Weiterempfehlungsfunktion von Amazon ist wettbewerbswidrig
Mit Urteil vom 9. Juli 2015 hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden, dass ein Händler, der über den Marketplace des Internetanbieters Amazon Produkte anbietet, auch für solche Rechtsverletzungen haftet, die ohne sein Verschulden durch die Plattform selbst begangen worden sind. In diesem Sinne hat das Berufungsgericht geurteilt, dass die von Amazon eingesetzte Weiterempfehlungsfunktion gegen § 7 Abs. 2 Nr.3 UWG verstößt und damit wettbewerbswidrig ist. Der Wettbewerbsverstoß sei bereits dann begründet, wenn die Funktion überhaupt angeboten wird, so dass es auf eine konkrete Funktionsweise nicht mehr ankommt. Wirbt der Anbieter darüber hinaus mit einem TÜV-Siegel, muss das Siegel auch zum Zeitpunkt der Werbemaßnahme tatsächlich vorliegen. Insoweit sei es nach Auffassung der Richter nicht ausreichend, wenn das Zertifikat zu einem späteren Zeitpunkt vom TÜV ausgestellt wird. Außerdem liegt eine bewusste Täuschung des Verbrauchers und folglich eine Irreführung vor, wenn ein Produkt mit Bildern beworben wird, obwohl der Umfang des Angebots nicht alle dargestellten Objekte enthält.
Bei den Parteien handelte es sich um Händler von Sonnenschirmen, die ihre Produkte über das Internet vermarkten. Am 6. August 2014 hat die Verfügungsbeklagte über die Internetplattform Amazon mehrere Sonnenschirme zum Kauf angeboten. Über ihren Anwalt mahnte die Verfügungsklägerin sie am 11. August 2014 im Hinblick auf zwei Angebote ab. Dem Schreiben war auch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung beigefügt. Diese wurde jedoch von der Verfügungsbeklagten nicht abgegeben. Daraufhin hat das Landgericht Arnsberg am 25. August 2014 gegen die Verfügungsbeklagte eine Beschlussverfügung erlassen. Dagegen legte sie fristgerecht Widerspruch ein.
Das OLG Hamm hat auf die Berufung jedoch entschieden, dass die Anträge der Verfügungsklägerin allesamt begründet gewesen sind. Der Anspruch auf Unterlassung ergab sich vorliegend gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 UWG. Die streitgegenständlichen Angebote, die die Verfügungsbeklagte über den Internet-Marktplatz Amazon dem Verbraucher zur Verfügung stellt, sind als geschäftliche Handlungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG zu qualifizieren. Die Verfügungsbeklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass sie aufgrund der internen Regelungen von Amazon gar keinen Einfluss auf die beanstandeten Offerten hätte nehmen können. Dieser Einwand konnte den Senat jedoch nicht überzeugen. Wer auf der Internetplattform tätig wird und sich dementsprechend den Bedingungen von Amazon unterwirft, muss sich das eigene Handeln zurechnen lassen. Es obliege seinem Verantwortungsbereich, die einzelnen Funktionen im Hinblick auf einen möglichen Wettbewerbsverstoß zu kontrollieren. Dies gelte unabhängig davon, welchen Umfang und welche Anzahl die Tätigkeit tatsächlich einnimmt.
Stellt der Anbieter einen möglichen Wettbewerbsverstoß fest, ist er dazu verpflichtet, Amazon darüber zu informieren oder die beanstandete Werbemaßnahme einzustellen. Dieser Verpflichtung sei die Verfügungsbeklagte in dem vorliegenden Fall nicht nachgekommen. Sie habe auch nicht vortragen können, inwieweit und wann sie vor der Rechtsverletzung tätig wurde.
Das OLG Hamm Comte dementsprechend zu der Einschätzung, dass die Verfügungsbeklagte unlauter im Sinne von § 8 Abs. 1 UWG gehandelt hat. Sie habe über die Plattform Sonnenschirme mit einem TÜV-Siegel beworben, ohne eine Genehmigung im Sinne des Nr. 2 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG zu haben.
Ferner stelle die von der Verfügungsbeklagten eingebaute Weiterempfehlungsfunktion eine unzumutbare Belästigung gemäß § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG dar. Dies gehe bereits daraus hervor, dass der Adressat dem Versand einer entsprechenden E-Mail nicht zugestimmt hat. Da sie ihre Sonnenschirme auch mit Betonplatten beworben hat, die zur Beschwerung des Ständers verwendet werden, ohne dass diese zum Lieferumfang gehören, hat sie den Verbraucher auch getäuscht. Dementsprechend sei die Werbung irreführend nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG. Es werde ein anderer Eindruck vermittelt als das Angebot tatsächlich umfasst. Die Wiederholungsgefahr, die im einstweiligen Rechtschutzverfahren unbedingt vorliegen muss, ergebe sich nach Auffassung der Richter bereits deswegen, weil die Verfügungsbeklagte tatsächlich gegen die Rechtsordnung verstoßen hat.
OLG Hamm, Urteil vom 09.07.2015, Az. I-4 U 59/15