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Widerrufsbelehrung: unzutreffende Regelung des Fristbeginns

AG Hamburg-Wandsbek, Urteil vom 13.01.2012, Az. 716a C 354/11


Widerrufsbelehrung: unzutreffende Regelung des Fristbeginns

Ein Widerrufsrecht für einen über das Internet abgeschlossenen Mitgliedsvertrag bei einem Erotik-Portal kann auch nach etwa 2 Jahren noch bestehen. Dies gilt für den Fall einer unwirksamen Widerrufsbelehrung. Die Unwirksamkeit kann aus einer fehlerhaften Belehrung über den Beginn der Widerrufsfrist folgen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn dem Verbraucher nicht mitgeteilt wird, dass die Widerrufsfrist erst mit Abschluss des Vertrages beginnt. Ein Anspruch des Unternehmens auf Wertersatz scheitert daran, dass der Verbraucher einem Beginn der Dienstleistung nicht wirksam zugestimmt hat.

Sachverhalt
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Mitgliedsbeiträgen in Anspruch. Die Klägerin betreibt ein kostenpflichtiges Erotik-Portal im Internet. Hier meldete sich der Beklagte am 20.12.2009 an. Mit E-Mail der Klägerin vom selben Tag wurde ihm die Mitgliedschaft bestätigt. Nach der Widerrufsbelehrung der Klägerin beginnt die Widerrufsfrist mit der Erfüllung sämtlicher Informationspflichten sowie der Erbringung der Dienstleistung.

Der Beklagte meint, den Vertrag noch am ersten Tag der Anmeldung über das Kontaktformular gekündigt zu haben. In jedem Fall erfolgte aber am 17.11.2011, mithin fast zwei Jahre später, ein Widerruf. Die Klägerin behauptet, sie habe zwischenzeitlich mehrere Mahnungen versandt. Insgesamt belaufen sich die ausstehenden Mitgliederbeiträge auf fast 500,00 €. Die Widerrufsbelehrung sei wirksam erfolgt. Dem Beklagten musste klar sein, dass die Dienstleistungen nur kostenpflichtig zu erbringen sind. Ferner käme der Widerruf nach fast zwei Jahren eindeutig zu spät. Der Beklagte meint wirksam widerrufen zu haben und lehnt eine Zahlung der Beiträge ab.

Entscheidung
Das Amtsgericht Hamburg-Wandsbek hat die Klage abgewiesen und sieht die Voraussetzungen eines wirksamen Widerrufes für gegeben. Die von der Klägerin verwendete Widerrufserklärung war nicht wirksam, sodass der Widerruf noch rechtzeitig erfolgte.

Die Widerrufsfrist beginnt bei Fernabsatzverträgen, wie Verträgen über das Internet, regelmäßig 14 Tage. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verbraucher die Widerrufsbelehrung mit Vertragsschluss wie vorliegend in Textform erhält. Diese kurze Frist begann jedoch nicht zu laufen. Die Klägerin verwendete eine Formulierung, wonach die Widerrufsfrist bereits mit Erfüllung der Informationspflichten und nach Erhalt der Belehrung in Textform beginnen sollte. Einzig maßgeblich für den Beginn der Frist ist nach den gesetzlichen Regelungen der Zeitpunkt des Vertragsschlusses.

Diese Information war in der Belehrung nicht eindeutig enthalten. Es kommt nicht darauf an, ob ein Vertragsschluss vorliegend durch Zusendung der Vertragsunterlagen und Bestätigung per E-Mail zustande gekommen ist. Der Verbraucher wusste dies nicht und muss gerade auf diese entscheidende Rechtsfolge ausdrücklich hingewiesen werden. Vielmehr ergeben sich aus der Belehrung der Klägerin unterschiedliche Deutungsweisen, wann es konkret zum Vertragsschluss kommt. Die Widerrufsbelehrung erfüllt daher den gesetzgeberischen Zweck einer umfassenden Aufklärung über den Inhalt und die Folgen eines Widerrufes sowie des damit zusammenhängenden Rechtsgeschäfts nicht.

Die unterschiedliche Auslegung der Belehrung führt zu einer unwirksamen Belehrung insgesamt. Als Folge begann die Widerrufsfrist nicht zu laufen. Der Widerruf ist auch nicht durch Zeitablauf anders erloschen. Aus der unwirksamen Widerrufsbelehrung darf der Klägerin kein Vorteil dahingehend erwachsen, dass das Widerrufsrecht dennoch abläuft und dann die volle Vergütung verlangt werden könnte.

Für die zwischenzeitlich bereitgestellten Erotik-Inhalte kann die Klägerin keinen Wertersatz verlangen. Die Widerrufsbelehrung enthält diesbezüglich keinerlei Hinweise auf diese Rechtsfolge. Eine vorherige Aufklärung des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen ist aber zwingende Voraussetzung, damit ein Anspruch auf Wertersatz entstehen kann. Zumal der Beklagte vorliegend nicht anderweitig seine Zustimmung erteilt hat.

Fazit
Das AG Hamburg-Wandsbek schützt den Verbraucher auch bei „pikanten“ Verträgen vor unwirksamen Widerrufsbelehrungen und räumt diesem zeitlich einen sehr großen Rahmen ein. Zu beachten ist jedoch, dass aufgrund einer Novellierung des Widerrufsrechts dieses nunmehr grundsätzlich nach einem Jahr und 14 Tagen endet. Dies gilt auch im Fall unwirksamer Belehrungen.

AG Hamburg-Wandsbek, Urteil vom 13.01.2012, Az. 716a C 354/11


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