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Zur Auslegung eines Unterlassungsvertrages

Oberlandesgericht Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 16.06.2021, Az. 3 U 458/21


Zur Auslegung eines Unterlassungsvertrages

Das Oberlandesgericht Nürnberg stellte im Rahmen eines Hinweisbeschlusses am 16.06.2021 fest, dass auch kerngleiche Werbeaussagen von einem wirksamen Unterlassungsvertrag erfasst seien. Zudem könne ein Disclaimer die Anforderung an zulässig Werbung – nämlich, dass sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspricht (sog. „Strengeprinzip“) – nicht aushebeln.

Wurde gegen den Unterlassungsvertrag verstoßen?
Kläger war ein Wettbewerbsverein. Er mahnte den Beklagten wegen Werbeaussagen im Internet zu einer sog. Kältetherapie ab. Der Beklagte gab daraufhin eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab. Er verpflichtete sich darin, diverse Angaben zukünftig zu unterlassen. Auch nach der Abmahnung und nach Klageerhebung führte der Beklagte jedoch seine Internetwerbung unverändert fort und machte bestimmte Werbeaussagen zur Kältetherapie. Über einen eingeblendeten „Haftungsausschluss“ wies er jedoch darauf hin, dass bislang keine empirischen wissenschaftlich fundierten Studien bekannt seien, welche eine Wirksamkeit der Therapie bestätigt hätten. Aufgrund dessen machte der Kläger seine Rechte auf Unterlassung und Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe geltend. Die Vorinstanz verurteilte daraufhin den Beklagte es zu unterlassen, gewisse Werbeaussagen zu treffen. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung drohte ihm ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft. Dagegen legte er Berufung ein, da es im Gegensatz zur Unterlassungserklärung Änderungen in den Formulierungen und im Sinngehalt der Werbeaussagen gegeben habe.

Zur Auslegung des Unterlassungsvertrages
Das Oberlandesgericht Nürnberg legte zunächst die Reichweite der vom Beklagten abgegebenen Unterlassungsverpflichtung aus. Maßgebend sei dabei der wirkliche Wille der Vertragsparteien, bei dessen Ermittlung neben dem Erklärungswortlaut die bekannten Umstände wie insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck, die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Vertragsparteien sowie deren Interessenlage heranzuziehen seien. Bei gesundheitsbezogener Werbung seien zudem besonders strenge Anforderungen an Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage zu stellen. Denn mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben seien erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden. Diese strengen Anforderungen wirken sich auch bei der Auslegung des Unterwerfungsvertrags mit Werbebehauptungen für eine „Kältetherapie“ zur Behandlung und Linderung gesundheitlicher Beschwerden aus.

Unterlassungsvertrag bezieht sich auf jede einzelne angemahnte Werbeaussage
Zwar seien die in der Unterlassungserklärung genannten Aussagen nicht mit der Angabe „und/oder“ verknüpft, so das Gericht. Allerdings sei dem Abmahnschreiben und der vorformulierten Unterlassungserklärung zu entnehmen, dass der Kläger jede einzelne der darin aufgeführten Aussagen als wettbewerbswidrig ansieht. Der Beklagte habe die Aussagen für seine Unterlassungserklärung übernommen. Auch aus der nachfolgenden Korrespondenz ergebe sich nicht, dass sich der Beklagte nur zur Unterlassung aller Aussagen insgesamt verpflichten will. Vielmehr sei die von ihm abgegebene Unterlassungserklärung dahin zu interpretieren, dass sich die Unterlassung auf jede einzelne Werbeaussage bezieht.

Auch gleichartige Verletzungen werden erfasst
Das OLG entschied, der Unterlassungsvertrag sei dahin auszulegen, dass er auch im Kern gleichartige Verletzungsformen erfasst. Dass sich der Unterlassungsvertrag seinem Wortlaut nach nur auf konkrete Werbeaussagen beziehe, heiße nicht, dass sich die Unterlassungspflicht auf diese beschränkt. Denn ein Unterlassungsvertrag habe den Zweck, die Vermutung der Wiederholungsgefahr durch eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungsverpflichtung auszuräumen und damit ein gerichtliches Verfahren entbehrlich zu machen. Die Vermutung der Wiederholungsgefahr gelte nicht allein für die genau identische Verletzungsform. Vielmehr umfasse sie auch alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen. Eine einschränkende Auslegung ergebe sich auch nicht durch die vorliegende Abmahnkorrespondenz.

Werbeaussagen sind kerngleich
Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Maßstabs kam das OLG Nürnberg zu keiner anderen Entscheidung als die Vorinstanz. Die nach Abgabe der Unterlassungserklärung im Internet erfolgten Werbeaussagen seien kerngleich mit den in der Unterlassungserklärung enthaltenen Aussagen. Zwar seien die Aussagen dahingehend abgeändert worden, dass bestimmte heilende Wirkungen eintreten „können“ oder „sollen“. Dabei handele es sich aber lediglich um eine geringe Relativierung der Werbebehauptungen. Der Kerngehalt werde gegenüber der zu unterlassenen Aussage nicht abgeändert. Denn nach dem maßgeblichen Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise handele es sich weiterhin um Heils- bzw. Wirksamkeitsversprechungen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass nach den maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften bereits die Gefahr einer Täuschung ausreichend ist.

Haftungsausschluss ändert nichts
Dem stehe auch nicht der vom Beklagten eingeblendete „Haftungsausschluss“ entgegen, so das Gericht weiter. Zum einen sei Werbung mit gesundheitsbezogenen Angaben nur zulässig, wenn sie gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht. Zudem müsse der vom Werbenden in Anspruch genommene Stand der Wissenschaft bereits im Zeitpunkt der Werbung dokumentiert sein. Ein Disclaimer, der die gesundheitsbezogene Werbeaussage dadurch zu relativieren versucht, dass diese geraden nicht gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht, reiche nicht aus. Damit könne kein Gesetzesverstoß ausgeräumt werden. Zudem bestehe ein gewisser Widerspruch, wenn einerseits der Verbraucher auf fehlende Studien hingewiesen wird und gleichzeitig konkrete Heilaussagen zur Bewerbung der sog. Kältetherapie verwendet werden.

Fehlende Zuordnung des Disclaimers
Außerdem war das OLG der Ansicht, dem Disclaimer fehle die Zuordnung zu den Werbeangaben. Der Haftungsausschluss werde den Webseiten-Nutzern als Pop-Up-Fenster vor der Werbung angezeigt. Sobald die Nutzer das Fenster schließen, seien ihnen die wettbewerbswidrigen Aussagen problemlos zugänglich. Die Ausführungen im Haftungsausschluss seien nicht mehr sichtbar, wenn die Nutzer die Werbeaussage zur Kenntnis nehmen.

Vertragsstrafe ist angemessen
Das Nürnberger Gericht erachtete die Höhe der Vertragsstrafe als angemessen. Bei der Bemessung seien die Umstände des Einzelfalls entscheidend und der mit der Vertragsstrafe verfolgte Zweck, künftige Wettbewerbsverstöße zu verhindern. Zu berücksichtigen seien Art, Schwere, Ausmaß, Verschulden sowie die Gefährlichkeit des Verstoßes. Dem entspreche auch der mit dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs („Anti-Abmahn-Gesetz“) eingeführte § 13a UWG. Dessen Grundsätze können auch bei einer nach billigem Ermessen vorzunehmenden Bestimmung der Vertragsstrafenhöhe zugrunde gelegt werden.

Verwirkte Vertragsstrafen
Der Beklagte habe jedoch zwei Vertragsstrafen unter dem Gesichtspunkt der Zäsur verwirkt, befand das Gericht. Nach der Abmahnung durch den Kläger sowie nach Klageerhebung habe er weiter mit den streitbefangenen Aussagen geworben. Jedoch wäre der Beklagte nach Empfang der Abmahnung sowie Zustellung der Klage gehalten gewesen, jeweils sein Wettbewerbsverhalten zu überprüfen. Die Abmahnung und die Klageerhebung seien daher geeignet, insgesamt eine Zäsur für die Werbehandlung darzustellen. Denn der Beklagte habe nach deren Erhalt zwangsläufig erneut eine Entscheidung darüber treffen müssen, ob er sein zu unterlassendes Verhalten unverändert fortsetzt.

Oberlandesgericht Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 16.06.2021, Az. 3 U 458/21


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