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Unzulässige Bevorzugung durch Nennung im Gemeindeblatt

OLG Stuttgart, Urteil vom 05.08.2010, Az. 2 U 53/10


Unzulässige Bevorzugung durch Nennung im Gemeindeblatt

In dem Fall, über den das OLG Stuttgart zu entscheiden hatte, ging es um die Frage, ob eine Gemeinde wettbewerbswidrig handelt, wenn sie in ihrem Gemeindeblatt unter der Rubrik "wichtige Rufnummern" nur einen von mehreren örtlichen Anbietern von Pflegedienstleistungen angibt. Im Ergebnis hat das OLG einen Wettbewerbsverstoß bejaht. Beklagte in dem Rechtsstreit war eine Kommune, die Mitbegründerin einer Sozialstation war. Für etwaige Fehlbeträge der Einrichtung, die als eingetragener Verein geführt wurde, hätte die Beklagte als Mitglied aufkommen müssen. In dem monatlich erscheinenden amtlichen Mitteilungsblatt der Beklagten gab es eine Rubrik "wichtige Rufnummern", unter der u.a. die Telefonnummern von Feuerwehr, Bürgermeisteramt, Giftnotruf, Krankentransport und örtlicher Polizeidienststelle aufgeführt waren. In einer Ausgabe des Blattes war dort auch die Sozialstation nebst Rufnummer genannt. Daran stieß sich der Kläger, der selbst Betreiber eines ambulanten Pflegedienstes vor Ort war und vergleichbare Dienstleistungen wie die Sozialstation anbot. Er verlangte von der Beklagten, dass sie seine Einrichtung zu den gleichen Bedingungen, insbesondere kostenfrei, in das Amtsblatt aufnehmen solle, was die Beklagte jedoch verweigerte. Dieses Verhalten hielt der Kläger für wettbewerbswidrig. Durch die Nennung im Gemeindeblatt werde die Sozialstation ihm gegenüber in ungerechtfertigter Weise bevorzugt und erhalte einen wirtschaftlichen Vorsprung. Zur Vermeidung dieser Wettbewerbsverzerrung müsse die Beklagte auch ihn in der Rubrik erwähnen. Dagegen berief sich die Beklagte darauf, dass es sich bei der Sozialstation um eine eigenbetriebliche Einrichtung handele und sie als Gemeinde damit Aufgaben der ihr obliegenden Daseinsvorsorge erfülle. Eine Gewinnerzielungsabsicht verfolge sie mit ihrer Tätigkeit nicht. Die Ausnutzung von Standortvorteilen sei zulässig und die vom Kläger begehrte kostenlose Aufnahme auch seines Pflegedienstes in das Amtsblatt nicht gerechtfertigt. Beim in erster Instanz zuständigen Landgericht Rottweil, das einen Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung bejahte, hatte die Beklagte ebenso wenig Erfolg wie in der Berufung beim OLG Stuttgart. Das OLG hat in der Nennung der Sozialstation im Gemeindeblatt der Beklagten einen objektiv marktlenkenden einseitigen Eingriff und damit eine wettbewerbswidrige geschäftliche Handlung gesehen. Die Verwaltung, so das OLG, dürfe ihrem Handeln zwar wirtschaftlich vernünftige Erwägungen zugrunde legen, müsse dabei aber Rücksicht auf private Konkurrenten und deren sachlich berechtigte Interessen nehmen. Nach Entscheidungen des BGH handele eine Kommune unlauter, wenn eine von ihr erteilte Empfehlung oder Information nicht sachlich und unparteiisch, sondern durch geschäftliche Interessen motiviert sei und zu einer Ungleichbehandlung von Wettbewerbern führe. Nach diesem Maßstab habe die Beklagte durch den Ausschluss des Klägers aus den Informationen im Mitteilungsblatt wettbewerbsrechtlich und geschäftlich unlauter gehandelt. Die in dem Amtsblatt, dessen Herausgabe zu den öffentlich-rechtlichen Aufgaben der Beklagten gehöre, mit Rufnummern aufgeführten Einrichtungen beträfen Lebensbereiche, die für den Bürger und seine Daseinsvorsorge wichtig seien. Bei der Zusammenstellung der Stellen und Einrichtungen, die im Amtsblatt bei den wichtigen Rufnummern erscheinen sollten, und der Entscheidung für die Sozialstation habe die Beklagte eine quasi amtliche Auswahl vorgenommen. Durch die Beschränkung der Auswahl auf diesen einen Pflegedienst bei gleichzeitigem Ausschluss des Betriebs des Klägers habe die Beklagte die Sozialstation, an der sie ein wirtschaftliches Interesse habe, privilegiert, den Markt beeinflusst und gegen ihre Pflicht zur Gleichbehandlung und Neutralität verstoßen. Ihr unlauteres Verhalten habe auch die Grenze der Spürbarkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG (a.F.) überschritten, da es geeignet gewesen sei, die Nachfrage zugunsten der Sozialstation nachhaltig zu steuern und umzulenken. Damit sei sowohl für den Kläger als übergangenen örtlichen Konkurrenten als auch für den Verbraucher, der bei Lektüre des gemeindlichen Mitteilungsblatts auf eine objektive, sachliche und neutrale Information vertraue, ein Nachteil entstanden. Die Beklagte hat es daher zu unterlassen, im Gemeindeblatt nur die Sozialstation zu nennen, ohne Konkurrenten den Zugang zu dieser Werbemöglichkeit zu gleichen Bedingungen zu eröffnen.

OLG Stuttgart, Urteil vom 05.08.2010, Az. 2 U 53/10


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