Wiedergabe komprimierter Buchrezensionen Dritter ("Abstracts")
Unter bestimmten Voraussetzungen kann die komprimierte Wiedergabe von Buchrezensionen Dritter (sogenannte Abstracts) auch unter urheberrechtlichen Gesichtspunkten erlaubt und damit zulässig sein, entschied der u. a. für das Urheberrecht zuständige elfte Zivilsenat des OLG Frankfurt a. M. (OLG Frankfurt a. M., Urteile vom 11.12.2007, Az. 11 U 75/06 und 11 U 76/06).
Sachverhalt und Verfahrenshergang
Bei den Klägerinnen des Rechtsstreits handelt es sich um die Verleger von zwei bekannten Tageszeitungen, in denen u. a. Rezensionen verschiedener Bücher erscheinen. Die Beklagte stellt auf ihrer Internetseite www.Perlentaucher.de Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt vor. Für bestimmte Werke werden auch Empfehlungen ausgesprochen. Daneben veröffentlicht sie aber auch Rezensionen, die aus den von den Klägerinnen verlegten Zeitungen stammen. Die Veröffentlichung auf www.Perlentaucher.de erfolgt allerdings in einer sehr verkürzten Fassung. Es handelt sich um sogenannte Abstracts, die von den Mitarbeitern der Beklagten formuliert wurden, aber diverse Zitate und Passagen aus den Originalkritiken der Zeitungen enthalten. Die Beklagte veröffentlicht diese Abstracts nicht nur auf ihrer Internetseite, sondern erteilt auch Buchhandlungen eine Lizenz zum Abdruck der Abstracts.
Gegen die Veröffentlichung der Abstracts im Internet sowie die Erteilung der Abdrucklizenzen wandten sich die Klägerinnen. Hauptziel war es, ein generelles Verbot von Abstracts zu erreichen. Hilfsweise wurde die Untersagung der konkret in Frage stehenden Abstracts der Beklagten verlangt, soweit diese mit Originalzitaten bzw. Passagen ausgestaltet waren. Hierfür wurde vorgebracht, die Zitate bzw. Passagen stellten wegen ihres Umfangs einen nicht zu duldenden Eingriff in die Verwertungsrechte der Klägerinnen dar.
In erster Instanz konnte damit kein Erfolg erzielt werden. Das zunächst mit der Sache befasste Landgericht wies die Klage ab (LG Frankfurt a. M., Urteil vom 23.11.2006, Az. 2/3 O 172/06). Die Klägerinnen legten hiergegen Berufung ein, sodass nun das OLG zu entscheiden hatte.
Zusammenfassung der Urteilsgründe - keine generelle Unzulässigkeit von Abstracts
Das OLG schloss sich dem Grunde nach der Rechtsansicht des LG an und wies die Berufung zurück. Die Klägerinnen hatten damit erneut keinen Erfolg vor Gericht.
Zur Begründung führte der zuständige elfte Senat aus, ein generelles Verbot von Abstracts sei rechtlich nicht möglich, da die öffentliche Beschreibung des Inhalts eines bestimmten Werkes auch nach dessen Veröffentlichung jedermann zustehe, sofern es sich bei der Beschreibung nicht um eine unzulässige Bearbeitung des Originals (hier: der Originalrezension wie sie in den Zeitungen erschien), handele.
Darüber hinaus sei nicht jedes Abstract urheberrechtlich unzulässig, nur weil einzelne Originalpassagen darin wiedergegeben werden würden. Es käme vielmehr auf den jeweils im Einzelfall zu ermittelnden Umfang der Kopien sowie dem Abstand des Abstracts zum Original an. Maßgeblich sei zudem, ob es sich bei der gekürzten Wiedergabe einer Buchkritik um eine (unzulässige) Bearbeitung des Originals im Sinne von § 23 des Urhebergesetzes (UrhG) oder aber um eine freie Benutzung nach § 24 Abs. 1 UrhG handele. Hierzu ist – so führten die Richterinnen und Richter weiterhin aus – von Relevanz, ob dem Abstract ein eigenständiger schöpferischer Gehalt zukommt. Ein solcher könne insbesondere in der Komprimierung des Ursprungsinhaltes liegen. Der Abstand des Abstract zum Original sei zudem umso größer, je weiter es sich vom Aufbau des Originals entferne. Ferner sei auch Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) bei der Abgrenzung zu beachten, weil dieses Grundrecht auch die kommerzielle Berichterstattung schütze.
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien sah der Senat die streitbefangenen Abstract für zulässig an. Es handele sich im Vergleich zu den Originalkritiken um ausreichend selbständige Werke, die den erforderlichen Abstand zur Originalvorlage einhielten. Dementsprechend sei ein Unterlassungsanspruch zu verneinen.
OLG Frankfurt a. M., Urteile vom 11.12.2007, Az. 11 U 75/06 und 11 U 76/06
betroffenen Zeitungen wegen Verletzung seiner Urheberrechte auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main stellt hierzu klar, dass bei der Beurteilung eines Urheberrechtsverstoßes jede Verarbeitung im Einzelfall dahingehend überprüft werden muss, ob sie eine zulässige freie Bearbeitung des Originaltextes oder eine unzulässige Übernahme von Formulierungen aus den Originalrezensionen darstellt.
Urteil des OLG Frankfurt/Main vom 01.11.2011
11 U 75/06 u.a.
CR 2012, 54