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Sitzplatz-Reservierung bei Flugbuchungen

Kammergericht Berlin, Urteil vom 07.10.2015, Aktenzeichen 5 U 45/14


Sitzplatz-Reservierung bei Flugbuchungen

Das Kammergericht Berlin hat am 07.10.2015 in einer wettbewerbsrechtlichen Angelegenheit zum Aktenzeichen 5 U 45/14 ein Urteil in der Berufungsinstanz verkündet. Der Dachverband der bundesdeutschen Verbraucherzentralen hatte gegen eine Fluggesellschaft geklagt, die auf ihren Internetseiten die Möglichkeit zur Online-Flugbuchung anbietet. Nach Ansicht des Klägers hatte die Beklagte Verbraucher, die sich dafür interessierten, einen Flug zu buchen, zu spät darüber informiert, dass für die individuelle Auswahl eines Sitzplatzes eine gesonderte Gebühr in Höhe von jeweils 10 € pro Person bei jedem Flug zu zahlen sei. Auf ihrer Webseite hatte die Beklagte einen Buchungsvorgang angeboten, der insgesamt vier einzelne Schritte umfasste. Der Vorgang begann mit der Aufforderung, die gewünschte Flugverbindung anzugeben. In einem zweiten Schritt wurden dem interessierten Verbraucher verschiedene, zu seiner Wunschroute passende Angebote angezeigt. Dabei wurden erstmals pauschale Preise angegeben. Interessiert sich der potentielle Kunde für eine angebotene Flugverbindung, konnte er im dritten Schritt detaillierten Angaben über die Flugroute anfordern. Dabei wurden erstmals vorschriftsmäßig konkrete, ihrem Entstehen nach in Einzelpositionen aufgegliederte Kosten angegeben. Die vom Kläger beanstandeten Angaben zu den durch Reservierung eines individuell ausgesuchten Sitzplatzes entstehenden Mehrkosten tauchten bei Schritt vier der Flugbuchung auf. Mit diesem letzten Schritt sollte der Verbraucher seine Buchungsabsicht hinsichtlich des zuvor ausgewählten Fluges konkretisieren. Dazu wurde die Eingabe seiner Kontaktdaten verlangt. Nach dem Fenster für die Dateneingabe kam der rot hervorgehobene Hinweis auf die Möglichkeit, einen Sitzplatz gegen Gebühr von 10 € reservieren zu lassen.

Der Kläger vertrat die Ansicht, dieser Hinweis auf eventuell entstehende zusätzliche Gebühren sei zu spät gegeben worden, so dass ein Verstoß gegen Artikel 23 VO EG 1008/2008 vorliege. Sogenannte „fakultative Zusatzkosten“ müssen dieser Vorschrift nach rechtzeitig vor der Buchung so angegeben werden, dass für den Verbraucher überschaubar wird, wie sich der Endpreis der Gesamtleistung zusammensetzt. Der Verbraucher soll in die Lage versetzt werden, rechtzeitig und ohne Druck entscheiden zu können, ob er zusätzlich angebotene Leistungen in Anspruch nehmen will oder ob er darauf verzichten möchte. Im vorliegenden Fall ist die Reservierung eines bestimmten, individuell gewählten Sitzplatzes für die Durchführung des Fluges nicht notwendig. Wird kein Sitzplatz gebucht, muss nicht im Stehen geflogen werden. Es erfolgt die Zuweisung eines der nicht reservierten Sitzlätze. Der Kläger erteilte der Beklagten eine Abmahnung, die diese zurückwies, soweit der Vorwurf die zu späte Aufklärung über die zusätzlichen Kosten der Sitzplatzreservierung betraf. Der Kläger erhob daraufhin Klage beim Landgericht Berlin. Nachdem die Richter die Klage abgewiesen hatten, legte der Kläger Berufung gegen das Urteil bei dem Kammergericht Berlin ein. Die Richter des auf Wettbewerbsrecht spezialisierten 5. Senats am Kammergericht wiesen die Berufung als zulässig, aber unbegründet ab.

Einigkeit bestand darüber, dass die zusätzlichen Gebühren für die Reservierung des individuellen Wunsch-Sitzplatzes im Flugzeug zu den „fakultativen Zusatzkosten“ gehören. Deshalb wäre die Anwendung der EG-Verordnung 1008/2008 grundsätzlich möglich. Das Kammergericht nimmt in seinen Entscheidungsgründen Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass die einzelnen Kostenpositionen rechtzeitig vor „der Buchung“ bekanntgegeben werden müssten. Im vorliegenden Fall beginnt die Buchung nach Ansicht der Beklagten erst nach Eintragung der Kontaktdaten. Die vorausgegangenen drei Schritte zum Buchungsverfahren dienten lediglich der Auswahl und der Information. Das Kammergericht Berlin schloss sich der Ansicht an, dass auf die Mehrkosten für die freiwillig mögliche Reservierung des besonderen Sitzplatzes noch rechtzeitig vor Ausführung der Buchung hingewiesen wurde. Der Verzicht auf die kostenpflichtige Platzreservierung hätte keine Zurücksetzung bereits getätigter Buchungsschritte notwendig gemacht. Der nächste Schritt, der zur rechtsgültigen Buchung des Fluges führte, konnte auch dann eingeleitet werden, wenn auf die Sitzplatzreservierung verzichtet wurde. Die zusätzliche Reservierungsgebühr wird dem Gesamtpreis dann nicht hinzugesetzt. Ein wettbewerbswidriger Versuch, den durchschnittlich informierten Verbraucher zur Buchung nicht notwendiger, aber kostenpflichtiger Zusatzleistungen zu verleiten, wurde hier von den Richtern nicht festgestellt.

Kammergericht Berlin, Urteil vom 07.10.2015, Aktenzeichen 5 U 45/14


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Kommentare (1)

  • Rolf Stöver

    29 Januar 2020 um 17:04 |
    Erstmalig mussten wir als Ehepaar bei einer Pauschalreisebuchung um das "Nebeneinandersitzen" im Flugzeug zu gewährleisten eine Reservierungsgebühr zahlen.Wir meinen zu Unrecht, da die Werbeanzeige zur Buchung keinerlei Hinweise auf einen unüblichen "Auseinandersitzplatz" gab.

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