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Zur Meldung eines Verstoßes direkt beim Plattformbetreiber


Zur Meldung eines Verstoßes direkt beim Plattformbetreiber

Das Oberlandesgericht Hamm entschied am 08.10.2020, dass kein Wettbewerbsverstoß vorliege, wenn der tatsächliche Rechtsverstoß eines Konkurrenten ohne Abmahnung direkt beim Plattformbetreiber gemeldet werde.

Wird durch die Meldung beim Plattformbetreiber der Konkurrent angeschwärzt?
Die Parteien waren Online-Händler und Mitbewerber; sie vertrieben Lampen und Leuchten über Amazon. Die Klägerin erfuhr von zwei Angeboten der Beklagten, die nicht den Vorgaben einer EU-Verordnung zur Kennzeichnung von elektrischen Lampen und Leuchten (VO (EU) Nr. 874/2012) entsprach. Jedoch mahnte die Klägerin die Beklagte nicht ab. Vielmehr meldete sie den Verstoß direkt bei Amazon und reichte dort eine „Beschwerde“ ein. Amazon entfernte daraufhin beide Angebote und in der Folgezeit 29 weitere Angebote der Beklagten. Die Beklagte mahnte die Klägerin deshalb wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens ab. Die Beschwerde bei Amazon stelle eine aggressive geschäftliche Handlung, nämlich eine „Anschwärzung“ und damit eine gezielte Behinderung, dar. Sie forderte daher Auskunft und Schadenersatz. Die Klägerin wiederum mahnte ihrerseits die Beklagte ab. Denn die auf Amazon angebotenen Produkte der Beklagten genügten nicht den unionsrechtlichen Anforderungen an die Information über die Energieeffizienzklasse. Im weiteren Verlauf klagte die Klägerin auf Feststellung, dass die gegen sie geltend gemachten Ansprüche nicht bestehen. Die Vorinstanz gab ihrer Klage im vollen Umfang statt. Hiergegen legte die Beklagte Berufung ein.

Keine aggressive geschäftliche Handlung
Das Oberlandesgericht Hamm befand, dass die Beschwerde der Klägerin keine „aggressive geschäftliche Handlung“ darstelle. Denn eine solche setze eine Belästigung, Nötigung oder unzulässige Beeinflussung voraus. Dass die Klägerin mit ihrer Meldung Amazon belästigt oder genötigt habe, sei nicht ersichtlich. Auch eine unzulässige Beeinflussung sei nicht erkennbar. Eine solche läge nur vor, wenn die Klägerin eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck in einer Weise ausgenutzt habe, die die Entscheidungsfähigkeit wesentlich einschränkt hätte. Auch hierfür fehle es an jeglichen Anhaltspunkten.

Keine „Anschwärzung“
Auch eine „Anschwärzung“ sei in der Beschwerde nicht zu erkennen, so das Gericht. Dies setze voraus, dass falsche oder nicht erweislich wahre Tatsachen behauptet oder verbreitet werden. Dafür lägen aber keine Anhaltspunkte vor. Weder habe die Klägerin über die beiden von ihr gemeldeten Angebote weitere Angebote der Beklagten an Amazon gemeldet. Diesbezüglich habe die Beklagte nur Vermutungen geäußert. Es könne aber sein, dass die Beschwerde schlicht als Auslöser für eigene Überprüfungen durch Amazon gedient habe. Dass von der Klägerin falsche Tatsachen behauptet worden seien, sei auch nicht ersichtlich. Ohnehin wäre es unsinnig, gegenüber Amazon unrichtige Tatsachen über den Wortlaut von Produktangeboten auf der eigenen Plattform zu behaupten.

Keine Herabsetzung oder Verunglimpfung
Das OLG konnte auch keine Herabsetzung oder Verunglimpfung der Beklagten erkennen. Denn es sei zutreffend, dass die beiden Angebote der Klägerin nicht den Vorgaben der EU-Verordnung entsprachen.  Gegenstand der Angebote seien jeweils Leuchten mit fest eingebauten LED-Modulen gewesen. Die VO (EU) Nr. 874/2012 habe nach ihrem Anhang VIII Händler von Leuchten verpflichtet, Lampenmodelle mit elektronischem Etikett an Endnutzer zu verkaufen. Möglich wäre, die Etiketten gut sichtbar und leserlich in der Nähe des Produktpreises darzustellen. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Etikett-Anzeige per sog. „geschachtelten Anzeige“ gewesen. Allerdings habe keines der beiden Angebote ein den Vorgaben des Anhanges VIII entsprechendes Etikett oder eine Etikett-Anzeige per „geschachtelte Anzeige“ enthalten.

Keine gezielte Behinderung
Auch eine gezielte Behinderung könne ausgeschlossen werden, so das Gericht. Denn dafür sei nicht nur eine Behinderung, sondern zusätzlich besondere, die Unlauterkeit der Behinderung begründende Umstände erforderlich. Derartige besondere Umstände seien aber nicht ersichtlich. Zum einen haben die beiden Angebote nicht den geltenden gesetzlichen Anforderungen genügt. Zum anderen sei auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin ihre Beschwerde aus sachfremden – wettbewerbsfremden – Interessen abgesetzt habe. Dass die Klägerin zunächst den Weg der Beschwerde an Amazon gewählt habe, der schnell und effizient zu einer Entfernung der Angebote geführt habe, spreche vielmehr für einen lauteren, gesetzeskonformen Wettbewerb. Eine Abmahnung hätte nur Kosten verursacht.

Kein Missbrauch des sog. Infringement-Verfahrens
Das OLG Hamm konnte auch keinen Missbrauch des sog. „Infringement“-Verfahren von Amazon durch die Klägerin erkennen. Die Klägerin habe nicht dieses Verfahren genutzt, sondern sich vielmehr direkt an die Rechtsabteilung von Amazon gewandt. Hierfür spreche der Wortlaut der beiden E-Mails. Es werde ausdrücklich auf eine Zuwiderhandlung gegen Anhang VIII der VO (EU) Nr. 874/2012 abgestellt. Somit sei das Vorbringen der Beklagten zu einem angeblichen Missbrauch des „Infringement“-Verfahrens substanzlos und gehe über bloße Vermutungen nicht hinaus.

Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 08.10.2020, Az. 4 U 7/20


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