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Verstöße gegen Unterlassungspflicht als natürliche Handlungseinheit


Verstöße gegen Unterlassungspflicht als natürliche Handlungseinheit

Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Beschluss vom 17.12.2020 klargestellt, dass wiederholte Verstöße gegen eine Unterlassungsverpflichtung im Ordnungsverfahren unter dem Gesichtspunkt einer natürlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden können. Erforderlich hierfür ist, dass die Verstöße aufgrund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen. Allerdings können nur solche Verhaltensweisen zusammengefasst werden, die gegen dasselbe gerichtliche Verbot verstoßen. Eine Ausnahme hiervon ist zu machen, wenn bei natürlicher Betrachtungsweise angenommen werden kann, dass der Schuldner jeweils einen neuen Entschluss zum Verstoß gegen eine titulierte Unterlassungsverpflichtung gefasst hat oder ein bereits gefassten Entschluss bewusst bekräftigt worden ist, denn dies spricht für die Annahme von mehreren Zuwiderhandlungen.

Hintergrund
Die Gläubigerin betreibt aus einem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30. Januar 2017 die Zwangsvollstreckung. Darin wurde die Schuldnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, im Hinblick auf ihre Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Vermittlung von Studienplätzen, insbesondere im Ausland, unter anderem mit bestimmten Aussagen zu werben. In der Folgezeit kam es allerdings mehrfach zur Verletzung dieser Pflichten durch verschiedene E-Mail-Versendungen. Nun stellte sich die Frage, ob jeder Verstoß einzeln mit einem Ordnungsgeld zu bestrafen war oder ob vielmehr eine natürliche Handlungseinheit vorlag, sodass nur eine Tat gegeben wäre.

Entscheidend sind stets die konkreten Umstände des Einzelfalles
Nach Auffassung des Senats können die Verhaltensweisen der Schuldnerin zumindest nicht nach den Grundsätzen über den Fortsetzungszusammenhang bewertet werden, nachdem dieses Rechtsinstitut in der Vergangenheit bereits aufgegeben bzw. für unanwendbar erklärt worden war. Es gelte jedoch die sogenannte natürliche Handlungseinheit. Entscheidend für das Vorliegen einer solchen seien die konkreten Umstände der Tat. Es müssten alle Umstände berücksichtigt werden, die es angemessen erscheinen lassen, bei wiederholten Verstößen nicht das Vielfache der für eine einzelne Zuwiderhandlung als angemessen erachteten Sanktion zu verhängen. Hierbei haben die Richter darauf hingewiesen, dass im Zivilrecht und in der Zwangsvollstreckung mehrere - auch fahrlässige - Verhaltensweisen unter dem Gesichtspunkt einer natürlichen Handlungseinheit als eine Tat angesehen werden können. Diese müssen allerdings aufgrund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sein, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen.

BGH: teilweise eine Handlungseinheit, teilweise mehrere Taten
Die Richter waren sich einig, dass jedenfalls eine natürliche Handlungseinheit in den Fällen vorliege, in denen die Nachrichten innerhalb kürzester Zeit versendet worden waren. Diese inhaltlich übereinstimmenden E-Mails waren nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts innerhalb eines Abstands von nur 19 Sekunden an zwei verschiedene Interessentinnen versandt worden. Bei nahezu zeitgleich versandten E-Mails identischen Inhalts begegne die Beurteilung des Beschwerdegerichts, es handele sich bei natürlicher Betrachtungsweise um ein einheitliches Tun, keinen Bedenken, so die Richter. Auf die Frage, ob der stellvertretende Direktor der Schuldnerin mehrere E-Mails gleichen Inhalts versandt habe, wie die Gläubigerin behauptet habe, oder ob eine automatische Generierung stattgefunden habe, wie von der Schuldnerin vorgetragen worden war, komme es angesichts dieses engen zeitlichen Zusammenhangs nicht an.

Mehrerer Verstöße nach Zustellung des ersten Ordnungsmittelantrags
Letztendlich war eine natürliche Handlungseinheit jedoch nicht generell anzunehmen. Indem der Schuldnerin am 28. Mai 2018, also zwischen dem 13. April 2018 und dem 29. Juni 2018, der erste Ordnungsmittelantrag der Gläubigerin zugestellt worden war, habe die Schuldnerin danach zwangsläufig erneut eine Entscheidung darüber treffen müssen, ob sie das ihr verbotene Verhalten - unverändert - fortsetzt. Weil die Schuldnerin zeitlich danach am 29. Juni 2018 weitere Werbe-E-Mails mit den verbotenen Inhalten an Studieninteressenten versandt habe, sei hiervon auszugehen und zu Recht in diesem Fall mehrere Verstöße anzunehmen.

Zusammenfassend:
Aus dem Urteil ergeht damit ein wesentliches Abgrenzungskriterium um zu entscheiden, ob eine natürliche Handlungseinheit oder mehrere Handlungen angenommen werden müssen: Kann bei natürlicher Betrachtungsweise angenommen werden, dass der Schuldner jeweils einen neuen Entschluss zum Verstoß gegen eine titulierte Unterlassungsverpflichtung gefasst oder einen bereits gefassten Entschluss bewusst bekräftigt hat, spricht dies gegen das Vorliegen einer natürlichen Handlungseinheit und für die Annahme von mehreren Zuwiderhandlungen. Eine natürliche Handlungseinheit setzt voraus, dass die Verstöße aufgrund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen.


Bundesgerichtshof, Beschluss vom 17.12.2020, Az. I ZB 99/19


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