Vorschlag auf beidseitigem Verzicht auf Unterlassungsansprüchen stellt kein Rechtsmissbrauch dar
Abgefeuerte Patronen und gesprochene Wörter haben eines gemeinsam: Sie lassen sich nicht zurücknehmen, sobald sie erst einmal abgegeben worden sind. Das dachte sich auch die Beklagte eines Rechtsfalles, die auf das Angebot einer abmahnenden Mitbewerberin nicht eingehen wollte und stattdessen die Mitbewerberin selbst abmahnte.
Wenn du mich abmahnst, mahne ich dich ab
Die Beklagte ist - wie die Antragsstellerin auch - gewerblich auf dem Gebiet des Einzelhandels mit Braut- und Abendmode tätig. Am 25. Dezember 2012 erhielt sie von der Antragsstellerin eine strafbewährte Unterlassungserklärung, weil sie diverse Wettbewerbsverstöße begangenen haben soll. Daraufhin schaute sich die Beklagte das Angebot der abmahnenden Kontrahentin genauer an und stellte ihrerseits Wettbewerbsverstöße fest. Am 18. Januar 2013 mahnte sie dann die Mitbewerberin ab.
Die Abmahnerin sucht plötzlich Frieden mit der wehrhaften Abgemahnte
Wahrscheinlich überrascht von der neuen Entwicklung bemühte sich die Antragsstellerin um eine Beschwichtigung und ließ der Beklagten im Interesse des Rechtsfriedens am 21. Januar 2013 ein Schreiben zukommen. Dort erklärte sie sich bereit, auf ihre Unterlassungsansprüche aus ihrem Schreiben vom 25. Dezember zu verzichten, sofern die Beklagte sich ihrerseits bereit erklären würde, von ihren Unterlassungsansprüchen aus dem Schreiben vom 18. Januar abzusehen. Die Beklagte ließ sich aber auf das Angebot nicht ein - im Gegenteil. Sie antwortete, dass für sie das Angebot "in keiner Weise akzeptabel" sei. Enttäuscht von der Antwort der Beklagten zog die Antragsstellerin vor dem Landgericht Bremen und erwirkte entsprechend ihres Schreibens vom 25. Dezember erfolgreich eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagte.
Vor demselben Gericht machte dann auch die Beklagte selbst ihre Unterlassungsansprüche gemäß ihrem Schreiben vom 18. Januar erfolgreich geltend - allerdings gab das Gericht dem Antrag der Beklagten nur in vier von insgesamt fünf Punkten statt. Den Punkt des Rechtsmissbrauches durch die Antragsstellerin in deren eigenen Verfahren (wo die Beklagte verurteilt wurde) verneinte das Landgericht.
OLG Bremen: kein Rechtsmissbrauch durch die Antragsstellerin ersichtlich
Nun rief sie das Oberlandesgericht Bremen an, um den Rechtsmissbrauch durch die Antragsstellerin gerichtlich feststellen zu lassen. Doch das Gericht machte schon vornherein seine Absicht klar, einen Rechtsmissbrauch durch die Antragsstellerin verneinen zu wollen, weshalb die Beklagte letztlich ihre Berufung auch zurückzog. Ein Rechtsmissbrauch im Sinne des §8 Absatz 4 UWG durch Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen liegt dann vor, wenn "das beherrschende Motiv des Mitbewerbers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde, für sich nicht schützenswerte Ziele sind". Darunter fallen beispielsweise Versuche, durch Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen die (Unterlassungs-)Ansprüche eines Gegners "abzukaufen". Dass von einem Abkaufen vorliegend nicht die Rede sein kann, "zeigt sich bereits daran, dass sie (die Antragsstellerin, Anmerkung) als erste die Beklagte wegen verschiedener Wettbewerbsverstöße abmahnte". Das Schreiben der Antragsstellerin vom 21. Januar 2013 zeuge vielmehr von deren Bestreben, eine "pragmatische Lösung mit dem Ziel, ein beiderseitiges künftiges wettbewerbskonformes Verhalten zu erreichen".
OLG Bremen, Beschluss vom 1.7.13, Az. 2 U 44/13