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Wann darf sich ein Rechtsanwalt "Spezialist" nennen?


Wann darf sich ein Rechtsanwalt "Spezialist" nennen?

Am 24.07.2014 hat der Bundesgerichtshof unter dem Aktenzeichen I ZR 53/13 das Urteil in einer Revisionssache über einen wettbewerbsrechtlichen Untersagungsanspruch verkündet. Die Rechtsanwaltskammer Freiburg hatte gegen einen ihr angeschlossenen Rechtsanwalt geklagt, weil dieser in einer ihrer Ansicht nach wettbewerbswidrigen Weise um die Aufmerksamkeit von Personen, die Rechtsrat benötigten, warb. Auf den Kopfbögen, die in der Kanzlei, die der Beklagte gemeinsam mit zwei Kollegen führte, verwendet wurden, hatte er unter seinem Namen und seiner Berufsbezeichnung den Zusatz „ Spezialist für Familienrecht“ drucken lassen. Bei den beiden anderen Rechtsanwälten war jeweils ein Hinweis auf deren besondere Qualifikation als Fachanwalt zu lesender Beklagte ist nicht befugt, den von der Rechtsanwaltskammer verliehenen Titel eines „Fachanwalts für Familienrecht“ zu führen. Er hat die dafür laut Fachanwaltsordnung erforderliche Prüfung nicht abgelegt, der Klägerin seine Berufserfahrungen nicht dargelegt und die verlangten Gebühren nicht entrichtet. Trotzdem behauptet der Beklagte, dass er aufgrund einer langjährigen Berufserfahrung mit zahlreichen Erfolgen über Sachkenntnisse und Erfahrungen verfügt, die den für den Fachanwaltstitel nachzuweisenden entsprechen.

Die Klägerin sieht in der Verwendung des inhaltlich dem Begriff des Fachanwalts ähnelnden Begriffes des Spezialisten einen Verstoß gegen § 4 Absatz 11 UWG, da hier die Gefahr bestehe, dass Rechtssuchende einem Irrtum über die Bedeutung des jeweils verwendeten Wortes unterliegen. Nach allgemeiner Verkehrsanschauung könne nicht unterstellt werden, dass ein normal informierter, aufmerksamer Rechtssuchender wisse, dass die Bezeichnung „Spezialist“ nur eine Selbsteinschätzung wiedergebe, während der Titel „Fachanwalt“ nachgewiesenes Fachwissen voraussetze. Der Beklagte weigerte sich, die Verwendung der von der Klägerin beanstandeten Bezeichnung zukünftig zu unterlassen. Daraufhin erhob die Klägerin Klage und erstritt ein Unterlassungsurteil. Dessen Berufung wurde vom Oberlandesgericht zurückgewiesen. Auf die hiergegen beim Bundesgerichtshof eingereichte Revision hin hoben die Richter das Urteil auf und verwiesen die Sache zu weiterer Sachverhaltsermittlung an das Oberlandesgericht zurück.

Die Richter am Bundesgerichtshof schließen sich in ihrer Urteilsbegründung zunächst der Ansicht des Berufungsgerichts an, dass die Vorschriften des § 43 b der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und des § 7 Absatz 2 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) als Marktverhaltensregeln gemäß § 4 Ziffer 11 UWG anzusehen sind. Das ergibt sich aus der Tatsache, dass die Regelungen, die Eigenwerbung von Rechtsanwälten betreffen, dem Schutz der Allgemeinheit vor Nachteilen durch falsche Einschätzung der jeweiligen Qualifikation dieser Anwälte dienen. Gleichzeitig weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass die Vorschriften auch mit der durch Artikel 12 GG geschützten allgemeinen Berufsfreiheit, die auch zugunsten von Rechtsanwälten gilt, vereinbar bleiben müssen. Eine unverhältnismäßige Benachteiligung durch Verbote wahrheitsgemäßer Eigenwerbung widerspricht darüber hinaus europäischen Rechtsverordnungen. Auch in den berufsrechtlichen Vorschriften für Rechtsanwälte sind neben dem geschützten Titel eines Fachanwalts für ein bestimmtes Rechtsgebiet andere Formen der Heraushebung von Erfahrungswissen in einzelnen Bereichen als zulässig vorgesehen. Ursprünglich war eine feste Bezeichnung in der Abfolge „Interessenschwerpunkt – Tätigkeitsschwerpunkt“ eingeführt worden, die sich jedoch in der Praxis nicht bewährt hat, so dass nach aktueller Rechtslage die Bezeichnungen frei gewählt werden können. Grundsätzlich hängt die Zulässigkeit eines Werbens mit der Bezeichnung „Spezialist für Familienrecht“ also nur davon ab, ob tatsächlich entsprechendes Spezialistenwissen vorhanden ist.

Der Bundesgerichtshof sieht allerdings die grundsätzlich bestehende Möglichkeit, trotz wahrheitsgemäßer Angabe hinsichtlich der Spezialisierung dennoch den Verkehr zu täuschen. Das wäre dann der Fall, wenn ein durchschnittlich informierter, aber aufmerksamer Rechtssuchender irrtümlich glauben müsste, dass der „Spezialist“ die für den „Fachanwalt“ vorgesehene Prüfung absolviert hätte. Grundsätzlich dürften Rechtssuchende ohne Spezialinformationen jedoch einfach davon ausgehen, dass beide Anwälte über nahezu identische Fachkenntnisse verfügen. Deshalb hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass gegen die Bezeichnung als „Spezialist“ dann kein Unterlassungsanspruch gegeben ist, wenn der Verwender nachweisen kann, dass er über die Fähigkeiten verfügt, die der „Fachanwalt“ zur Erlangung seines Titels nachweisen musste. In einem solchen Fall seien die Interessen der rechtssuchenden Verbraucher nämlich nicht gefährdet, weil sie unter beiden Bezeichnungen einen besonders erfahrenen und qualifizierten, auf Familienrecht spezialisierten Anwalt antreffen.

BGH, Urteil vom 24.07.2014, Aktenzeichen I ZR 53/13


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