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Unzulässige Einschränkung des Widerrufsrechts durch zusätzliche AGB

Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.05.2021, Az. III ZR 126/19


Unzulässige Einschränkung des Widerrufsrechts durch zusätzliche AGB

In einem Urteil vom 20.05.2021 hat sich der Bundesgerichtshof zur Muster-Widerrufsbelehrung geäußert und klargestellt, dass unzulässige AGB-Klauseln zu einer falschen Widerrufsbelehrung führen. Dies wurde damit begründet, dass die sogenannte „Privilegierung“ gilt, wenn die gesetzliche Muster-Widerrufsbelehrung verwendet wird. Demnach wird das vorgesehene Muster per Gesetz als ausreichend angesehen, um die Informationspflicht zum Widerrufsrecht zu erfüllen. Dem Verbraucher können keine rechtlichen Nachteile durch Fehler entstehen, die das gesetzliche Muster-Widerrufsformular eventuell enthält.

Hintergrund
Die Klägerin war Nutzerin einer Online-Partnervermittlung und hatte eine zwölfmonatige Premium-Mitgliedschaft zum Preis von 269,40 Euro abgeschlossen. Sie wurde ordnungsgemäß über ihr Widerrufsrecht belehrt und forderte die Beklagte auf, sofort mit der Ausführung der Leistungen zu beginnen, nachdem sie über eine Wertersatzpflicht für den Fall des Widerrufs unterrichtet worden war. In ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen klärte die Beklagte die Nutzerin zusätzlich über die Muster-Widerrufsbelehrung auf. Hier war unter einer Verlinkung zum Wertersetz ausgeführt, wie die Beklagte diesen berechne. Dies richte sich nach dem Verhältnis der vom Kunden realisierten Kontakten zu den von der Beklagten garantierten Kontakten. Der Wertersatz sei begrenzt auf maximal drei Viertel des gesamten Mitgliedsbeitrags.

Darüber hinaus war dort ausgeführt:
„Als Kontakt werten wir jede von Ihnen gelesene Freitextnachricht auf eine von Ihnen verschickte Nachricht sowie eine von Ihnen erhaltene Nachricht, in dessen weiteren Verlauf Sie mindestens zwei Freitextnachrichten mit einem anderen Mitglied ausgetauscht und gelesen haben. Als Nachricht zählt jede Kommunikation, zum Beispiel Freitextnachricht, Lächeln, Spaßfragen, Fotofreigaben und Kompliment.“

Fehlerhafte Widerrufsbelehrung durch irreführende AGB-Klausel
Der höchste Zivilsenat hat nun entschieden, dass der Beklagten kein Anspruch auf Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachten Leistungen zustehe. Die Klausel über den Wertersatz weiche erheblich von der Muster-Widerrufsbelehrung zum Nachteil des Verbrauchers ab und sei irreführend. Die Klausel sei nicht nur unzulässig, sie bilde auch zusammen mit der Widerrufsbelehrung eine Einheit. Dies führe dazu, dass insgesamt nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht informiert worden sei. Überdies stellte der Senat fest, dass die Klausel über die Berechnung des Wertersatzes zu dem beinahe Zwanzigfachen des gesetzlich höchstens geschuldeten Betrags führe. Der Wertersatzanspruch betrage nach der gesetzlichen Regelung 10,33 Euro, wie aus einem vorherigen Urteil (BGH, Urt. v. 6.5.2021 – III ZR 169/20) und aus den vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Grundsätzen für die Berechnung hervorgehe. Der Wertersatz sei bei Dienstleistungen grundsätzlich zeitbezogen zu berechnen. Auch nach § 361 Abs. 2 BGB dürfe nicht zum Nachteil des Verbrauchers von den Regelungen des Widerrufsrechts abgewichen werden. Dies war vorliegend allerdings der Fall gewesen. Durch die irreführende Klausel war die Widerrufsbelehrung insgesamt falsch, sodass kein Anspruch auf Wertersatz bestanden hat.

Der Verbraucherschutz darf nicht ausgehebelt werden
Damit hat der BGH dem Urteil des LG eine klare Absage erteilt, nachdem dieses die Ansicht vertreten hat, eine Gesamtbetrachtung der Widerrufsbelehrung zusammen mit anderen Klauseln führe dazu, dass dem Unternehmer ein unkalkulierbares Risiko der Unwirksamkeit seiner Widerrufsbelehrung auferlegt werde. Nach Auffassung der BGH-Richter rechtfertigt es diese Erwägung nicht, eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Verbrauchers anzunehmen, obwohl ihm fälschlich Folgen eines Widerrufs vor Augen geführt werden, die diesen als wirtschaftlich nahezu sinnlos erscheinen lassen.

Fazit
Das Urteil zeigt, dass die Muster-Widerrufsbelehrung nicht isoliert zu betrachten ist. Entsprechende Klauseln außerhalb der Widerrufsbelehrung können diese grundsätzlich ergänzen. Ist allerdings, wie im vorliegenden Fall, eine entsprechende Klausel unwirksam, so ist die gesamte Widerrufsbelehrung falsch. Dies geht zu Lasten der Unternehmer, da der Verbraucherschutz nicht ausgehebelt werden darf. Unternehmern ist deshalb anzuraten, von Anfang an Widersprüche zu vermeiden und ihre AGB mit den Muster-Widerrufsbelehrungen abzustimmen, sodass das Widerrufsrecht nicht unzulässig eingeschränkt wird.


Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.05.2021, Az. III ZR 126/19


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