OLG Köln: Amazon-Händler muss Angebote (werk-) täglich auf Rechtsverletzungen überprüfen
Nach aktueller Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind Online-Händler, die ihre Ware auf der Online-Plattform Amazon anbieten, nicht von der Haftung für wettbewerbswidrige Handlungen oder Markenrechtsverletzungen befreit, die ohne ihre Mitwirkung im Umfeld ihres Angebots verursacht werden. Das Oberlandesgericht Köln hat nun am 15.03.2017 als Beschwerdegericht erstmals darüber entschieden, wie intensiv die Prüfungspflicht sein soll. Der Händler hat sich danach an jedem Werktag davon zu überzeugen, dass ihr Angebot nicht in einer Form präsentiert wird, die wettbewerbsrechtliche oder markenrechtliche Regelungen verletzt.
Mit der Art, Angebote von Händlern auf dem „Marketplace“ von Amazon einzustellen, hatte sich auch der Bundesgerichtshof in jüngerer Vergangenheit schon zweimal zu beschäftigen. Ergebnis der höchstrichterlichen Entscheidungen zu „Herstellerpreisempfehlung“ (I ZR 110/15) und „Angebotsmanipulation“ war, dass den einzelnen auf der Plattform tätigen Händler eine Verpflichtung trifft, zu überprüfen, ob sein Angebot nicht in einem Umfeld präsentiert wird, das zur Verletzung von Wettbewerbs- oder Markenrechten Dritter führen kann. Plattform-Betreiber Amazon fasst mehrere Angebote zu einem bestimmten Produkt jeweils in einer Präsentation zusammen. Der einzelne Anbieter hat keine Möglichkeit, ein eigenes Produktfoto oder einen eigene Produktbeschreibung beizufügen. Aus diesem Grunde hatten Online-Händler die Ansicht vertreten, für Marken- oder Wettbewerbsrechtsverletzungen, die durch die Präsentation verursacht worden waren, nicht verantwortlich zu sein.
Die als Revisionsinstanz tätigen Zivilrichter des Bundesgerichtshofs entließen den einzelnen Online-Händler nicht aus der Verantwortung für sein Angebot, auch wenn es sich auf einer Online-Handelsplattform mit vorbestimmten vertraglichen Regelungen befindet. Jeder Händler muss sich trotz des Einfügens in das Regelwerk des Plattform-Betreibers in eigener Verantwortung selbst davon überzeugen, dass sein Angebot keine Rechte Dritter verletzt und nicht gegen Gesetze verstößt. Andererseits sieht der Bundesgerichtshof in dem bloßen Akzeptieren der Plattform-Regeln noch keine Einwilligung des Händlers in etwaige Gesetzesverstöße, die durch den Plattformbetreiber verursacht werden könnten. Der Händler handelt also nicht schon deshalb schuldhaft, weil er am Amazon „Marketplace“ teilnimmt. Er muss allerdings regelmäßig das Umfeld seines Angebots kontrollieren und das Angebot möglicherweise entfernen, wenn Wettbewerbs- oder Markenrechtsverletzungen zu befürchten sind.
Das Oberlandesgericht Köln hat in seiner zum Aktenzeichen 6 W 31/17 getroffenen Entscheidung erstmals konkrete Angaben dazu gemacht, wie intensiv eine Überwachung von Angeboten, die auf der Amazon-Marketplace-Plattform eingestellt sind, sein muss, um den Händler von Schuld für Änderungen oder Versäumnisse zu befreien, die er nicht selbst veranlasst hat. Die Richter am Oberlandesgericht Köln halten es für ausreichend, aber auch für notwendig, an jedem Werktag eine Kontrolle durchzuführen. Sonnabend und Sonntag nehmen sie von der Kontrollpflicht aus, weil die Amazon-Verwaltung an Wochenenden nicht arbeitet. Es könnten deshalb am Wochenende keine Änderungen vorgenommen werden, auf die der Händler kurzfristig reagieren müsste.
Die Schuldnerin im der Entscheidung zugrundeliegenden Fall war Online-Händlerin und hatte auf der Amazon-Marketplace-Plattform ein Angebot eingestellt. Wie bei dem Plattform-Anbieter üblich, hatte sich die Schuldnerin der Verpflichtung unterworfen, ihr Angebot unter einer vom Betreiber ausgewählten Produktbeschreibung einzuordnen. Eigene Einflussnahme auf die Präsentation des Angebots hatte sie damit nicht mehr. Die Ausgangssituation entsprach der Fallkonstellation, die der Entscheidung des BGH zum Aktenzeichen I ZR 110/15. Durch die Plattformbetreiber wurde eine Preisempfehlung des Herstellers in die Produktbeschreibung aufgenommen, die nicht mehr aktuell war. Durch die Verbindung zwischen aktuell angebotenem Kaufpreis und unzutreffender Herstellerpreisempfehlung wurde der Tatbestand einer unlauteren Werbehandlung gemäß § 5 UWG verwirklicht.
Die Gläubigerin nimmt die Schuldnerin wegen Verstoßes gegen einen Unterlassungsanspruch in Anspruch. Beim Landgericht Köln hatte sie die Verurteilung der Schuldnerin zur Zahlung eines Ordnungsgelds beantragt. Darüber, dass ein Verstoß gegen die Unterlassungspflicht vorlag, besteht zwischen den Parteien Einigkeit. Gestritten wird darum, ob die Schuldnerin den Verstoß schuldhaft zu vertreten hat. Der Verstoß gegen die Unterlassungspflicht kam zustande, weil auf der Handelsplattform des Betreibers Amazon ein Angebot der Schuldnerin unter einer Produktbeschreibung, die eine nicht mehr zutreffende Preisempfehlung des Herstellers enthielt, eingestellt war. Das Landgericht entschied im Sinne der Gläubigerin. Die Richter gingen vom Verschulden der Schuldnerin aus. Das Oberlandesgericht Köln gab der Beschwerde gegen die Entscheidung statt.
Erstmals formulierte ein Gericht einen konkreten Rahmen für die erforderliche Sorgfalt des Internethändlers, der Angebote auf Online-Handelsplattformen einstellt. Zunächst stellten die Richter klar, dass sie kein Verschulden, auch keinen bedingten Vorsatz, darin erkennen konnten, dass sich die Schuldnerin überhaupt den Geschäftspraktiken des Plattformbetreibers unterworfen hat und dadurch seine eigene Einwirkung auf das eingestellte Angebot aufgegeben hat. Durch entsprechende Kontrollen könnte nämlich jeder Händler dafür sorgen, dass die Art der Angebotszusammenfassung nicht zu Verstößen gegen Wettbewerbsrecht führen würde. Das regelmäßige Durchführen organisierter Kontrollen muss der Händler nachweisen, um sich auf mangelndes Verschulden zu berufen. Die Richter nahmen Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Die höchste deutsche Rechtsinstanz in Wettbewerbsfragen hatte sich zwar nicht ausdrücklich mit der Frage des Verschuldens auseinandergesetzt, aber bereits darauf hingewiesen, dass bei der Gefahr, dass durch Handlungen Dritter Wettbewerbsrecht verletzt wird, regelmäßige Kontrollen vor Verantwortlichkeit schützen können. Das Oberlandesgericht Köln hat bei der praktischen Ausfüllung des Kontrollbegriffs die Zumutbarkeit der Maßnahmen der Notwendigkeit, Wettbewerbsverstöße zu vermeiden, gegenübergestellt. Werktägliche Kontrollen sind zumutbar, während Kontrollen an Wochenenden unterbleiben können. Die Bestellaktivität ist an Wochenenden zwar groß, die Verwaltung der Online-Plattform-Betreiber ist jedoch nicht besetzt, so dass es nicht zu Umstellungen der Angebote kommen kann, auf die der Händler möglicherweise reagieren müsste.
OLG Köln, Beschluss vom 15.03.2017, Aktenzeichen 6 W 31/17