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Wettbewerbsverhältnis bei unterschiedlichen Vertriebswegen

Oberlandesgericht Frankfurt/Main, Urteil vom 11.11.2021, Az. 6 U 81/21


Wettbewerbsverhältnis bei unterschiedlichen Vertriebswegen

Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main entschied am 11.11.2021, dass zwischen einem Bio-Bauern und einem Online-Shop-Betreiber ein Wettbewerbsverhältnis bestehe, wenn ähnliche Waren auch über unterschiedliche Vertriebswege angeboten werden. In vorliegenden Fall haben es sich um Müslimischungen und entsprechende Zutaten gehandelt.

Liegt ein Wettbewerbsverhältnis trotz unterschiedlicher Vertriebswege vor?
Antragsteller war ein Bio-Bauer, der neben Getreide auch daraus sowie aus zugekauften Zutaten hergestellte Müslimischungen anbot. Die Antragsgegnerin betrieb einen Online-Shop, über den sie selbst zusammengestellte Müslimischungen vertrieb. Der Antragsteller mahnte die Antragsgegnerin u.a. wegen des Verstoßes gegen gesetzliche Informationspflichten wie zum Widerruf, zur Online-Streitschlichtungsplattform etc. ab. Die Antragsgegnerin wies die Abmahnung zurück. Die Vorinstanz gab dem Antragsteller recht. Dagegen legte die Antragsgegnerin Widerspruch ein, worauf die Vorinstanz das Urteil wieder aufhob. Dies lag u.a. daran, dass es nach Meinung der Vorinstanz an einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien fehle. Dagegen richtete sich die Berufung des Antragstellers.

§ 8 Abs. 4 UWG a.F. ist maßgeblich
Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main befand zunächst, es sei noch auf § 8 Abs. 4 UWG a.F. abzustellen. Grund sei, dass die ursprünglich ausgesprochene Abmahnung vom 20.10.2020 datiert, also vor Inkrafttreten des Gesetzes „zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ am 2.12.2020.

Indizien für Massenabmahnung
Danach befasste sich das Gericht mit einem möglichen missbräuchlichen Vorgehen des Antragstellers. Diverse Indizien sprächen dafür. Auffällig sei, dass sich die Geschäftstätigkeit des Antragstellers nur zu einem kleinen Teil mit dem Warenbereich der Antragsgegnerin, nämlich individuell zusammenstellbaren Müslimischungen, überschneidet. Der Antragsteller sei zu allererst Bio-Landwirt; der Produktbereich „Müsli“ betreffe nur einen kleinen Teil seines Umsatzerlöses. Er gebe die Produkte nicht in Mengen unter 5 kg ab und verkaufe sie nur gegen Abholung direkt am Hof. Für den Antragsteller sei der Vertrieb von Getreideprodukten an Privatleute offenbar nur ein Nebenerwerb. Hinzu kämen familiäre Beziehungen zwischen Antragsteller und seiner Prozessbevollmächtigten. Der Antragsteller sei deren Vater. Es könne daher daran gedacht werden, dass die Abmahnung in erster Linie als Einnahmequelle diene.

Keine massenhaften Abmahnungen
Das Gericht sah allerdings den Antragsteller keine häufigen oder gar massenhaften Abmahnungen aussprechen. Im Vorjahr habe es lediglich vier Abmahnungen gegeben, welche entweder das betreffende Verfahren oder andere Geschäftszweige betrafen. Auch sei für jede Abmahnung ein konkreter Anlass bekundet worden. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Abmahntätigkeit in der Person seiner Prozessbevollmächtigten verselbstständigt habe, indem diese auf eigene Initiative Wettbewerbsverstöße ermittelt und verfolgt, bestünden daher nicht.

Konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen Bio-Bauer und Online-Shop
Das OLG entschied, es bestehe ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien. Beide böten Müslimischungen und Zutaten für Müslimischungen an. Es lägen also austauschbare Produkte vor. Diese würden sich auch an denselben Kundenkreis richten, nämlich an Endverbraucher. Es komme dabei nicht darauf an, ob der Antragsteller zum Teil auf einer vorgelagerten Wirtschaftsstufe, nämlich als Lieferant von Hofläden tätig sei. Auch komme es nicht darauf an, dass der Antragsteller im Gegensatz zur Antragstellerin nur Großmengen ab 5 kg abgebe. Schließlich sei auch nicht maßgeblich, dass die Parteien völlig unterschiedliche Vertriebswege bedienen (Online-Versand bzw. E-Mail-Bestellung und Abholung am Hof). Die wettbewerbsrechtliche Anspruchsberechtigung hänge nicht vom Umfang und Zuschnitt der unternehmerischen Tätigkeit des Mitbewerbers ab. Auf die seit 1.12.2021 in Kraft getretene Neufassung des § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, die einen Vertrieb der maßgeblichen Waren in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich voraussetzt, komme es vorliegend nicht an.

Abgeschalteter Onlineshop hat keine Auswirkung
Nach Ansicht des OLG komme es auch nicht darauf an, dass sich die Antragsgegnerin zur Abschaltung ihres Online-Shops entschieden habe. Die das Wettbewerbsverhältnis begründende unternehmerische Tätigkeit müsse als Voraussetzung der Aktivlegitimation lediglich zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch andauern. Der Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin erlösche nicht dadurch, dass diese ihre unternehmerische Tätigkeit einstelle. Denn es sei nicht ausgeschlossen, dass sie mit der angegriffenen Verkaufstätigkeit zu einem späteren Zeitpunkt wieder beginnt.

OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 11.11.2021, Az. 6 U 81/21


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