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Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel im Allgemeinen zulässig

BGH, Urteil vom 11.03.2010, Az. I ZR 27/08


Telefonwerbung nach Unternehmenswechsel im Allgemeinen zulässig

Es ist der Albtraum jedes Unternehmers: Ein Mitarbeiter verlässt den Betrieb, gründet eine eigene Unternehmung und versucht Kunden abzuwerben. Ohne nachvertragliches Wettbewerbsverbot muss der ehemalige Arbeitgeber dies grundsätzlich tolerieren, sofern sich der ausgeschiedene Mitarbeiter bei der Kontaktnahme nicht auf kopierte oder entwendete Geschäftsunterlagen stützt. Eine Einschränkung stellt das Verbot belästigender Werbung nach § 7 UWG dar. E-Mails und Fax-Sendungen sind ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten verboten. Anders ist die Rechtslage bei Telefonwerbung: Im Geschäftsverkehr reicht die mutmaßliche Einwilligung des Angerufenen. Diese ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs anzunehmen, wenn ein Anrufer Kunden seines früheren Arbeitgebers, zu denen er persönlichen Kontakt hatte, über seinen Wechsel zu einem Konkurrenten informiert (BGH, Urteil vom 11.03.2010, Az. I ZR 27/08).

Sachverhalt
Betriebsleiter M. und Vertriebsleiter Dr. P. verließen ein Metallbearbeitungsunternehmen und gründeten eine Konkurrenzunternehmung, in der sie zusammen die Geschäftsführung übernahmen. Sechs weitere Mitarbeiter wechselten mit ihnen. Unmittelbar nach der Gründung, im Februar 2006, kontaktierten die beiden Geschäftsführer verschiedene Kunden ihrer früheren Arbeitgeberin per Telefon und E-Mail. Sie stellten ihnen Angebot und Personal ihres Betriebs vor. Eine ausdrückliche Einwilligung seitens der Kontaktierten hatten die beiden nicht.
Die ehemalige Arbeitgeberin erkannte in diesem Verhalten einen Wettbewerbsverstoß durch belästigende Werbung. Nach erfolgloser Abmahnung verklagte sie ihre Konkurrentin und deren Geschäftsführer M. auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht.
Das Landgericht Bielefeld gab ihr vollumfänglich recht, ebenso das Oberlandesgericht Hamm. Auf Revision der Beklagten hob der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil bezüglich der Telefonanrufe auf, bestätigte es aber in Bezug auf die E-Mails.

Urteilsbegründung
Der Bundesgerichtshof führt aus, gewerbliche Inhaber eines Telefonanschlusses rechneten mit Anrufen zu Akquisitionszwecken. Deshalb sei telefonische Werbung im geschäftlichen Bereich nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 UWG nicht nur bei ausdrücklichem oder konkludentem Einverständnis zulässig. Vielmehr genüge es, wenn der Angerufene mutmaßlich einwillige. Dies setze voraus, dass der Anrufer aufgrund konkreter Umstände annehmen könne, der Angerufene habe ein sachliches Interesse an der Telefonwerbung.
Ausschlaggebend sei das Empfinden des Durchschnittsmarktteilnehmers. Dass belästigende Telefonwerbung in einer Branche üblich sei, besage jedoch nichts über die mutmaßliche Einwilligung des Durchschnittsmarktteilnehmers. Der Zweck des Verbots belästigender Werbung liege ja gerade darin, die Nachahmung solchen Verhaltens zu verhindern. Auch reiche ein bloß allgemeiner Sachbezug zu den Waren- und Dienstleistungsangeboten des Angerufenen für die Annahme des mutmaßlichen Einverständnisses nicht.
Gerechtfertigt sei diese Annahme insbesondere bei einer Geschäftsbeziehung zwischen Anrufer und Angerufenem. Die Richter verneinen konkret zwar das Bestehen einer Geschäftsbeziehung. Der persönliche Kontakt, den die früheren Mitarbeiter während ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu den Angerufenen hatten, spreche aber ebenso für eine mutmaßliche Einwilligung. Die Kunden der Klägerin hätten ein Interesse, über den Wechsel ehemaliger Mitarbeiter zu einer Konkurrentin informiert zu werden.
Abgesehen vom Inhalt habe sich die mutmaßliche Einwilligung auch auf die Art der Werbung zu beziehen. Dazu sei nicht erforderlich, dass der Telefonanruf gegenüber schriftlicher Werbung keine Nachteile habe. Er müsse allerdings so weit im Interesse der angerufenen Gewerbetreibenden liegen, dass die mit ihm verbundene Belästigung als hinnehmbar erscheine. Vorliegend sei die telefonische Kontaktnahme für die Angerufenen im Vergleich zu schriftlicher Werbung vorteilhaft gewesen: Sie habe ihnen die Möglichkeit geboten, sich direkt nach Details zu erkundigen.
Dass ehemalige Mitarbeiter Kunden ihrer früheren Arbeitgeberin abwerben, gehört nach Ansicht des Senats zum Wesen des Wettbewerbs. Der Kundenkreis sei kein geschütztes Rechtsgut. Ausgeschiedene Mitarbeiter dürften zur Kontaktaufnahme Informationen verwenden, die sie im Rahmen der früheren Tätigkeit erlangt hätten, solange sie sich ausschließlich auf eigene Kenntnisse stützten.
Anders beurteilt der Bundesgerichtshof die E-Mails. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG in der seit 30. Dezember 2008 geltenden Fassung braucht der Sender für Werbemails die ausdrückliche Einwilligung des Empfängers. Zwar hätte die zum Begehungszeitpunkt gültige Fassung vom 8. Juli 2004 auch eine konkludente Einwilligung (eine stillschweigende Einwilligung durch schlüssiges Verhalten des Adressaten) zugelassen. Die Beklagten konnten jedoch keinen Beweis vorlegen, dass die Empfänger der E-Mail-Sendung konkludent zustimmten. Eine bloß mutmaßliche Zustimmung reichte hingegen schon nach der älteren Fassung von § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG nicht.

BGH, Urteil vom 11.03.2010, Az. I ZR 27/08


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