewerbers im Sinne des § 4 Nr. 10 UWG (in der Fassung vom 4. August 2009) dar. Auch eine allgemeine Marktstörung gemäß § 3 Abs. 1 UWG (in der Fassung vom 30. Dezember 2008) schließen sie aus. Sie verzichten weitestgehend auf eigene Erwägungen. Stattdessen verweisen sie pauschal auf die lauterkeitsrechtlichen Ausführungen des – mit fast 80 Seiten – sehr detaillierten Urteils des Landgerichts München I vom 27. Mai 2015 (Az. 37 O 11673/14).

Dieses hatte sich auf Antrag von ProSiebenSat.1 Digital mit Adblock Plus zu befassen. Es hielt schon die für § 4 Nr. 10 UWG a. F. erforderliche Mitbewerbereigenschaft für nicht gegeben. Die Klägerin sei potenzielle Nachfragerin des beklagten Unternehmens, nicht Konkurrentin. Das Landgericht Köln sieht dies – ohne Begründung – anders. Im Übrigen enthalten sich die Kölner Richter jeden weiteren Kommentars zum Münchner Entscheid.

Dieser erkennt im Verhalten der Beklagten keine gezielte Behinderung der Klägerin. Das Angebot der Beklagten beeinträchtige nicht unmittelbar deren Markstellung. Vielmehr trete die selbständige Entscheidung des Nutzers dazwischen, Werbung auszublenden. Diese sei Teil der negativen Informationsfreiheit.

Außerdem böten sich der Klägerin Handlungsalternativen, etwa indem sie Adblock-Plus-Nutzern ihre Inhalte in verminderter Qualität anbiete oder Bezahlschranken einrichte. Die Existenz dieser Handlungsalternativen ist auch der Grund, weshalb die Münchner Richter eine allgemeine Marktstörung im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG a. F. verneinen.

Betreffend den Hilfsantrag, Adblock Plus nur bei Vorhandensein der Whitelist-Funktion zu verbieten, bezieht sich das Landgericht Köln neben dem Münchner Entscheid auf das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 21. April 2015 (Az. 416 HKO 159/14). Dieses identifiziert zwar – anders als das Landgericht München – ein mittelbares Wettbewerbsverhältnis zwischen den Streitparteien: Die Whitelist-Funktion sei geeignet den Absatz von Eyeo zum Nachteil der Klägerinnen (Zeit Online und Handelsblatt) zu fördern. Eine gezielte Behinderung der Mitbewerberinnen durch Eyeo vermögen die Hamburger Richter aber ebenso wenig festzustellen wie ihre Kollegen aus München. Entscheidend ist wiederum, dass die Beeinträchtigung nicht von Eyeo, sondern von den Adblock-Plus-Nutzern ausgeht und dass den Klägerinnen Handlungsalternativen zur Verfügung stehen.

Die Münchner Richter lassen durchblicken, dass im Falle einer marktbeherrschenden Stellung von Adblock Plus, die sie aktuell negieren, eine andere Beurteilung möglich ist. Dabei haben sie als sachlich relevanten Markt nicht den Markt der Werbeblocker im Auge, sondern den aller deutschen Internetnutzer.

Fazit
Leider drängt sich der Eindruck auf, die Kölner Landrichter hätten angesichts der gut begründeten Entscheide aus München und Hamburg auf die Bildung einer fundierten eigenen Meinung verzichtet. Dies umso mehr, als sie in einem Hinweisbeschluss noch Bedenken zum Whitelisting geäußert hatten, ihren Meinungsumschwung jedoch nicht begründen.

Nach den Landgerichten Hamburg und München I (s. a. Urteil vom 27.05.2015, Az. 37 O 11843/14) ist das Landgericht Köln das dritte Gericht, das das Geschäftsmodell von Eyeo als zulässig beurteilt.

Anders sieht dies das Landgericht Frankfurt a.M. In einer einstweiligen Verfügung (Beschluss vom 26.11.2015, Az. 3-06 O 105/15) verbietet es den Werbeblocker AdBlock – auch er enthält eine Whitelist-Funktion – sofern er Werbeinhalte der Seite welt.de unterdrückt. Es beruft sich darauf, dass das Ausschalten fremder Werbung regelmäßig unlauter sei. Dabei differenziert es nicht, ob die unlautere Handlung unmittelbar durch die Software-Anbieterin erfolgt oder ob der freie Wille des Nutzers dazwischentritt.

Es bleibt daher spannend, die Urteile höherer Instanzen abzuwarten.

LG Köln, Urteil vom 29.09.2015, Az. 33 O 132/14


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