Unerwünschte Werbezusendung auch ohne Briefkastenaufkleber
Das Landgericht (LG) in Lüneburg hat mit seinem Urteil vom 30.09.2011 unter dem Az. 4 S 44/11 entschieden, dass Postwurfsendungen als unzumutbare Belästigung gelten können, wenn der Empfänger sich deutlich beim Versender dagegen ausgesprochen hat. Versendet der Verwender dennoch die Werbung, verletzt er damit das Recht des Adressaten auf informationelle Selbstbestimmung. Der Empfänger muss seinen Willen nicht durch Aufkleber auf dem Briefkasten dokumentieren, wenn er den Versender direkt kontaktiert hat.
Damit hat das LG es der Beklagten untersagt, dem Kläger unerwünschte Postwurfsendungen zu versenden.
Der Kläger begehrt Unterlassung der Zusendung der Postwurfsendungen „EINKAUF AKTUELL“.
Der Kläger ist Anwalt und wohnt mit seiner Frau und zwei Kindern in einem eigenen Haus. Er fühlt sich gestört durch die Werbesendung „EINKAUF AKTUELL“, die ihm die Beklagte wöchentlich unadressiert zustellte. „EINKAUF AKTUELL“ ist eine Sammlung von Werbebroschüren und einem TV-Programm in einer durchsichtigen Hülle.
Mit einem Schreiben vom 14.12.10 schrieb der Kläger an die Beklagte und teilte mit, dass er die Zusendung der Sendung „EINKAUF AKTUELL“ nicht wünscht. Die Beklagte schrieb dem Kläger eine Mail und teilte ihm mit, er könne die Zustellung ganz einfach mit einem Aufkleber verhindern, den er auf seinem Briefkasten anbringen möchte. Mit neuerlichem Schreiben vom 15.12.10 erklärte der Kläger, er sei nicht bereit, einen derartigen Aufkleber anzubringen und forderte erneut, die Zusendung der „EINKAUF AKTUELL“ an seine Anschrift zu unterlassen. Nachdem der Kläger eine erneute Zusendung der Werbung am 20.12.10 erhielt, forderte er abermals die Beklagte auf, dies zu unterlassen. Die Beklagte teilte daraufhin mit, sie habe ihre Mitarbeiter darüber informiert.
Nachdem der Kläger am 27.12.10 eine weitere Ausgabe erhalten hatte, verlangte er von der Beklagten die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, in der er sich eine Vertragsstrafe in Höhe von 5001 Euro versprechen ließ für den Fall der Zuwiderhandlung. Dennoch erfolgten weitere Zusendungen der „EINKAUF AKTUELL“ an die Anschrift des Klägers. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 07.01.11 die Abgabe der Unterlassungserklärung ab, da ihr nicht möglich sei, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Im Verhältnis zur Belästigung seien die Kosten und der Aufwand zu hoch.
Der Kläger erhob darauf Unterlassungsklage. Auch danach erfolgten zunächst weitere Zusendungen der „EINKAUF AKTUELL“, nach dem 19.03.11 nicht mehr.
Das Amtsgericht wies die Klage ab. Denn ein Unterlassungsanspruch bestehe weder nach dem Wettbewerbsrecht noch aus § 1004 und § 823 BGB. Denn es liege keine unzumutbare Belästigung und auch keine erhebliche Beeinträchtigung vor. Der Kläger habe im Vergleich zur Beklagten ein einfacheres Mittel zur Verfügung, um seinen Willen durchzusetzen und es liege nur eine geringfügige Belästigung vor. Der Kläger müsse hinnehmen, dass er mit einem Aufkleber am Briefkasten gar keine Werbung mehr bekomme.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers. Es komme nicht darauf an, ob eine starke oder eine geringfügige Belästigung vorliege. Es gebe auch keine Vorschrift, die ihn zu einer Mitwirkungshandlung zwinge.
Die Beklagte trägt vor, der Kläger nicht dargelegt, ob auch seine Frau und die Kinder die Zustellung nicht wünschen. Im Sinne der Verhältnismäßigkeit könne verlangt werden, dass der Kläger einen Aufkleber an seinen Briefkasten anbringt, wenn er die Zustellung der Werbung nicht wünsche. Es bestehe auch keine Wiederholungsgefahr, da es seit Februar es zu keiner weiteren Zustellung gekommen sei.
Doch die Berufung des Klägers hat Erfolg.
Der Kläger kann Unterlassung der Zusendung der Werbung beanspruchen, da ansonsten ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, nämlich das der informationellen Selbstbestimmung, vorliege, zudem eine Eigentums- bzw. Besitzstörung.
Der Einzelne könne verlangen, dass sein Briefkasten nicht übermäßig voll werde und er nicht mit der Entsorgung belastet werde und sich nicht gegen seinen Willen geistig mit der Werbung auseinander setzen müsse.
LG Lüneburg, Urteil vom 30.09.2011, Az. 4 S 44/11