Wettbewerbswidrige Nachfrage nach Kundenzufriedenheit durch Marktforschungsinstitut
Das OLG Köln hat im März 2012 entschieden, dass ein Anruf zur Ermittlung der Kundenzufriedenheit bei einem Kunden einer Autowerkstatt belästigende Werbung ist, wenn der Kunde dazu nicht ausdrücklich sein Einverständnis erklärt hat.
Verhandelt wurde der Fall einer Werkstatt, die auf die Reparatur und den Austausch von Auto-Glasscheiben spezialisiert ist. Die Werkstatt gehört zu einem großen Konzern, der ein Marktforschungsunternehmen damit beauftragt hatte, Kunden telefonisch über die Bewertung der von der Firma erbrachten Dienstleistungen zu befragen. Geklagt hatte ein Rechtsanwalt und Notar, der im Jahr 2009 die Reparatur der Frontscheibe eines Dienstwagens beauftragt und für den Fall von Nachfragen der Werkstatt die Nummer seines Mobiltelefons überlassen hatte. Wenige Tage nach erfolgter Reparatur erhielt der Anwalt den Anruf eines Marktforschungsunternehmens, das seine Zufriedenheit mit der Werkstatt ermitteln wollte. Sein Einverständnis für einen solchen Anruf hatte der Anwalt nicht erklärt, denn er hatte die Telefonnummer nur „für alle Fälle“, also für Nachfragen den Auftrag betreffend, herausgegeben. Vor dem Landgericht hatte er ein Verbot derartiger Anrufe erwirkt. Die Beklagte war in Berufung gegangen, die nun vor dem OLG Köln verhandelt wurde.
Die Berufung wurde seitens der Beklagten damit begründet, dass der Kläger bei der Beauftragung der Firma als Privatperson gehandelt habe. Zudem wurde angeführt, dass ein solcher Anruf keine geschäftliche Handlung und keine Werbung sei, weshalb eine „unzumutbare Belästigung“ nach § 7 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) nicht gegeben wäre. Die telefonische Befragung sei zu Forschungszwecken erfolgt, die vom Grundgesetz geschützt sind (Art. 5 Abs. 3 GG). Der Kläger bestand darauf, nicht als Privatperson, sondern in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt und Notar gehandelt zu haben.
Das Gericht bestätigte das Urteil der ersten Instanz. Der Kläger habe einen Unterlassungsanspruch, da die telefonische Nachfrage als geschäftliche Handlung ein belästigender Anruf gemäß UWG gewesen sei. Geschäftlich sei der Anruf gewesen, denn sein Ziel – die Ermittlung der Kundenzufriedenheit – diene der Absatzförderung der Beklagten, die durch die Bewertung der Kunden an Informationen gelange, die eine Verbesserung der Serviceleistungen ermöglichen würden. Eine direkte Förderung des Absatzes, beispielsweise durch einen Verkauf am Telefon, ist für eine Beurteilung als geschäftliche Handlung nicht nötig. Auch war es nach Ansicht des Gerichts gleichgültig, ob das beklagte Unternehmen selbst anruft oder ein Meinungsforschungsinstitut damit beauftragt.
Das Oberlandesgericht bewertete die telefonische Befragung zudem auch als Werbung, denn als solche wird nach Art. 2 Nr. 1 der EU-Werberichtlinie (2006/114/EG) jede Handlung verstanden, die „bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren … zu fördern“ geschieht. Durch einen solchen Anruf würde dem Kunden der Eindruck vermittelt, das Unternehmen kümmere sich auch nach Abschluss des Geschäfts weiter um ihn. Dadurch solle der Kunde an die Firma gebunden werden oder dazu gebracht werden, das Unternehmen weiter zu empfehlen.
Auf die im Grundgesetz verbriefte Freiheit der Forschung konnte sich das Unternehmen nach Auffassung des Gerichts nicht berufen, da der Anruf nicht allgemein zu Forschungszwecken, sondern im direkten Zusammenhang mit einer konkreten Geschäftsbeziehung erfolgt sei. Betroffen sei durch das Urteil nicht die Forschungsfreiheit, sondern die Berufsausübungsfreiheit, die aber beispielweise durch das Wettbewerbsrecht eingeschränkt wird. Der Schutz des Angerufenen vor belästigenden Anrufen habe jedenfalls Vorrang vor dem gewerblichen Interesse der Beklagten.
Dass der Kläger in seiner geschäftlichen Eigenschaft als Rechtsanwalt und nicht als Privatperson angerufen worden war, wurde von der Beklagten erstmals in der Berufungsverhandlung bestritten. Diese Frage war aber laut OLG nicht relevant, denn erstens hätte der Einwand bereits in der ersten Instanz vorgebracht werden müssen und zweitens wäre auch ein Anruf bei einer Privatperson unzulässig gewesen. Ein solcher Anruf wäre womöglich erlaubt, wenn der Kunde zumindest „mutmaßlich“ seine Einwilligung erteilt hätte. Es war aber zwischen den Parteien unstreitig, dass die Überlassung der Telefonnummer nur „für alle Fälle“ erfolgt war, also zur Klärung von Fragen, die im direkten Zusammenhang mit der Reparatur standen.
OLG Köln, Urteil vom 30.03.2012, Az. 6 U 191/11