Verletzung der handelsrechtlichen Publizität kann Wettbewerbsverstoß sein
In einer am 31.08.2016 unter dem Aktenzeichen 1 O 205/16 verkündeten Entscheidung hatte sich das Landgericht Bonn mit den wettbewerbsrechtlichen Schutzfunktionen von Marktverhaltensregeln, hier der §§ 325 ff HGB, zu befassen und letztendlich klargestellt, dass eine Nichterfüllung der Publizitätspflicht einen Wettbewerbsverstoß gem. § 3a UWG darstellt.
Der Sachverhalt
Dieser Entscheidung lag ein Streit zwischen zwei Unternehmen zugrunde. Die Verfügungsklägerin vertreibt national und international ein Vakuum- und Dampfreinigungssystem für Luft und Raum; die Verfügungsbeklagte vertreibt weltweit Haushaltsprodukte, insbesondere Wasserfilter, Dampfreinigungsgeräte sowie Wasserstaubsauger. Im Jahre 2014 kam die Verfügungsbeklagte der ihr obliegenden sich aus den Vorschriften der §§ 325ff HGB ergebenden Publizitätspflichten nicht nach. Aus diesem Grund ließ die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte mit Anwaltsschreiben vom 06.06.2014 abmahnen und forderte zugleich die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Nachdem die Verfügungsbeklagte hierauf nicht regiert hatte, begehrte die Verfügungsklägerin beim Landgericht Bonn die Verurteilung der Verfügungsbeklagte, ihrer Publizitätspflicht nachzukommen; widrigenfalls die Zahlung eines festzusetzenden Ordnungsgeldes bzw. Ordnungshaft für jeden Fall der Zuwiderhandlung. In diesem Zusammenhang vertrat die Verfügungsbeklagte die Auffassung, dass den §§ 325 ff HGB keine wettbewerbsrechtliche Schutzfunktion zukäme.
Die Entscheidung des Landgerichts Bonn
Das Landgericht Bonn bejahte einen wettbewerbsrechtlichen Abwehranspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG. In diesem Zusammenhang stellte das erkennende Gericht zunächst klar, dass es sich bei den Vorschriften der §§ 325 ff HGB um sog. Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG handelte. Eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 3a UWG läge dann vor, wenn die betreffende Norm nicht nur dem Schutz der Allgemeinheit, sondern auch dem Schutz der Marktteilnehmer diente. Hierbei soll es aber nicht alleine ausreichend sein, dass sich eine solche Norm lediglich reflexartig zugunsten der Marktteilnehmer auswirken würde. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dient eine Norm dann dem Schutz der Marktteilnehmer, wenn diese die Freiheit ihrer wettbewerblichen Entfaltung schützt. Hieraus folgert das erkennende Gericht überzeugend, dass die §§ 325 ff HGB neben dem sog. Funktionsschutz des Marktes gleichzeitig dem sog. Individualschutz der jeweiligen Marktteilnehmer dienten. Die Einhaltung der Publizitätspflichten diente insoweit nicht nur dem Schutz der Gläubiger, sondern auch dem Schutz der Mitbewerber. Auch diese hätten nämlich regelmäßig ein Interesse daran, einen Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse der übrigen Marktteilnehmer zu erhalten. Zur weiteren Begründung beruft sich das Landgericht Bonn auf die Gesetzesmaterialien zum Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz von 1999, welche die Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts stützt. Nach Auffassung des Landgerichts Bonn war somit von dem Gesetzgeber der §§ 325 ff HGB von vorneherein auch ein Schutz der Mitbewerber gewollt. Da somit die §§ 325 ff HGB Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG darstellen, ermöglicht somit eine Verletzung der Publizitätspflichten eine Klage nach dem UWG. Bereits durch die Nichterfüllung der Publizitätspflichten seitens der Verfügungsbeklagten wird eine spürbare Beeinträchtigung der Interessen der Verfügungsklägerin bzw. der übrigen Marktteilnehmer indiziert. Da auch der Verfügungsgrund gem. § 12 Abs. 2 UWG zu bejahen war, gab das Landgericht Bonn dem Verfügungsantrag der Verfügungsklägerin in vollem Umfang statt. Die vorstehende Entscheidung ist ein sehr gutes Beispiel einer gelungenen Auslegung einer Norm hinsichtlich ihrer Eigenschaft als eine Marktverhaltensregelung.
LG Bonn, Urteil vom 31.08.2016, Az. 1 O 205/16