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Wenn ein Angeklagter bei Eintreten des Gerichts nicht aufsteht

OLG KA, 2 Ws 448/14


Wenn ein Angeklagter bei Eintreten des Gerichts nicht aufsteht

Das Oberlandesgericht (OLG) in Karlsruhe hat mit seinem Beschluss vom 5. Januar 2015 unter dem Az. 2 Ws 448/14 entschieden, dass ein Angeklagter während einer Gerichtsverhandlung nicht in jedem Fall mehrfach aufstehen muss.

Damit gab das OLG der Beschwerde des Angeklagten gegen einen Ordnungsgeldbeschluss vom 15.10.14 statt und hob den Beschluss auf.

Das Amtsgericht Breisach hatte gegen einen Angeklagten ein Ordnungsgeld in Höhe von 200,- Euro verhängt, weil dieser sich nach einer Verhandlungspause nach dem Eintritt der Richterin in den Saal nicht erheben wollte. Ersatzweise hätte der Angeklagte zwei Tage Ordnungshaft absitzen können.
Bereits am Beginn der Verhandlung wollte sich der Angeklagte nicht von seinem Sitz erheben und berief sich dabei auf "die deutsche Verfassung“.
Daraufhin ist er vom Gericht ermahnt worden und es wurde ihm ein Ordnungsgeld (ersatzweise Ordnungshaft) in Höhe von 200,- Euro angedroht.

Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde beurteilt das OLG als statthaft und begründet.
Wenn ein Angeklagter auch nach Aufforderung nicht von seinem Platz aufstehen, sondern sitzenbleiben wolle, so könne dieses Verhalten zwar grundsätzlich als eine ungebührliche Handlung im Sinne des § 178 GVG aufgefasst werden, doch das gelte nicht ohne jede Einschränkung. Lediglich zu Beginn der Sitzung haben sich alle Anwesenden beim Eintritt der Richter zu erheben. Ferner müssen sich alle Anwesenden bei Vereidigung von Sachverständigen und Zeugen sowie bei der Verkündung der Entscheidung von ihren Sitzen erheben. Diese Bestimmung zu einer Handlung folge aus Nr. 124 Abs. 2 Satz 2 RiStBV. An diese Vorgaben seien die Gerichte nicht gebunden, sondern hätten sie nur übernommen.
Nach einer Sitzungspause inmitten einer Verhandlung jedoch stelle das Sitzenbleiben bei Eintritt des Gerichts nur dann ein ungebührliches Verhalten dar, wenn erschwerende Umstände hinzukommen, die eine ähnliche Beurteilung zuließen. Das sei hier aber nicht der Fall. Das Verhalten sei auch nicht schon deshalb ungebührlich, weil die Richterin den Angeklagten zum Aufstehen aufgefordert hatte. Auch wenn das Aufstehen üblich sei, verpflichtet sei der Angeklagte dazu nicht gewesen. Die Fortsetzung einer Sitzung stelle keinen besonderen Abschnitt des Verfahrens dar, der unbedingt durch eine bestimmte Verhaltensform noch verdeutlicht werden müsse.

Das Gericht berief sich dabei auch auf Entscheidungen des OLG Koblenz NStZ 1984, 234 des OLG Stuttgart NJW 1969, 627 des OLG Hamm NJW 1975, 942 des OLG Celle NStZ-RR 2012, 119, des OLG Brandenburg wistra 2014, 79 sowie auf diverse Kommentare - hierzu LR-Wickern, StPO, § 178 GVG Rz. 15; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 178 GVG Rz. 3, AnwK-StPO-Püschel, StPO, § 178 GVG Rz. 3; Kissel-Mayer, GVG, 7. Aufl., § 178 Rz. 15, SK-StPO/Velten, StPO, § 178 GVG Rz. 4.

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. Januar 2015, Az. 2 Ws 448/14


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