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Meinungsfreiheit geht vor Schutz eines namentlich genannten Straftäters

Sedlmayr-Mörder muss Berichterstattung mit Namensnennung dulden


Meinungsfreiheit geht vor Schutz eines namentlich genannten Straftäters

1993 wurden zwei Brüder zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt wegen des Mordes an dem damaligen Schauspieler Walter Sedlmayr. Mittlerweile sind die Täter wieder frei. Der Fall war in der Öffentlichkeit und in den Medien ein großes Thema. Gegen die Bereitstellung eines älteren Berichts zu dem Fall mit vollständiger Namensnennung der Täter seitens des Kölner Stadtanzeigers im Internet wehrte sich der Kläger unter Verweis auf die angebliche Verletzung seines Persönlichkeitsrechts – ohne Erfolg.

Nach mehreren Anträgen des Klägers auf Wiederaufnahme des Verfahrens stellte die Beklagte im Jahre 2005 auf ihrer Website ksta.de die Meldung „Sedlmayr-Mord: Gericht prüft Wiederaufnahme des Verfahrens“ – mit der Nennung der Täter-Namen – online und verwahrte sie in ihrem Online-Archiv für die Leser bis Juli 2008 zum Abruf. Bereits im Januar 2008 kam der Kläger auf freien Fuß. Hiergegen wehrte sich der Kläger mit einer zivilrechtlichen Unterlassungsklage, da er in dem Bereithalten der Meldung eine rechtswidrige Verletzung seines (allgemeinen) Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sah.
Das OLG Hamburg (Berufungsgericht) gab wie die Vorinstanz dem Kläger Recht. Seiner Ansicht nach sei die Berichterstattung mit der beabsichtigten Resozialisierung des Täters (Wiedereingliederung in die Gemeinschaft) nicht vereinbar. Der Kläger habe ein schutzwürdiges Interesse daran, nicht mehr mit der Tat konfrontiert zu werden. Der Beklagten werde hingegen lediglich die Namensnennung untersagt, nicht der Bericht über die Tat, weshalb diesbezüglich nur ein geringer Eingriff in die Pressefreiheit gegeben sei.

BGH: Informationsinteresse überwiegt Persönlichkeitsrecht des Täters
Die Beklagte legte gegen das Urteil des OLG Hamburg Revision beim BGH ein und hatte Erfolg. Zwar sei, so der BGH, die Feststellung des OLG richtig, dass mit der Abrufmöglichkeit der Meldung ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers vorliegt. Sein Fehlverhalten werde öffentlich bekannt gemacht (bzw. gehalten) und der Täter werde „von vornherein negativ qualifiziert“. Das gelte auch bei passiven, also zum Abruf bereitgestellten Berichten im Internet, die allen Interessierten über das Archiv zugänglich seien.

Allerdings sei der Eingriff nicht rechtswidrig, wie vom OLG angenommen. In der Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Täters und dem Informationsinteresse der Allgemeinheit sei zu berücksichtigen, dass es sich um wahre Tatsachenbehauptungen in der Meldung handelte und die zu befürchtenden Nachteile des Klägers nicht außer Verhältnis zum Interesse an der Information über diese wahren Tatsachen stünden. Denn gerade bei schweren Gewaltverbrechen sei ein besonderes Interesse an der Tat und der Person des Täters gegeben. Demgegenüber müsse der Schwerverbrecher die Befriedigung des von ihm durch die Tat geschaffenen Informationsinteresses der Allgemeinheit dulden. Das Persönlichkeitsrecht könne nicht so weit reichen, dass der Täter gar nicht mehr mit der Tat öffentlich konfrontiert werden darf. Zwar müsse beachtet werden, dass gerade bei einer länger zurückliegenden Tat der Täter ein Interesse daran hat, nicht mehr mit der Tat konfrontiert zu werden. Zu berücksichtigen sei aber auch, dass zum einen sachbezogen, nicht stigmatisierend berichtet worden sei, und dass zum anderen die Meldung im Internet-Archiv wegen des eher geringen Verbreitungsgrades nur eine „geringe Breitenwirkung“ entfaltet habe – nicht zu vergleichen etwa mit einer abendlichen Fernsehsendung. Zudem sei die Prüfung etwaiger Meldungen auf ihre Rechtmäßigkeit für die Beklagte nicht zumutbar; eine Kontrollpflicht würde auch die Presse- und Meinungsfreiheit zu sehr einschränken.

BGH, Urteil vom 01.02.2011, Az. VI ZR 345/09


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