Unzulässige "Health Claims" bei Lebensmitteln
Der Fall: Ein Lebensmittelhersteller vertreibt Protein-Müslis in verschiedenen Geschmacksrichtungen unter der Bezeichnung „LOWCARB.ONE“ und der zusätzlichen Angabe „mit wenig Kohlenhydraten“. Der Namensbestandteil „LOWCARB“ bezieht sich auf die im englischen Sprachraum verbreitete Kurzform zu „Low Carbonhydrate“, was der deutschen Angabe „wenig Kohlenhydrate“ entspricht. Ein Unternehmen, das ebenfalls Protein- und Müsliprodukte vertreibt, beantragte deshalb beim Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung. Gegen den Beschluss von dessen 6. Kammer für Handelssachen vom 27. Februar 2014 (Az. 406 HKO 28/14) erhob die Antragstellerin sofortige Beschwerde beim Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg, dessen 3. Zivilsenat ohne mündliche Verhandlung den Beschluss der Erstinstanz abänderte (Az. 3 W 27/14). Das OLG verbot der Antragsgegnerin, in Deutschland ein Proteinmüsli unter Verwendung der Angabe „Low Carb“ anzubieten und/oder mit der Angabe „mit wenig Kohlenhydraten“ zu bewerben. Auch die markenmäßige Verwendung von „Low Carb“ stufte die Kammer als unzulässig ein, wenn auf der Produktverpackung keine rechtskonformen nährwert- und gesundheitsbezogenen Zusatzangaben erfolgen.
In der Begründung zu ihrem Beschluss führten die Richter an, die von der Antragstellerin beanstandeten Produktangaben der Antragsgegnerin würden einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben (Health-Claims-Verordnung, HCV) darstellen. Demnach dürften nährwertbezogene Angaben nur gemacht werden, wenn die entsprechenden Nährstoffe im Anhang zur HCV aufgeführt und die dort festgelegten Bedingungen entsprechend berücksichtigt werden. Nach Überzeugung der Kammer gehören die Angabe „Low Carb“ und der Zusatz „mit wenig Kohlenhydraten“ zu den nährwertbezogenen Angaben gemäß HCV. In deren Anhang finden sich jedoch für die Kennzeichnung eines „geringen Kohlenhydratgehalts“ keine spezifischen Bedingungen aufgeführt, unter denen eine solche Angabe gemacht werden könnte. Demgegenüber finden sich in der Anlage Angaben, unter welchen Bedingungen der Gehalt von Energie, Fett, gesättigten Fettsäuren oder Salz als „gering“ bezeichnet werden dürfe. Die Kammer schlussfolgert deshalb aus dem Fehlen von entsprechenden Angaben zu den Kohlenhydraten, dass der Gesetzgeber bewusst eine solche Kennzeichnung von Produkten nicht gewünscht habe. Die Richter verweisen in diesem Zusammenhang auf eine gleichlautende Meinung der britischen Gesundheitsbehörde, der zufolge Angaben zu einem niedrigen Kohlenhydratgehalt, sogenannte „Low Carbs Claims“, nicht mehr gemacht werden können. Die Kammer weist in dem Urteil zudem ausdrücklich darauf hin, dass die Anlage zur HCV bei anderen Nährstoffen stets konkrete Grenzwerte je Gewichtseinheit nennt, innerhalb deren Rahmen eine bestimmte Angabe zulässig sei. Solche Grenzwerte fänden sich in der Verordnung für Kohlenhydrate dagegen nicht.
Auch die Verwendung des Health Claims „Low Carb“ im Markennamen sieht die Kammer als problematisch an. Art. 1 Abs. 3 HCV verlangt für Marken- und Handelsnamen, die als eine nähr- und gesundheitsbezogene Angabe verstanden werden könnten, zusätzliche Angaben auf dem Produkt zu diesen beiden Punkten. Da die Antragsgegnerin einen solchen Zusatz prinzipiell machen und dadurch „LowCarb“ in einer von der HCV zugelassenen Weise verwenden könne, hat die Kammer von einem generellen Verbot der Verwendung dieses Begriffs im Markennamen abgesehen.
Die Angabe „mit wenig Kohlenhydraten“ hält das OLG dagegen generell für unzulässig, da sie, jedenfalls bislang, nicht auf der Liste der zulässigen ernährungsbezogenen Angaben aufgeführt sei. Die Richter wiesen in dem Urteil aber ausdrücklich darauf hin, dass eine Angabe „reduzierter Kohlenhydrat-Anteil“ nach der HCV durchaus zulässig sei.
Hanseatische OLG Hamburg, Beschluss vom 24.04.2014, Az. 3 W 27/14