Unterlassungsanspruch durch einen Berufsverband
Das Saarländische Oberlandesgericht hat am 23. Juni 2010 durch Urteil entschieden, dass es einer rechtsmissbräuchlichen Handlung entspricht, wenn ein Berufsverband zwar einerseits gegen wettbewerbsrechtliche Verstöße von Außenstehenden vorgeht, die Verstöße der eigenen Mitglieder andererseits jedoch planmäßig duldet. Die rechtsmissbräuchliche Handlung folgt schon daraus, dass es dem Verband vordergründig nur darum gehen kann, die Konkurrenz in dem freien Wettbewerb zu behindern. Dies muss umso mehr angenommen werden, wenn sich der Verband das Ziel gesetzt hat, derartige Wettbewerbsverstöße zu bekämpfen.
Bei dem Verfügungskläger handelt es sich um einen Berufsverband, der im Jahr 2008 gegründet wurde. Gemäß §§ 8 Abs. 3 Ziff. 2 UWG, 3 UKlaG werden von ihm die Interessen seiner anhängigen Mitglieder vertreten. Zu seinen Mitgliedern zählen daher Personen sowie Gewerbeunternehmen, die im Bereich des Gewinn- und Glücksspielwesens agieren. Bei dem Verfügungsbeklagten handelt es sich um einen Veranstalter von Lotterien sowie Sportwetten im Sinne des § 7 Abs. 2 AGGlüStV-Saar. In dem Rechtsstreit hatte der Kläger verschiedene Darstellungen, die von dem Beklagten auf seiner Internetseite veröffentlicht wurden, beanstandet. Insoweit ergebe sich sein Anspruch aus §§ 1, 5 und 7 GlüStV. Er behauptet, dass es sich bei den kritisierten Darstellungen um eine Werbung handle, die zur Teilnahme am öffentlichen Glücksspiel Aufforderung. Im Gegensatz dazu handle es sich gerade nicht um objektive Informationen oder Aufklärungen. Das eingesetzte los sei so gestaltet, dass es ausschließlich darauf abzielt, bei dem Betrachter eine positive Reaktion zu fördern. Der Verfügungsbeklagte habe es zudem unterlassen, auf die gesetzlich geforderten Hinweise zu verweisen. Selbst wenn in der Darstellung doch informative sowie aufklärerische Inhalte erkannt werden könnten, verstoße die Präsentation nichtsdestotrotz gegen § 1 GlüStV. Zuletzt sei schon wegen § 5 Abs. 3 GlüStV verboten, im Internet für ein öffentliches Glücksspiel zu werben. Der Kläger hatte daher beantragt, "die Verfügungsbeklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im Bereich des Glücksspielwesens die Teilnahme an Sofortlotterien zu bewerben und/oder bewerben zu lassen wie in dem beanstandeten Internetauftritt geschehen". Die Beklagte hatte demgegenüber beantragt, den Erlass einer einstweiligen Verfügung abzulehnen. Sie ist der Ansicht, dass es bereits an einem Rechtsschutzbedürfnis fehle. In diesem Zusammenhang sei das Verhalten vom Kläger rechtsmissbräuchlich. Er gehe lediglich gegen Außenstehende vor, wohingegen er Wettbewerbsverstöße seiner Mitglieder planmäßig dulde. Es liege daher kein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 und Abs. 2 GlüStV sowie § 5 Abs. 3 GlüStV vor.
Am 24. Juni 2009 hatte das Landgericht den Antrag des Klägers zurückgewiesen. Dagegen hat er am 16 Juli 2009 Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz hatte der Verfügungskläger das erstinstanzliche Begehren weiterverfolgt. Die Verfügungsbeklagte hielt am Urteil des Landgerichts fest.
Das OLG Saarbrücken hat die zulässige Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Kern der Entscheidung war die Frage, ob der Verfügungskläger rechtsmissbräuchlich gehandelt hatte. "Rechtsmissbräuchliches Verhalten ist dann anzunehmen, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das entscheidende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen". Die sachfremden Erwägungen wurden vom Gericht bejaht. Im Ergebnis hatte der Verfügungskläger nach Ansicht der Richter die Wettbewerbsverstöße ausschließlich deswegen geltend gemacht, um die Wettbewerberin zu behindern. Zwar ist es einerseits durchaus legitim, wenn ein Anspruchsberechtigter lediglich gegen einzelne Verletzer vorgeht. Es steht dem Berechtigten insofern frei, inwieweit er seine Ansprüche geltend machen möchte. Etwas anderes ergibt sich allerdings daraus, dass der Verfügungskläger im konkreten Rechtsstreit diskriminierend gehandelt hatte. Letztendlich hat er seinen Anspruch nur gegenüber Außenstehenden geltend gemacht. Die eigenen Mitglieder wurden verschont. In dem Rechtsstreit war es unstreitig, dass der Kläger gegen die Verstöße der eigenen Mitglieder nicht vorgegangen ist. Im Wesentlichen richtet er seinen Anspruch gegen staatliche Lottogesellschaften. Diese können nach der Satzung, die vom Verfügungskläger verabschiedet wurde, kein Mitglied seines Verbandes werden. Er hat daher sein Recht instrumentalisiert, um anderweitige Ziele zu verfolgen. In seiner Satzung hat der Kläger selbst festgehalten, dass er sich zum Ziel gesetzt hat, illegale Glücksspiele zu bekämpfen. Es ist daher nicht ersichtlich, warum er sein Ziel bei den eigenen Mitgliedern unberücksichtigt lässt. Daraus hat das OLG Saarbrücken den Schluss gezogen, dass er die Aktivitäten seiner Mitglieder planmäßig geduldet hat. Dies entspricht zugleich einer diskriminierenden Handlung gegenüber den staatlichen Lottogesellschaften.
OLG Saarbrücken, Urteil vom 23.06.2010, Az. 1 U 365/09-91