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Werbung für Therapie zur Behandlung des “KISS-Syndroms”

OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2015, Az. I-20 U 160/14


Werbung für Therapie zur Behandlung des “KISS-Syndroms”

Das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied im März 2015, dass die Werbung für eine sogenannte „manuelle Therapie“ zur Behandlung des KiSS-Syndroms zu unterlassen sei, da keinerlei wissenschaftliche Erkenntnisse zur Wirksamkeit der Behandlung vorliegen.

KiSS ist die Abkürzung für Kopfgelenk-induzierte Symmetrie-Störung. Dabei handelt es sich nach Ansicht mancher Vertreter der Alternativmedizin um ein Krankheitsbild, das zu Störungen der Körperhaltung bei Säuglingen und Kleinkindern aufgrund eines Geburtstraumas führt. Die Existenz dieser Störung ist wissenschaftlich nicht anerkannt, auch wenn Vertreter der sogenannten „manuellen Therapie“ diese Krankheit häufig diagnostizieren und behandeln. Bei der „manuellen Therapie“ handelt es sich um eine Form der Behandlung von Funktionsstörungen des Bewegungsapparats, deren Wirksamkeit wissenschaftlich zwar umstritten ist, die aber von deutschen Krankenkassen häufig bezahlt wird.

Ein selbstständiger Physiotherapeut warb im Oktober 2013 auf seiner Homepage für die manuelle Therapie bei Kindern. Dabei verwendete er bezogen auf das KiSS-Syndrom unter anderem folgende Formulierung: „Auch im Kindes- und Jugendalter entstehen in Folge des Wachstums Funktionsstörungen, welche im Rahmen der Manuellen Therapie gut behandelt werden können.“

Ein Interessenvertretungsverein mahnte den Physiotherapeuten daraufhin ab und verlangte eine Unterlassungserklärung, in der er erklären sollte, die Werbung für die Behandlung des KiSS-Syndroms mittels manueller Therapie künftig zu unterlassen. Der Therapeut gab diese Unterlassungserklärung ab und entfernte den direkten Verweis auf das KiSS-Syndrom von seiner Webseite. Mit dieser Unterlassungserklärung hatte er aber auch zugesagt, künftig Formulierungen nicht mehr zu verwenden, in denen behauptet wird, die manuelle Therapie sei geeignet zur Behandlung eines sogenannten Geburtstraumas. Dessen Existenz wird allerdings nur von Verfechtern des KiSS-Syndroms behauptet und ist wissenschaftlich nicht nachgewiesen. Der Physiotherapeut hatte aber alle weiteren Erklärungen sowohl zu den behandelten Störungen als auch zur Wirksamkeit der manuellen Therapie auf der Seite belassen, sodass zwar das Wort KiSS dort nicht mehr vorkam, ansonsten aber keine inhaltlichen Änderungen vorgenommen wurden. Der abmahnende Verein versuchte daraufhin beim Landgericht Düsseldorf eine einstweilige Verfügung gegen ihn zu erwirken, die das Gericht auch erließ. Aufgrund des Widerspruchs des Therapeuten kam es anschließend zu einem Verfahren, in dem das Landgericht die einstweilige Verfügung größtenteils aufhob. Der Therapeut dürfe zwar nicht mit der manuellen Therapie des KiSS-Syndroms werben, da er weder die Existenz des Syndroms noch die Wirksamkeit der Therapie nachweisen könne. Er dürfe aber nach Entfernung der Erwähnung des KiSS-Syndroms weiter für die Behandlung der beschriebenen Symptome werben.

Der abmahnende Verein legte Berufung gegen dieses Urteil ein. Die Begründung des Gerichts sei rein formalistisch nur auf die explizite Erwähnung des KiSS-Syndroms eingegangen. Die Verletzung der Unterlassungserklärung bestünde aber weiterhin, denn über die Beschreibung der Symptome des Syndroms werde weiterhin für seine Behandlung durch die manuelle Therapie geworben.

Das Oberlandesgericht erklärte die Berufung für begründet. Der Physiotherapeut habe behandelbare Symptome beschrieben, die im direkten Zusammenhang mit dem fachlich höchst umstrittenen KiSS-Syndrom stünden. Die Richtigkeit seiner werbenden Aussagen müsse er aber im Streitfall auch beweisen können. Zwar behauptete der Therapeut, nicht mehr für die Behandlung des Syndroms zu werben. Die vollständige Beibehaltung der Krankheitsbeschreibungen, die er keiner anderen Krankheit habe zuordnen können, mache aber deutlich, dass es ihm weiterhin darum ging, für die Behandlung des KiSS-Syndroms zu werben. Insbesondere seine Behauptung, im Säuglingsalter entstünden in Folge eines angeblichen Geburtstraumas Funktionsstörungen des Bewegungsapparates, die sich im Rahmen manueller Therapie gut behandeln ließen, konnte er nicht belegen.

Damit machte das OLG Düsseldorf deutlich, dass ein Therapeut nicht für die Behandlung einer Krankheit werben darf, wenn die Wirksamkeit der angebotenen Behandlungsmethoden nicht anerkannt oder anderweitig beweisbar ist. Das Gericht machte zudem klar, dass eine rein formale Änderung des beanstandeten Werbetextes unter Beibehaltung seiner ursprünglichen Aussage nicht ausreicht, um der abgegebenen Unterlassungserklärung zu genügen.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.03.2015, Az. I-20 U 160/14


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