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Werbung mit unzureichendem Warenvorrat

BGH, Urteil vom 17.09.2015, Az. I ZR 92/14


Werbung mit unzureichendem Warenvorrat

Der Bundesgerichtshof konkretisiert den Tatbestand der Schwarzen Liste „Nr. 5 des Anhangs zu § 3 UWG“ und stuft irreführende Lockvogelangebote als wettbewerbswidrig ein.

Die Wettbewerbszentrale ging gegen ein sogenanntes Lockvogelangebot des Lebensmitteldiscounters Lidl vor. Konkret ging es um eine Prospektwerbung für ein Smartphone zum Preis von 99,99 Euro. Das Angebot war mit einem Sternchen versehen, das den für derartige Angebote typischen Hinweis enthielt, dass der beworbene Artikel nur in begrenzter Menge vorrätig sei und daher schon am ersten Angebotstag ausverkauft sein könne. Ein Schwesterunternehmen bewarb denselben Artikel mit dem Hinweis „solange der Vorrat reicht“.

Im verhandelten Fall waren die angebotenen Smartphones bereits am Vormittag des ersten Aktionstages nicht mehr erhältlich. Der BGH vertritt die Ansicht, dass die Kunden hinsichtlich einer derartigen Werbung erwarten, dass der entsprechende Artikel in ausreichender Menge vorhanden ist. Zu klären war die Frage, ob der Hinweis „Dieser Artikel kann aufgrund begrenzter Vorratsmenge bereits im Laufe des ersten Angebotstages ausverkauft sein“ beziehungsweise der Zusatz „solange der Vorrat reicht“ dazu geeignet sind, diese Erwartungshaltung der Kunden auszuräumen. Die Richter legten den Inhalt dieser Hinweise sehr eng aus. Ihrer Meinung nach enthalten diese Zusätze keinen Hinweis darauf, dass der beworbene Artikel bereits am Vormittag des ersten Angebotstages ausverkauft sein kann. Sie konkretisierten den Tatbestand von Nr. 5 des Anhangs zu § 3 UWG, der besagt, dass ein Unternehmer wettbewerbswidrig handelt, wenn er Waren zu einem bestimmten Preis bewirbt, ohne die angesprochenen Verkehrskreise darüber aufzuklären, dass er möglicherweise nicht in der Lage sein wird, diese während eines angemessenen Zeitraumes in angemessener Menge zu dem angegebenen Preis bereitzustellen. Es handelt sich um sogenannte Lockvogelangebote. Reicht die Bevorratung für weniger als zwei Tage aus, steht der Unternehmer in der Pflicht, eine Angemessenheit nachzuweisen.

Dieser Tatbestand entfällt nur dann, wenn der Unternehmer nach objektiven Kriterien nachweisen kann, dass die Bevorratung zum Zeitpunkt der Werbung angemessen war und er auf der Grundlage eines normalen Geschäftsverlaufes davon ausgehen konnte, die Bevorratung werde ausreichend sein. Allerdings konnten die BGH-Richter diesen Punkt aufgrund mangelhafter Beweislage nicht eindeutig klären und haben den Rechtsstreit zwecks Aufklärung der Sachlage an die Vorinstanz zurückverwiesen. Als nächstes war die Frage zu klären, inwieweit der Internetshop, der die Smartphones für Lidl bereitstellte, wettbewerbsrechtlich verantwortlich war. Die Richter haben einen wettbewerbsrechtlichen Tatbestand hinsichtlich des Angebotes im Internet mit Bezug auf die Lidl-Filialen bejaht. In dieser Fallkonstellation liegt „eine geschäftliche Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens“ vor. Der Internetshop konnte sich nicht darauf berufen, er habe auf die Gestaltung der Werbemittel keinen Einfluss gehabt. Hinsichtlich der Gestaltung des Werbeprospektes von Lidl haben die Richter eine Mitverantwortung jedoch abgelehnt, da der Internetshop keinen Einfluss auf den Inhalt hatte. Auch in diesem Punkt hat der BGH den Rechtsstreit zwecks Aufklärung des Sachverhaltes an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Ein weiterer Punkt betraf die Wiederholungsgefahr. Die Wettbewerbszentrale hatte eine Unterlassungserklärung von Lidl gefordert, die der Lebensmitteldiscounter im Verfahren abgegeben hatte. Die Richter sahen eine Wiederholungsgefahr als gegeben an, da sich die Unterlassungserklärung lediglich auf ein spezielles Smartphone-Modell bezieht. Das Problem ist, dass die Wiederholungsgefahr nicht für eine identische Verletzungsform, in diesem Fall für ein bestimmtes Smartphone-Modell, besteht, sondern charakteristisch ist für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen. Dementsprechend gilt ein umfängliches Verbot, auch wenn die Verletzungshandlung sich auf einen konkreten Tatbestand bezieht. So beschränkt sich die Verletzungshandlung nicht auf das streitgegenständliche Smartphone-Modell, sondern sie ist charakteristisch für alle Smartphones, die in der Werbung des Discounters in optisch hervorgehobener Weise als Aktionsangebote beworben werden, ohne einen konkreten Hinweis darauf zu geben, dass die Ware bereits am ersten Angebotstag ausverkauft sein kann.

Der BGH weicht von der Annahme des Berufungsgerichtes ab, die Klägerin habe ihre Rechtsverfolgung und damit die Unterlassungserklärung ausdrücklich auf die Werbung für das streitgegenständliche Smartphone-Modell beschränkt. Ein Klageantrag ist jedoch entsprechend des tatsächlichen Willens der Partei und nicht im buchstäblichen Sinne auszulegen. Das Gericht verfolgt den Grundsatz, dass der Partei im Zweifelsfall der Willen zu unterstellen ist, der nach den Maßstäben der Lebenserfahrung und der Rechtsordnung zu erwarten ist und der regelmäßigen Interessenlage entspricht.

BGH, Urteil vom 17.09.2015, Az. I ZR 92/14


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