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Werbung mit „Das beste und größte LTE-Netz“

Irreführende Werbung mit eigenen Testergebnissen


Werbung mit „Das beste und größte LTE-Netz“

Das OLG Hamburg entschied mit Urteil vom 23.05.2019, Az. 3 U 75/18, dass eine Werbung mit selbst in Auftrag gegebenen Testergebnissen unzulässig ist, wenn der Test nach internen Qualitätsstandards ausgewertet wurde. Wird auf der Grundlage dieser Testergebnisse dann das „beste und größte LTE-Netz“ beworben, so behauptet der Werbende dadurch seine Alleinstellung auf dem Markt. Dies ist ebenfalls unzulässig, sofern auf der Grundlage von neutralen und objektiven Testergebnissen zu anderen Mitbewerbern kein deutlicher und dauerhafter Vorsprung gegeben ist.

Testergebnisse aus selbst beauftragten Messungen
Zwei bekannte Telekommunikationsunternehmen, die im Bereich Festnetz und Mobilfunk deutschlandweit Dienstleistungen anbieten, stritten um die Rechtmäßigkeit einer Werbeaussage. Die Zeitschriften „connect“ und „CHIP“ führten im Jahr 2018 Mobilfunktests durch, in welchen die Antragsgegnerin zweimal die Note „sehr gut“ erhielt. Die Antragstellerin erhielt die Note „sehr gut“ und „gut“. Im Hinblick auf das LTE-Netz erreichte die Antragsgegnerin ebenfalls eine „sehr gut“-Bewertung, die Antragstellerin erhielt die Note „gut“. Neben diesen unabhängigen Tests ließ die Antragsgegnerin auch selbst Messungen in Auftrag geben. Diese wurden nach einem eigenen Standard für den Qualitätsvergleich aus Kundensicht (QvK) bewertet. Die Antragsgegnerin ließ die Messergebnisse in Hinblick auf diverse Werbeaussagen von der TÜV N. C. prüfen und zertifizieren. So erhielt sie – auf eigenen Auftrag hin – von der TÜV N. C. GmbH die Zertifizierung für die Aussagen

-    „(…) bietet die beste Mobilfunk-Netzqualität nach QvK-Standard für Sprachdienste“
-    „(…) bietet die beste Mobilfunk-Netzqualität nach QvK-Standard“
-    „(…) bietet die beste Mobilfunk-Netzqualität in LTE nach QvK-Standard für Sprachdienste“
-    „(…) bietet die beste Mobilfunk-Netzqualität nach QvK-Standard für Datendienste“

Abmahnung wegen Irreführung
Im Winter 2017 folgte eine umfangreiche Werbekampagne der Antragsgegnerin. In Printmedien, in TV-Spots, im Internet und in Internet-Bannerwerbungen warb sie damit, über „das beste und größte LTE-Netz zu verfügen“. Dabei wurde auch das Siegel der TÜV N. C. GmbH eingeblendet. Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin daraufhin ab, da sie der Meinung war, diese Werbeaussagen seien irreführend. Die Alleinstellungsbehauptung sei unzulässig, da es schon an einem Vorsprung gegenüber sämtlichen Mitbewerbern fehle. Allein schon die Werbung mit dem Testhinweis sei unzulässig, da es sich nicht um einen neutralen und unabhängigen Mobilfunktest handele, wie ihn etwa die Fachzeitschriften „connect“, „CHIP“ oder auch die Stiftung Warentest durchführen. Einen derartigen Test würden die Verbraucher hier aber vermuten. Aus der Werbung gehe außerdem nicht hervor, dass die TÜV N. C. GmbH die Tests nicht selbst durchgeführt habe. Zusätzlich überdehnen die Werbeaussagen die erfolgte Zertifizierung in unzulässiger Weise.

Frage nach der Neutralität der Testergebnisse
Die Antragsgegnerin wies die Abmahnung zurück, woraufhin die Antragstellerin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stellte. Das zuständige Landgericht Hamburg gab dem Antrag statt und verbot der Antragsgegnerin, mit den streitgegenständlichen Aussagen zu werben. Die Antragsgegnerin erhob Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung. Sie führte aus, dass die Messungen von einem externen, neutralen Unternehmen durchgeführt wurden. Es seien die Grundsätze zur Testhinweiswerbung, nicht aber die Rechtsprechung zur Alleinstellungswerbung heranzuziehen. Erst nach Überprüfung der Messergebnisse durch die TÜV N. C., dass die Messdaten und die Auswertung neutral und korrekt seien, seien die Zertifikate erteilt worden. Außerdem werde neben dem TÜV-Siegel ausgeführt: „TÜV zertifiziert: (…) beste Mobilfunktqualität (…)“. Daher erkenne der Verkehr, dass nur dies ein wörtliches Zitat aus dem Zertifikat der TÜV N.C. GmbH sei. Der angesprochene Personenkreis schließe daraus nicht, dass die übrigen Angaben in der Werbung auch TÜV-zertifiziert worden seien. Die Aussagen „im besten und größten LTE-Netz“ und „das beste Netz Deutschlands“ seien erkennbar, wie bei anderen Testhinweiswerbungen auch, nur wertende Zusammenfassungen der Testergebnisse.

„QvK-Standard“ sei kein anerkannter Standard für Mobilfunktests
Die Antragstellerin verteidigte hingegen ihre Ansicht, die Werbung der Konkurrentin sei nach den Grundsätzen der Alleinstellungswerbung zu betrachten. Es fehle hier schon an dem erforderlichen Vorsprung von einiger Stetigkeit, wie die Tests der Zeitschriften CHIP und connect zeigten. Außerdem bezögen sich die TÜV-Zertifizierungen nur auf einen internen „QvK-Standard“, nicht auf einen Standard, nach dem Mobilfunktests sonst durchgeführt werden. Der angesprochene Verkehr nehme an, dass es sich um einen anerkannten Standard handele und werde somit in die Irre geführt. Und abgesehen davon gäbe es keine Zertifizierung zur Größe des Netzes der Antragsgegnerin. Die Werbeaussagen gehen daher deutlich über die zertifizierten Angaben hinaus.

Streitentscheidend: Testhinweiswerbung oder Alleinstellungswerbung
Das Landgericht behielt seinen Standpunkt bei und bestätigte den Beschluss seiner einstweiligen Verfügung. Es läge kein unabhängiger Test vor. Da es an einem deutlichen Vorsprung gegenüber Mitbewerbern fehle, liege eine irreführende Alleinstellungsbehauptung vor. Die Werbeaussagen gingen außerdem über die zertifizierten Angaben hinaus. Allein dieser Umstand sei irreführend. Dieses Urteil akzeptierte die Antragsgegnerin nicht und legte Berufung ein. Doch auch das OLG Hamburg folgte der Ansicht der Antragstellerin. Der Senat wiederholte die Begründung des Landgerichts und bestätigte das Bestehen der Unterlassungsansprüche. Ein Unternehmen könne mit einem Testergebnis werben, ohne über den Abstand zu Produkten von Mittbewerbern zu informieren, wenn das Testergebnis von dritter Seite „nicht erschlichen und in einem seriösen Verfahren“ vergeben worden ist (BGH, GRUR 2003, 800 ff.). Wird nur mit einer Selbsteinschätzung geworben, so ist für eine zulässige Alleinstellungswerbung ein „deutlicher Vorsprung von einiger Stetigkeit“ zu verlangen.

Wertungsabstand zwischen den Konkurrentinnen war zu gering
Bei den von der Antragsgegnerin in Auftrag gegebenen Mobilfunktests handele es sich nicht um Testergebnisse bzw. Auszeichnungen, die von neutraler dritter Seite vergeben worden seien. Durch die Beauftragung durch die Antragsgegnerin selbst könne keine Neutralität gewährleistet werden. Denn der Beauftragte habe ein wirtschaftliches Eigeninteresse und sei nicht über den Zweifel erhaben, das Testergebnis in irgendeiner Weise – ob bewusst oder unbewusst – zu Gunsten der Antragsgegnerin beeinflusst zu haben. Die TÜV-Zertifikate hat die Antragsgegnerin selbst einholen lassen und dabei ihren intern formulierten QvK-Standard zugrunde gelegt. Die Zertifizierung führt daher eben nicht zu einer Neutralität der Tests. Auch die Kriterien einer unbedenklichen Alleinstellungswerbung seien hier nicht erfüllt. Es fehle bereits an entsprechenden Testergebnissen neutraler Dritter. Nach den Tests der Zeitschriften CHIP und connect sowie dem Test der Stiftung Warentest habe die Antragsgegnerin zwar besser abgeschnitten als die Antragstellerin. Für die Annahme eines deutlichen Vorsprungs sei der Abstand allerdings zu gering.

Kein TÜV-Zertifikat zur „Größe“ des LTE-Netzes
Im Übrigen sei die Werbeaussage „das beste und größte Netz“ sehr wohl als Alleinstellungsberühmung zu verstehen. Der Wortlaut sei hier eindeutig. Der Verkehr gehe von einem deutlichen und dauerhaften Vorsprung der Antragsgegnerin aus. Auch die Verwendung des TÜV-Siegels erwecke den falschen Eindruck, dass sämtliche Angaben insgesamt von der TÜV N.C. GmbH, und zwar anhand anerkannter oder TÜV-eigener Standards, zertifiziert worden seien. Zusätzlich gehen die werblichen Angaben über die TÜV-Zertifizierung hinaus, indem die Antragsgegnerin damit wirbt, auch über das „größte“ LTE-Netz zu verfügen. Keine der Zertifizierungen enthalte Aussagen über die Größe des Netzes. Es werde nicht deutlich, dass die „Größe“ des Netzes nicht TÜV-zertifiziert sei. Daher seien die streitgegenständlichen Werbeaussagen allesamt irreführend und damit unlauter und wettbewerbswidrig.

OLG Hamburg, Urteil v. 23.05.2019,  Az.: 3 U 75/18


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