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Verbot von Lockvogelangeboten in Online-Shops

OLG Hamm, Urteil vom 11.08.2015, Aktenzeichen 4 U 69/15


Verbot von Lockvogelangeboten in Online-Shops

Das Oberlandesgericht Hamm hat am 11.08.2015 zum Aktenzeichen 4 U 69/15 ein Urteil in einem wettbewerbsrechtlichen Verfügungsverfahren verkündet.
Sowohl die Verfügungsklägerin als auch der Verfügungsbeklagte handeln im Internet mit Elektrofahrrädern. Daneben haben beide Parteien jeweils auch noch weitere Waren im Angebot. Der Verfügungsbeklagte betreibt einen Online-Shop neben einem stationären Ladengeschäft. Die Verfügungsklägerin ist ausschließlich als Online-Händlerin tätig.
Auslöser für den Rechtsstreit war ein Angebot des Verfügungsbeklagten, der im Rahmen seines Internetauftritts Elektrofahrräder einer konkret bestimmten Marke, Modell 2014, in verschiedenen, zur Auswahl stehenden Rahmengrößen zum Kauf anbot. Die Verfügungsklägerin beauftragte einen Testkäufer, der beim Verfügungsbeklagten daraufhin eines der beworbenen Elektrofahrräder bestellte. Nach dem Absenden der Bestellung erhielt der Testkäufer die Mitteilung, dass nur noch wenige Exemplare auf Lager seien und dass die Lieferung in „ca. 2 – 4 Werktagen“ erfolgen werde. Am 03.12.2014 wurde dem Testkäufer von Seiten des Verfügungsbeklagten eine Bestellbestätigung übermittelt, in der er gleichzeitig zur Überweisung des Kaufpreises aufgefordert wurde, da er Vorkasse als Bezahlverfahren gewählt hatte. Das bestellte Elektrofahrrad stand bei dem Beklagten zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr zur Verfügung. Das letzte Modell war bereits verkauft und am 02.12.2015, also am Tag vor der Bestellbestätigung, vollständig bezahlt worden. Der Testkäufer wurde erst am Nachmittag des 03.12.2015 per E-Mail darüber unterrichtet, dass das von ihm bestellte Fahrrad nicht mehr geliefert werden konnte. Die Verfügungsklägerin erteilte dem Beklagten daraufhin eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung, weil er in seinem Online-Shop Ware angeboten hatte, die in seinem Lager gar nicht mehr vorhanden war. Es habe sich um „Lockvogelwerbung“ gehandelt, die unlauter gewesen sei und deshalb gegen die Vorschriften des „Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb“ (UWG) verstoßen habe.
Der Verfügungsbeklagte war nicht bereit, die verlangte Unterlassungserklärung abzugeben. Er sei wegen des technischen Aufwands nicht in der Lage gewesen, das Angebot sofort nach Verkauf des letzten Fahrrades aus dem Netz zu nehmen. Die Verfügungsklägerin beantragte daraufhin bei der Kammer für Handelssachen am Landgericht Bochum den Erlass einer einstweiligen Verfügung, durch die der Verfügungsbeklagte zur Unterlassung des beanstandeten Werbeverhaltens verurteilt werden sollte. Die einstweilige Verfügung erging antragsgemäß. Nach dem Widerspruch des Verfügungsbeklagten trat das Gericht ins Hauptsacheverfahren ein und bestätigte die einstweilige Verfügung durch Urteil. Gegen dieses Urteil legte der Verfügungsbeklagte Berufung bei dem zuständigen Oberlandesgericht Hamm ein.

Die Berufung wurde vom Oberlandesgericht Hamm zurückgewiesen. Die Richter des 4. Senats am Oberlandesgericht Hamm gingen davon aus, dass das Verbot der „Lockvogelwerbung“, die auf einer Täuschung des Verbrauchers über das tatsächliche Vorhandensein der zu günstigen Konditionen angebotenen Ware beruht, nicht nur für den stationären Handel, sondern auch für Online-Händler gilt. Der durchschnittliche Verbraucher vertraut nicht nur darauf, dass er in einem Ladengeschäft die Ware finden wird, für die der Geschäftsinhaber gerade Werbung macht. Er vertraut auch darauf, dass Ware, die im Internet angeboten wird, sich tatsächlich im Lager des Händlers befindet und innerhalb der von diesem genannten Lieferfristen abgeschickt werden kann. Das Oberlandesgericht Hamm weist sogar darauf hin, dass das Vertrauen in die Verfügbarkeit von Ware, die online angepreist wird, noch größer ist als das Vertrauen in die Vorratshaltung des Geschäftsinhabers, weil moderne Verbraucher davon ausgehen, dass der Onlinehändler die Möglichkeiten der Technik nutzt, um nicht mehr vorhandene Ware automatisch auszublenden.
Das Fehlen der besonderen Schwellenproblematik spricht nicht gegen die Anwendung der „Lockvogelangebots“-Regelungen im Internet. Der Internetkäufer muss zwar keine Schwelle überwinden, wenn er sich zum Laden begibt und diesen betritt. Bei verschiedenen Zahlverfahren muss der Internetkäufer jedoch schon Leistungen erbringen, bevor er möglicherweise erfährt, dass die von ihm gewünschte Ware gar nicht mehr verfügbar ist. In dieser Situation dürfte er ähnlich schnell bereit sein, ein Ersatzgeschäft zu akzeptieren, wie der Käufer, der sich geniert, den Laden wieder zu verlassen, ohne etwas gekauft zu haben.

OLG Hamm, Urteil vom 11.08.2015, Aktenzeichen 4 U 69/15


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