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Spalla Cotta - Formfleisch ist kein Vorderschinken

Wo Vorderschinken draufsteht, muss auch Vorderschinken drin sein!


Spalla Cotta - Formfleisch ist kein Vorderschinken

Ein aus kleineren Fleischstücken zusammengesetztes Fleischerzeugnis darf zur Vermeidung einer Irreführung der Verbraucher nicht mit der Bezeichnung „Vorderschinkenteile“ etikettiert werden. 

Verbraucher sind infolge der wiederholten Beanstandungen von irreführenden Bezeichnungen von Fleischerzeugnissen („Schinkenimitate“) sensibilisiert und haben das Recht, nicht über die Qualität eines Produkts getäuscht zu werden. Die irreführende Kennzeichnung eines Fleischerzeugnisses war Gegenstand eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Kassel:

Die Antragstellerin stellte ein Fleischerzeugnis her, welches wie folgt etikettiert war: „Spalla Cotta, Deutsches Erzeugnis aus Vorderschinkenteilen, gepökelt und gegart, teilweise zerkleinert, mit Stärke, Gewürzlake (Sellerie), Phosphat“. Der Wortbestandteil „-teilen“ war nach den Entscheidungsgründen getrennt und zusätzlich in deutlich kleinerer Schriftgröße ausgeführt. Nach den nicht weiter in Abrede gestellten Feststellungen des Untersuchungslabors handelte es sich bei dem Erzeugnis nicht um Vorderschinken, es wies einen Fleischanteil von lediglich 54 % auf. Die Antragsgegnerin hatte die von der Antragstellerin belieferten Kunden nach der Untersuchung mit ihrer Rechtsansicht konfrontiert, dass es sich bei der genannten Etikettierung um eine irreführende Kennzeichnung handeln würde. Die Kunden der Antragstellerin hatten den Vertrieb des Erzeugnisses freiwillig eingestellt. Die Antragstellerin begehrte, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzutragen, die Behauptung zu widerrufen und ihr das Aufstellen der Behauptung für die Zukunft zu untersagen.

Die Antragsbefugnis der Antragstellerin auf vorbeugenden vorläufigen Rechtsschutz aus ihrem Recht auf ungehinderte gewerbliche Betätigung war nach der Ansicht des Verwaltungsgerichts Kassel gegeben. Die Auswirkungen des Handelns der Antragsgegnerin bei der Antragstellerin unterschieden sich nicht von denen eines konkret erlassenen Verkaufsverbots. Ein nachträgliches Vorgehen gegen ein Verkaufsverbot hätte der Antragstellerin keinen effektiven Rechtsschutz geboten.

In der Sache erachtete das Verwaltungsgericht Kassel den Antrag aber nicht als begründet. Grundlage der Entscheidung waren die Leitsätze des Deutschen Lebensmittelbuches, die die Herstellung, Beschaffenheit oder sonstige Merkmale von Lebensmitteln beschreiben. Diese nicht mit Rechtsnormqualität versehene Auslegungshilfe wird regelmäßig bei der Feststellung herangezogen, wie ein Durchschnittsverbraucher eine Aussage oder Aufmachung in Bezug auf ein bestimmtes Lebensmittel wahrscheinlich auffassen wird. 

Nach den Leitsätzen wird die Bezeichnung Schinken auch in Wortverbindungen nur für Kochpökelwaren von gehobener Qualität verwendet. Schinken aus der Vorderextremität wird als Vorderschinken bezeichnet. Bei der Herstellung von Schinken wird das Muskelfleisch zunächst in Form geschnitten, gepökelt und gegart. Es dabei ist zulässig, Muskeln und Muskelgruppen, die aus dem Zusammenhang gelöst worden sind und auch isoliert als Schinken verkehrsfähig wären, ohne besonderen Hinweis zu größeren Stücken zusammenzufügen. Beim Zurechtschneiden der Fleischstücke fallen aber auch kleinere Fleischabschnitte an. Diese können nach einer mechanischen Vorbehandlung, die den Austritt von Fleischeiweiß zur Folge hat, wie Vorder- und Hinterschinken weiterverarbeitet werden. Das Fleischeiweiß erstarrt beim Garen und verbindet die Muskelfleischstückchen miteinander. Wird ein Erzeugnis – wie im vorliegenden Fall - auf diese Weise aus kleineren Muskelstücken hergestellt, muss dies in der Bezeichnung ausreichend kenntlich gemacht werden, z.B. durch die in gleicher Schriftgröße auszuführende Wortfolge: „Formfleisch-Schinken, aus Schinkenteilen zusammengefügt.“

Die von der Antragstellerin für ihr Erzeugnis gewählte Bezeichnung war somit nach den Entscheidungsgründen zur Täuschung der Verbraucher geeignet: Die Verkehrsbezeichnung hätte in gleichbleibender Schriftgröße nur das Wort „Vorderschinkenfleisch“ anstatt „Vorderschinkenteile“ enthalten dürfen. 

Der Antrag wurde vom Verwaltungsgericht Kassel abgelehnt.

Verwaltungsgericht Kassel, Beschluss vom 28.06.2010, Az. 5 L 208/10


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