Unzulässige identifizierende Berichterstattung über eine Firma
Am 21.11.2013 hat des Landgericht Berlin durch Urteil zum Aktenzeichen 27 O 423/13 einen Rechtsstreit über die Zulässigkeit von auf namentlich benannte Personen bezogene kritische Äußerungen in Internet-Veröffentlichungen entschieden. Als Kläger traten in dem Hauptsacheverfahren, dem ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vorangegangen war, eine Baufirma (Klägerin zu 1) und ihr Geschäftsführer (Kläger zu 2) auf. Die Klage richtete sich gegen den Betreiber einer Internetseite (Beklagter zu 2) und dessen in Berlin büroansässige Tochterfirma (Beklagter zu 1).
Gestritten wurde darüber, ob die Kläger von den Beklagten die Unterlassung verschiedener Äußerungen verlangen konnten, die auf den Internetseiten des Beklagten zu 2) veröffentlicht worden waren. Es ging dabei um die Behauptung, dass die Kläger Bauprojekte anfingen und sie nicht zu Ende führten, nachdem Abschlagszahlungen vereinnahmt worden wären. Dabei wurde suggeriert, dass es keine vollendeten Bauprojekte der Kläger gäbe und dass diese wohl eher „Finanzspritzen“ brauchten, weil sie mit namhaften Bauherren in Streit stünden. Dabei wurden nicht nur die Namen beziehungsweise Firmenbezeichnungen benutzt, sondern auch ein Bild des Beklagten zu 2) ohne dessen Zustimmung veröffentlicht. In der Überschrift zu einem Artikel wurde den Beklagten mit dem Wort „Schummeln“ in Verbindung gebracht.
Die Kläger fühlten sich durch die Berichterstattung auf den Internetseiten, für die die Beklagte zu 2) verantwortlich zeichnete, in ihrem Persönlichkeitsrecht beziehungsweise in der Ausübung des Rechts an einem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb beeinträchtigt. Sie beantragten bei dem Landgericht Berlin zunächst den Erlass einer Einstweiligen Verfügung, die antragsgemäß erging. Bei dem anschließenden Verfahren handelte es sich um das Hauptsacheverfahren. Das Landgericht Berlin gab der Klage statt. Von der Beklagten zu 1) geäußerte Bedenken hinsichtlich der Passivlegitimation wiesen die Richter am Landgericht Berlin zurück. Die Beklagte zu 1) hatte erklärt, nicht für die Veröffentlichung der beanstandeten Berichte verantwortlich zu sein, weil die Beklagte zu 2) ihre Internetseiten selbständig betreibe. Sie, die Beklagte zu 1), könne deshalb nicht verklagt werden. Bei der Sachverhaltsaufklärung stellte sich heraus, dass die Beklagte zu 1) als Tochterunternehmen der Beklagten zu 2) deren redaktionelle Mitarbeiter in ihren Büroräumen aufgenommen hatte. Die Behauptung der Beklagten zu 1), sie habe ein ganz anderes Arbeitsgebiet, konnte demgegenüber aber nicht durch Tatsachenvortrag belegt werden.
Nach Klärung der formalen Voraussetzungen hatten sich die Richter am Landgericht Berlin mit der Interessenabwägung zwischen Persönlichkeitsrecht auf der einen und Meinungsfreiheit auf der anderen Seite zu beschäftigen. In beiden Fällen handelt es sich um verfassungsmäßig garantierte Grundrechte. Bei der Beurteilung weist das Gericht darauf hin, dass es Unterschiede zwischen Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen gibt. Sind Tatsachenbehauptungen nicht nachweislich wahr, können sie als persönlichkeitsverletzend angesehen werden. Bei Meinungsäußerungen dagegen überwiegt die Meinungsfreiheit. Eine Einschränkung durch das Persönlichkeitsrecht dessen, über den berichtet wird, erfolgt nur dann, wenn der strafrechtliche Tatbestand einer Beleidigung erfüllt wird oder wenn es sich um schmähende, persönlich verletzende Kritik an einer konkreten Person handelt. Das Persönlichkeitsrecht ist außerdem vorrangig zu beachten, wenn die Menschenwürde verletzt wird oder eine Person aufgrund einer besonderen Form der Kritik „an den Pranger“ gestellt werden soll.
Im vorliegenden Fall gingen die erkennenden Richter am Landgericht Berlin davon aus, dass weder reine Tatsachenbehauptungen noch pure Meinungsäußerungen vorlagen. Das sachlich gerechtfertigte Anliegen des Beklagten zu 2) bestand darin, Verbraucher vor unangemessener Behandlung durch Bauunternehmen zu schützen. Zur Verdeutlichung wurde dabei das Beispiel der Beklagten bemüht. Der weitgehende Schutz der Meinungsfreiheit wäre nach Ansicht des Landgerichts Berlin hier nicht angemessen, da auch der Wahrheitsgehalt der als Beispiel geschilderten Tatsachen eine große Bedeutung hat. Weil der Wahrheitsgehalt von über die Kläger aufgestellte Behauptungen nicht nachgewiesen werden konnte, gestanden die Richter den Klägern einen Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung und auf Ersatz von entstandenen Schäden zu. Zu den Schadensersatzansprüchen gehörten auch die Kosten für die anwaltliche Vertretung.
LG Berlin, Urteil vom 21.11.2013, Aktenzeichen 27 O 423/13