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Zur unlauteren Ausnutzung eines Testsiegels

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.12.2021, Az. I ZR 201/20


Zur unlauteren Ausnutzung eines Testsiegels

Der Bundesgerichtshof entschied am 16.12.2021, dass die Verwendung eines bekannten Testlogos zur Bewerbung eigener Produkte eine unlautere Ausnutzung der Marken-Wertschätzung darstellen könne. Dies sei der Fall, wenn für die getestete Produktgruppe bereits ein neuerer Test mit veränderten Testkriterien existiere.

Wie berechnet sich der Schaden bei unentgeltlicher Lizenz?
Klägerin war die Zeitschrift „Ökotest“, welche auch Inhaberin von Unionsmarke und Testsiegel „Ökotest“ ist. Sie gestattet den Herstellern von getesteten Produkten die Werbung mit dem "ÖKO-TEST"-Zeichen, wenn ein entsprechender unentgeltlicher Lizenzvertrag abgeschlossen wurde. Beklagte war die Herstellerin einer Fluorid-Kamillen-Zahncreme", die im Jahr 2005 mit „sehr gut“ bewertet wurde. Die Zahncreme wurde mit der Bezeichnung "AJ.“ Vertrieben. Die Beklagte hatte mit der Klägerin einen entsprechenden Lizenzvertrag zur Nutzung des "ÖKO-TEST"-Zeichen abgeschlossen. 2008 veröffentlichte die Klägerin einen erneuten Zahncreme-Test. Die Zahncreme der Beklagten wurde dabei nicht getestet. 2014 erfuhr die Klägerin, dass die Beklagte eine "A. Fluorid-Kamillen-Zahncreme" ohne die Bezeichnung "AJ." unter dem ÖKO-TEST-Zeichen aus dem Jahr 2005 vertrieb. Die Klägerin sah darin eine Verletzung ihrer Markenrechte. Sie war der Meinung, die Beklagte sei dazu nicht berechtigt, weil das getestete Produkt nicht identisch mit dem Test aus dem Jahr 2008 sei. Die Klägerin verlangte insbesondere Unterlassung und Feststellung einer Schadensersatzpflicht. Die Vorinstanz verurteilte die Beklagte zur Unterlassung. Einen Schadenersatzanspruch lehnte sie aber ab, da es wegen der kostenlosen Lizenzierung an einer Vermögenseinbuße fehle.

Änderung der Rechtslage ist irrelevant
Der Bundesgerichtshof bestätigte die Unterlassung. Ein Anspruch bestehe, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten sowohl zum Zeitpunkt seiner Vornahme rechtswidrig war als auch zum Zeitpunkt der Revisionsentscheidung. Zwar habe sich die geltenden Vorschriften in der Zwischenzeit geändert (Art. 102 Abs. 1 Satz 1 und Art. 9 Abs. 1 Satz 2 Buchst. c GMV im Jahr 2012; Art. 130 Abs. 1 Satz 1 und Art. 9 Abs. 2 Buchst. c UMV im Jahr 2017). Eine für die Beurteilung des Unterlassungsanspruchs erhebliche Änderung der Rechtslage sei dadurch aber nicht eingetreten.

Bekannte Marke
Die Klagemarke sei in der Europäischen Union bekannt, so das Gericht. Die Klägerin gestatte den Herstellern der getesteten Produkte seit dem Jahr 2004, das "ÖKO-TEST"-Label auf getesteten Waren anzubringen. Seitdem trete das Label angesichts der großen Anzahl durchgeführter Tests den Verbrauchern auf einer Vielzahl von Produkten entgegen. Da Warentests bei der Kaufentscheidung der Verbraucher eine bedeutende Rolle spielen, brächten diese dem Testlabel eine entsprechende Aufmerksamkeit entgegen.

Verletzung der Marke
Der BGH befand auch, es liege eine Markenverletzung vor. Die Beklagte habe dem Verkehr mithilfe des angebrachten "ÖKO-TEST"-Zeichens eine Information über die Qualität ihrer Produkte vermittelt und sich hierzu auf die Marke der Klägerin und deren Warentests bezogen. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung wiege die Bekanntheit der Klagemarke und die hohe Zeichenähnlichkeit so schwer, dass die Unähnlichkeit der betroffenen Waren und Dienstleistungen der Annahme einer gedanklichen Verknüpfung nicht entgegenstehe.

Unlautere Ausnutzung
Mit der Markenverletzung habe die Beklagte die Wertschätzung des "ÖKO-TEST"-Zeichens in unlauterer Weise ausgenutzt, so der BGH weiter. Es könne offenbleiben, unter welchen Voraussetzungen die Werbung mit einem älteren Testergebnis wettbewerbsrechtlich unlauter sei. Der Vertrieb einer Zahncreme, die auf ein im Jahr 2005 erzieltes Testergebnis abstelle, sei unlauter. Die Klägerin habe auf Zahncremes im Jahr 2008 andere Testparameter und Bewertungsmaßstäbe als im Jahr 2005 angewendet. Mangels Prüfung der Zahncreme anhand der neuen Testkriterien habe sie für die fortdauernde Aussagekraft des früheren Testergebnisses keine Gewähr übernommen. Die Klägerin habe allerdings ein Interesse daran, Werbung mit ihrer Marke daraufhin zu kontrollieren, ob diese auch ihren neuen testbezogenen Maßstäben genügten. Daher müsse ihr auch die Entscheidung darüber zustehen, ob bei einem neuen Test mit veränderten Testkriterien das einem früheren Test unterzogene Produkt weiterhin die Marke verwenden dürfe.

Ende der Nutzungslizenz
Der BGH verneinte das Vorliegen eines rechtfertigenden Grundes. Ein solcher sei nur gegeben, wenn die Verwendung des Testsiegels durch entsprechende Vereinbarung erlaubt sei. Davon könne aber nicht ausgegangen werden. Die entsprechende Klausel aus dem Lizenzvertrag sei dahingehend auszulegen, dass die Nutzungslizenz endet, wenn das lizensierte Produkt wegen abweichender Kriterien eines späteren Tests nicht mehr aktuell und daher überholt sei. Zwar lasse sich die Klausel auch anders deuten. Allerdings entspreche es der typischen Interessenlage, dass eine Lizenz bei einem neueren Test derselben Produktgruppe mit abweichenden Kriterien überholt und damit beendet sei. Das sei unabhängig davon, ob das früher getestete Produkt in den neueren Test einbezogen sei. Der Klägerin sei erkennbar daran gelegen, dem Verbraucher mithilfe des lizenzierten Testzeichens aktuelle und aussagekräftige Informationen über die Qualität der getesteten Produkte zur Verfügung zu stellen. Eine gleichbleibende Aussagekraft sei nicht mehr gewährleistet, wenn die Zahncreme einem weiteren Test mit anderen Testkriterien als beim früheren Test unterzogen werde. Der Lizenznehmer wiederum könne nicht erwarten, dass durch das Gütesiegel Aktualität und fortdauernde Qualität von früher getesteten Produkten gewährleistet werde.

Markenrecht als vermögenswertes Recht
Der Klägerin stehe zudem ein Schadenersatzanspruch zu, urteilte der BGH. Denn der Schaden folge bereits aus dem Eingriff in das Markenrecht. Dieses stehe als vermögenswertes Recht und der damit verbundenen Nutzungsmöglichkeit allein dem Markeninhaber zu. Der Schadensersatzbetrag könne anhand des dem Markeninhaber entstandenen konkreten Schadens einschließlich des ihm entgangenen Gewinns ermittelt werden. Dabei könne auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden.

Weder konkrete Schadensermittlung noch Lizenzanalogie
Der BGH befand, der Schaden der Klägerin lasse sich zwar nicht konkret ermitteln. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass ihr durch die Benutzung des Gütesiegels ein bestimmter Gewinn entgangen sei oder sie eine andere Vermögenseinbuße erlitten habe. Auch könne der Schaden nicht nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnet werden. Denn die Klägerin habe die Nutzung des Testzeichens ausnahmslos unentgeltlich gestattet. Funktion des Schadensersatzrechts sei es, einen erlittenen Vermögensnachteil auszugleichen. Dem würde es zuwiderlaufen, wenn der Klägerin eine Lizenzgebühr zugebilligt werde, die sie bei erlaubter Nutzung des Testzeichens niemals erzielt hätte.

Verletzergewinn als Schaden
Die Klägerin könne aber ihren Schaden anhand des von der Beklagten erzielten Gewinns berechnen, so das Gericht. Der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns sei zwar kein Anspruch auf Ersatz des konkret entstandenen Schadens. Es wäre aber unbillig, dem Verletzer einen Gewinn zu belassen, der auf der unbefugten Benutzung eines Ausschließlichkeitsrechts beruht. Danach sei es für die Schadensberechnung ohne Bedeutung, dass die Klägerin das Testzeichen nicht kommerziell verwertet habe. Der wirtschaftliche Wert einer Marke, sie im geschäftlichen Verkehr gewinnbringend zu nutzen, wohne ihr unabhängig davon inne, ob der Markeninhaber von dieser Möglichkeit Gebrauch mache. Außerdem sei auch in einem solchen Fall angezeigt, die Beklagte als Verletzer durch die Abschöpfung des erzielten Gewinns von einer weiteren Markenverletzung abzuhalten.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.12.2021, Az. I ZR 201/20


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