Verjährungsbeginn bei nachgeforderter Umsatzsteuer und Zinsen
Das Landesgericht Braunschweig entschied mit Urteil vom 23.05.2018, dass Nachforderungen der Umsatzsteuer, die auf einem Urteil des Bundesfinanzhofes vom 21.12.2016 (Az. XI R 27/14) fußen, mittlerweile verjährt seien. Im Urteil hatte der Bundesfinanzhof zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Abmahnungen Stellung genommen. Im Übrigen unterliegen wettbewerbsrechtliche Abmahnkosten einer kurzen Verjährungsfrist von 6 Monaten.
Anspruch auf Umsatzsteuer und Zinsen aus Abmahnkosten?
Aufgrund verschiedener Wettbewerbsverstöße mahnte die Klägerin die Beklagte ab. Im anschließenden einstweiligen Verfügungsverfahren verpflichtete sich die Beklagte, die Nettoanwaltsgebühren zu begleichen. Im Dezember 2016 nahm der Bundesfinanzhof (BFH) zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Abmahnkosten Stellung. Aufgrund dessen war die Klägerin der Auffassung, dass ihr auch die diesbezügliche Umsatzsteuer zuzüglich Zinsen zustehen würde. Die Beklagte berief sich auf Verjährung.
Kurze wettbewerbsrechtliche Verjährungsfrist
Das Landgericht Braunschweig erachtete den Anspruch als verjährt. Abmahnkosten und der dazugehörige Zinsanspruch unterlägen der kurzen wettbewerbsrechtlichen Verjährungsfrist von 6 Monaten. Diese Frist sei bereits abgelaufen.
Kein späterer Verjährungsbeginn aufgrund unsicherer oder zweifelhafter Rechtslage
Zwar wurde die Entscheidung des Bundesfinanzhofes erst nach Beendigung des ursprünglichen Rechtsstreits veröffentlicht. Dies führe aber nicht zu einem späteren Beginn der Verjährung, so das Gericht. Denn nur ausnahmsweise könne Rechtsunkenntnis den Verjährungsbeginn hinausschieben. Dies gelte insbesondere, wenn eine unsichere oder zweifelhafte Rechtslage vorliege, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. Denn in diesen Fällen fehle es an der Zumutbarkeit der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruches und damit an der Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. Nach Meinung des Gerichts lag eine solche zweifelhafte Rechtslage jedoch nicht vor. Denn der BFH hatte bereits in einer früheren Entscheidung festgestellt, dass Abmahnkosten eine Entgeltforderung darstellen. Die jetzige Entscheidung knüpfe konsequent an die frühere Entscheidung des BFH an.
Rechtliche Wirkung der praktischen Nichtbeachtung
Auch der Umstand, dass die Entscheidung des BFH bislang im Wettbewerbsrecht keine Beachtung fand, hindere nicht den Verjährungsbeginn. Seit der früheren Entscheidung des BFH bestand eine hinreichende Aussicht, auch Ansprüche auf Erstattung der Umsatzsteuer für Abmahnkosten zu verfolgen. Dies sei zudem mit einem äußerst geringen Risiko verbunden gewesen.
Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte
Nach Meinung des Gerichts habe aber trotzdem Beklagte die Kosten der Hauptsache zu tragen. Denn die ursprünglich durch die Klägerin geltend gemachte Hauptforderung sei zulässig und begründet gewesen. Diesen Betrag habe die Beklagte bezahlt und somit Erledigung herbeigeführt. Der Eintritt der Verjährung habe grundsätzlich keine Auswirkungen auf Bestehen oder Durchsetzbarkeit eines Anspruches. Der Schuldner sei ab Verjährungseintritt lediglich berechtigt gewesen, dauerhaft die Leistung zu verweigern. Somit könne der Anspruch gegen ihn nicht mehr durchgesetzt werden. Erhebt aber der Beklagte die Einrede der Verjährung erstmals während des Prozesses, werde hierdurch die Anspruchsdurchsetzung des Klägers gehindert. Dadurch werde die ursprünglich zulässig und begründete Klage unbegründet. Erst diese Tatsache und nicht bereits der Eintritt der Verjährung führe zur sachlichen Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Berufung wurde zugelassen
Trotz eines geringen Streitwertes wurde die Berufung zugelassen, da der Rechtsstreit grundsätzliche Fragen aufwirft. Zum einen sei zu klären, ob die Rechtsprechung des BFH auch gilt, wenn der Abmahnende vorsteuerabzugsberechtigt ist. Zum anderen sei zu untersuchen, ob Abmahnkosten und ggf. die zusätzlich anfallende Umsatzsteuer dem erhöhten Zinssatz als Entgeltforderung unterliegen.
Landgericht Braunschweig, Urteil vom 23.05.2018, Az. 9 O 2167/17