Verbot einer konkreten Verletzungsform
Mit Urteil vom 16. Oktober 2014 hat das OLG Frankfurt am Main entschieden, dass ein Gericht in einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren nur in solchen Fällen über ein Verbot von konkreten Verletzungshandlungen entscheiden kann, wenn diese Beanstandungen in dem Prozess auch von der Antragstellerin vorgetragen worden sind. Stützt die Antragstellerin ihre Beanstandungen auf nachgeschobenen Gründe, kann die Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ebenfalls vorliegen. Voraussetzung ist, dass die Antragstellerin von den nachgeschobenen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt, nämlich im laufenden Prozess, Kenntnis erlangt hat.
Damit hat das OLG Frankfurt am Main die Berufung der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Diese hatte sich gegen das erstinstanzliche Urteil vor dem Landgericht Frankfurt am Main zu wehren versucht. Zwar hatte die Antragsgegnerin ihre Berufung noch damit begründet, dass das vom Landgericht Frankfurt ausgesprochene Urteil vom Verfügungsantrag des Antragstellers abweiche, so dass das von ihm geltend gemachte Begehren gar nicht umfasst gewesen sei.
Dagegen hat das OLG Frankfurt eingewendet, dass vom Landgericht bereits eine konkrete Verletzungsform ergänzt worden ist, und somit der Verfügungsbeschluss, datiert auf den 4. Februar 2014, vom Gericht erweitert worden ist. Im Übrigen habe die Entscheidung jedoch auf dem Antrag beruht. Dieses Vorgehen verstieß vorliegend auch nicht gegen die Dispositionsmaxime. Nach diesem Grundsatz dürfen Gerichte nur darüber entscheiden, was von den Parteien beantragt worden ist. Dementsprechend darf sich ein Gericht bei der Entscheidung grundsätzlich nur auf Beanstandungen stützen, die entweder vom Kläger oder vom Antragsteller im Verfahren zur Begründung genannt wurden. Nach Auffassung des OLG Frankfurt hat die Vorinstanz die Dispositionsmaxime jedoch gewahrt.
Das Landgericht Frankfurt hatte seine Entscheidung und somit den Irreführungsvorwurf damit begründet, dass sich eine konkrete Verletzungshandlung daraus ergibt, dass bei Kunden die irrtümliche Vorstellung erweckt werde, dass er auf der Internetseite der Antragsgegnerin Kreuzfahrten auf mehreren hundert Schiffen buchen könne, wobei die Schnellsuche dafür maßgeblich sei. Damit hatte die Antragstellerin ihr Unterlassungsbegehren im Schriftsatz vom 1. April 2014 begründet. Erstmals hatte sich die Antragsgegnerin in ihrer Widerspruchsbegründung darauf berufen, dass Buchungsanfragen über ihre Homepage auch ohne die Nutzung der Schnellsuche möglich seien. Somit konnte eine rechtliche Auseinandersetzung auch erst zu diesem Zeitpunkt erfolgen.
Das OLG Frankfurt sah die beanstandete Werbung mit der Vorinstanz auch als irreführend im Sinne des § 5 UWG an. Durch den Gesamtinhalt der Homepage werde bei einem Kunden der Eindruck erweckt, dass eine Kreuzfahrt "auf mehr als 400 Schiffen" über die Schnellsuche gebucht werden muss. Dies sei für den aufmerksamen Nutzer deswegen nahe liegend, da der Button "Schnellsuche" von der Antragstellerin auf der Homepage derart hervorgehoben worden ist, dass er in einem innerlichen Kontext zu der beanstandeten Verletzungshandlung stand. Aus der Werbung gehe jedenfalls keine konkrete Möglichkeit hervor, dass die Buchungsanfrage auch unabhängig von der Schnellsuche abgeschlossen werden könne, so die Auffassung des Gerichts.
Durch die Verbindung der Anzahl der Kreuzfahrtschiffe mit der Schnellsuche ist der Kunde auch relevant irregeführt worden. Aufgrund der hohen Anzahl an buchbaren Kreuzfahrtschiffen wurde die Entscheidung des Nutzers maßgeblich beeinflusst. Das OLG Frankfurt hat in seiner Entscheidung auch keine Bedenken, dass die Vorinstanz das Verbot modifiziert hat. Schließlich hat auch die Antragstellerin während des Widerspruchsverfahrens ihr Begehren erweitert, so dass auch darüber zu entscheiden gewesen ist. Es war vorliegend auch nicht zu berücksichtigen, ob es der Antragstellerin möglich gewesen wäre, die Werbung daraufhin zu überprüfen, ob die Kreuzfahrtschiffe auch außerhalb der Schnellsuche gebucht werden konnten. Insoweit entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass den Verletzten keine Marktbeobachtungspflicht trifft. Er ist somit nicht verpflichtet, die vermeintliche Verletzung selbst und unter Beachtung aller rechtlichen Grundsätze zu prüfen. Erhält der Verletzte von der Verletzung jedoch positive Kenntnis, besteht jedenfalls ein Anlass, um gegen die Verletzungshandlung tätig zu werden. Dasselbe gilt für solche Fälle, wo sich Betroffene bewusst gegenüber der möglichen Kenntnisnahme verschließen. Einen solchen Fall nahm das OLG Frankfurt jedoch vorliegend nicht an. Auf Grundlage dessen wies das Gericht die Berufung der Antragsgegnerin als unbegründet zurück.
OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 16.10.2014, Az. 6 U 92/14