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Onlinehändler muss über Herstellergarantie informieren

Urteil des OLG Hamm vom 26.11.2019 - Az. I-4 U 22/19


Onlinehändler muss über Herstellergarantie informieren

Ein Onlinehändler muss den Verbraucher auch dann über Inhalt und Umfang einer (Hersteller-) Garantie informieren, wenn er in seinem Angebotstext nicht mit einer Garantie wirbt. Diese Informationspflicht tritt bereits dann ein, wenn die Garantie in einer Bedienungsanleitung erwähnt wird, auf die der Onlinehändler im Rahmen seines Angebots (hier: auf Amazon) lediglich verlinkt.

Der beklagte Onlinehändler bot Taschenmesser auf Amazon an. Mit einer Garantie wurde im Verkaufstext nicht eindeutig geworben, jedoch leitete ein Link in einer Zwischenüberschrift zu einem PDF-Dokument weiter, bei dem es sich um ein zweiseitiges Produktinformationsblatt des Herstellers handelte. Die zweite Seite des Dokuments enthielt einen Hinweis auf die sogenannte „Victorinox-Garantie“:

"Die Victorinox-Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik 2 Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt."

Das Oberlandesgericht Hamm erkannte darin mit Urteil vom 26.11.2019 in zweiter Instanz einen Wettbewerbsverstoß, da die gesetzliche Regelung des § 479 Abs. 1 BGB über Sonderbestimmungen für Garantien nicht eingehalten werden würde. Hiernach müsse der Kunde über Inhalt und Umfang der Garantie informiert werden.

Vorsätzliches Handeln gegen Garantiebestimmungen erforderlich?
Vieles spricht dafür, dass täterschaftlich nur derjenige gegen § 479 Abs. 1 BGB verstoßen kann, der, sei es im eigenen Namen, als Erklärungsvertreter oder Erklärungsbote, selbst eine Garantieerklärung abgibt. Dies könnte durch eine eigenhändig formulierte oder durch das zu eigen machen einer von einem Dritten formulierten Erklärung vorliegen. Die Überschrift des Dokuments „weitere technische Erklärungen“ spricht jedenfalls dafür, dass sich die Beklagte allenfalls die in dem verlinkten PDF-Dokument enthaltenen technisch-praktischen Angaben zu eigen machen wollte und nicht die Erklärung zur Garantie.

Das Gericht stellte jedoch klar, dass die Informationspflicht unabhängig davon entsteht, ob mit der Garantie besonders optisch geworben wurde. Sinn und Zweck der Vorschrift ist nämlich die möglichst umfassende Information des Verbrauchers über das Für und Wider eines Vertragsschlusses. Vorliegend kann der Beklagten also keine Täterschaft unterstellt werden, da die Datei weder von ihr stammt, noch sie sich diese zu eigen gemacht hat. Es genügt jedoch, wie im vorliegenden Fall, die bloße Verlinkung auf ein PDF-Dokument, in dem die Garantie erwähnt wird. Ein vorsätzliches Handeln ist demnach nicht erforderlich.
 
Eindeutiger Verstoß gegen Marktverhaltensregel
Die vorangegangenen Wertungen sind zur Vermeidung nicht gerechtfertigter Widersprüche und Diskrepanzen zur Bestimmung der inhaltlichen Reichweite der Informationspflicht aus § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EGBGB zu übernehmen. Diese Regelung machte die Klägerin in Form eines Unterlassungsanspruchs geltend.

Demnach ist der Unternehmer bei Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen verpflichtet, den Verbraucher über das Bestehen und die Bedingungen von Garantien zu informieren. Diese Regelung knüpft allein an die Garantieerklärung des Produktverkäufers oder eines Dritten an, sodass eine besondere werbliche Hervorhebung der Garantie weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift erforderlich ist. Entsprechende Informationen enthält das das hier zu beurteilende „Amazon“ Produktangebot nicht. Ein Verstoß der Beklagten gegen diese Marktverhaltensregel ist gegeben.

Bestehen einer Nachforschungspflicht des Händlers über Garantien?
Die Frage, ob ein Onlinehändler verpflichtet ist, aktiv nach dem Bestehen von (Hersteller-) Garantien für die angebotene Ware zu forschen, um den Kunden sodann näher über die Garantie informieren zu können, ließ das OLG Hamm offen. In einem kürzlich ergangenen Urteil des LG Bochum (Urt. v. 27.11.2019 – Az. I-15 O 122/19) wurde diese Pflicht jedoch bereits bejaht. Die Informationspflicht des Verkäufers greift indes nach ihrem Sinn und Zweck jedenfalls dann ein, wenn das Warenangebot - wie im vorliegenden Falle - einen Hinweis (in welcher Form auch immer) auf das Bestehen einer Garantie enthält.

Mögliche weitreichende Folgen für gesamten Einzelhandel
Nach der Einleitung des Revisionsverfahrens zum Bundesgerichtshof (I ZR 214/19) bestehen große Bedenken für den Einzelhandel im Falle einer Bestätigung der Entscheidung. Da die in der Entscheidung aufgestellten Grundsätze nicht nur für den Onlinehandel gelten dürfen, sondern auch damit zu rechnen wäre, dass der Vertrieb jeder mit einer Herstellergarantie versehenen Ware, bei der die gesetzlichen Anforderungen an die Herstellergarantieerklärung nicht erfüllt sind, abmahnbar und unlauter sein wird. Da die Garantiebedingungen der Hersteller in der Praxis tatsächlich oftmals nicht den rechtlichen Anforderungen genügen, werden Herstellergarantien zu einem immer größer werdenden Problem für Internethändler.

Urteil des OLG Hamm vom 26.11.2019 - Az. I-4 U 22/19


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