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Haftung des Betreibers eines Internet-Bewertungsportals für negative Bewertungen

KG Berlin, Beschluss vom 15.07.2011, Az. 5 U 193/10


Haftung des Betreibers eines Internet-Bewertungsportals für negative Bewertungen

Der Betreiber eines Bewertungsportals ist in seiner Eigenschaft als Teledienstanbieter nicht verpflichtet, die Richtigkeit der eingestellten Bewertungen zu überprüfen. Eine Überprüfung im Vorfeld der Bewertungseinstellung ist auch angesichts der Anonymität des Internets und der damit verbundenen Gefahren nicht verhältnismäßig. Den Nutzern des Portals und Lesern der Beiträge ist es möglich, aufgrund von Einzelstimmen Ausreißer zu erkennen und deren Beiträge kritisch einzuordnen. Zudem haben die bewerteten Personen beziehungsweise Unternehmen die Möglichkeit, durch eine Beschwerde bei dem Betreiber eine Überprüfung des Sachverhaltes und eine vorläufige Abschaltung des angegriffenen Beitrages zu erreichen. Das Bewertungsportal ist nicht verpflichtet, dem Betroffenen vor dem Einstellen einer negativen Bewertung die Möglichkeit zu einer Stellungnahme zu geben.

Ein Tourismusunternehmen nahm ein Bewertungsportal auf dem Rechtsweg auf Unterlassung in Anspruch, um die Entfernung eines negativen Beitrages zu erreichen, in dem eine Nutzerin sich über das von dem Unternehmen vermittelte Hotel beschwerte. Juristisch gesehen tritt die Verbreitung einer Tatsachenbehauptung gemäß § 4 Nr. 8 UWG erst dann ein, wenn der Täter Dritten die Möglichkeit verschafft, vom Inhalt der Behauptung Kenntnis zu nehmen. Dies erfordert jedoch eine der Beklagten zuzuordnende, konkrete Handlung. Eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 UWG liegt nicht vor. Das Landgericht gesteht der Antragstellerin jedoch zu, dass die Betreiberin des Internetportals eine besondere Gefahrenlage hinsichtlich der Rechte der Klägerin geschaffen hat, indem sie ihren Nutzern die Möglichkeit gibt, anonyme Bewertungen über Unternehmen und Dienstleister zu erstellen. Dennoch ist die Antragsgegnerin unter dem Gesichtspunkt der wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht nicht als Täterin eines Wettbewerbsverstoßes einzustufen (§ 4 UWG). Derjenige, der innerhalb seines Verantwortungsbereiches eine Gefahrenquelle für Dritte schafft, ist verpflichtet, wettbewerbsrechtliche Verletzungen mit den ihm zur Verfügung stehenden und zumutbaren Mitteln zu verhindern. Die Prüfpflicht der Betreiberin des Bewertungsportals konkretisiert sich hinsichtlich rechtsverletzender Inhalte, die durch die Nutzer erstellt werden. Die Bewertung der fremden Inhalte ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Interessen der Beteiligten vorzunehmen. Die Anforderungen an die Prüfpflichten werden jedoch nicht zu hoch angelegt, da es sich nicht um ein rechtswidriges Geschäftsmodell handelt.

Entsprechend den Grundsätzen der Störerhaftung wird der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angewendet. Die Prüfpflichten dürfen die Ausübung des Geschäftsmodells nicht erschweren. Gemäß § 7 TMG ist ein Teledienstanbieter nicht verpflichtet, die von ihm gespeicherten und übermittelten Daten zu überprüfen, zu überwachen und nach Hinweisen auf eine rechtsverletzende Tätigkeit zu suchen. Diese Verpflichtung tritt erst ab Kenntnisnahme ein. Das Landgericht hat überzeugend dargelegt, aus welchen Gründen dem Unterlassungsbegehren der Antragstellerin nicht nachzukommen ist. Ein Bewertungsportal beinhaltet aufgrund der vielfältigen Beteiligung unterschiedlicher Nutzer von sich aus ein Korrektiv, das heißt, einzelne eklatant abweichende Beiträge werden von durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksamen Lesern als „Ausreißer“ erkannt und bei der eigenen Meinungsbildung außen vorgelassen. Die Betreiberin des Internetportals wehrt eine Gefahrenlage ab, indem sie den durch die Bewertung betroffenen Unternehmen die Möglichkeit einer Beschwerde gibt. Die beanstandete Bewertung wird solange offline gestellt, bis der Sachverhalt geklärt ist. Die Nutzungsbedingungen verpflichten die Nutzer außerdem, keine vorsätzlich falschen Inhalte einzustellen.

Ein Bewertungsportal ist kein rechtsfreier Raum. Das betroffene Tourismusunternehmen hat von seinem Recht auf Beschwerde Gebrauch gemacht, woraufhin die Betreiberin den angegriffenen Beitrag offline gestellt hat. Bewertungsportale stehen unter einen starken Rechtsschutz, da sie sich im Schutzbereich der durch das Grundgesetz garantierten Meinungs- und Kommunikationsfreiheit gemäß Art. 5 bewegen. Solange die Betreiberin des Internetportals die ihr obliegende und zumutbare Sorgfaltspflicht nicht verletzt und den Betroffenen die Gelegenheit zur Einlegung einer Beschwerde gibt, steht der Antragstellerin kein Anspruch auf Unterlassung der beanstandeten Bewertung und deren Verbreitung zu (§§ 823, 1004 BGB). Der Unterlassungsantrag ist zu weit gefasst und war daher abzuweisen.

Fazit
Bewertungsportale werden generell als rechtlich zulässig gewertet und die Betroffenen können nicht verhindern, dass sie bewertet werden. Sobald die Beiträge jedoch rechtsverletzend sind, das allgemeine Persönlichkeitsrecht tangieren oder nachweisbar unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden, haben die Betroffenen die Möglichkeit der Beschwerde, der die Betreiber nachgehen müssen. Bis zur Klärung des Einzelfalls werden die angegriffenen Beiträge offline gestellt. Weigert sich der Betreiber, steht dem Betroffenen ein Unterlassungsspruch zu, der jedoch nicht zu weit gefasst sein darf. Er bezieht sich nur auf diesen einen Beitrag und ausschließlich auf die Zeit, bis der Sachverhalt geklärt ist. Ein genereller Unterlassungsanspruch, der eine Bewertung komplett verbietet, besteht nicht.

KG Berlin, Beschluss vom 15.07.2011, Az. 5 U 193/10


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