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O2: Keine Extrakosten für Papierrechnungen

Oberlandesgericht München, Urteil vom 05.02.2015, Az. 29 U 830/14


O2: Keine Extrakosten für Papierrechnungen

Der Mobilfunkanbieter o2 darf kein gesondertes Entgelt dafür verlangen, dass er einem Kunden Papierrechnungen erstellt. Entsprechende Klauseln müssen aus den Verträgen entfernt werden, das Oberlandesgericht München hatte dahin gehend in einem Berufungsverfahren eine Einstweilige Verfügung gegen o2 verhängt. Geklagt hatte ein Verbraucherschutzverband, der in erster Instanz gescheitert und danach in Berufung gegangen war.

Tenor der Entscheidung

Verlangte Entgelte für Papierrechnungen durch den Telekommunikationsanbieter o2 sind unzulässig. Es handelt sich bei diesen Rechnungen um eine Leistungspflicht des Telekommunikationsanbieters. Das Oberlandesgericht München hob damit ein Urteil des Landgerichts München I auf. Gleichzeitig verhängte es eine Einstweilige Verfügung gegen o2 mit der Androhung von Ordnungsgeld bis 250.000 Euro oder ersatzweise sechs Monaten Ordnungshaft, wenn der Provider weiter für Papierrechnungen Extra-Entgelte verlangt. Die Kunden haben zwar online Zugriff auf ihre Rechnungen, müssen diese aber auf Verlangen unentgeltlich auch in Papierform zugestellt bekommen. Das Unternehmen o2 muss an den Kläger, einen Verbraucherschutzverband, 214 Euro plus Zinsen zahlen und die Kosten des Verfahrens tragen.

Sachverhalt

Der Kläger hatte die Vertragsklauseln über Entgelte für Papierrechnungen von o2 erfolglos abgemahnt und im November 2012 vor dem Münchner Landgericht dagegen geklagt. Das Landgericht wies die Klage ab (Urteil von Januar 2014), es hielt die Entgeltabreden für nicht kontrollfähig. Daraufhin ging der Kläger in Berufung und erweiterte die Klage dabei auf Unterlassung der Vertragsklauseln. Das beklagte Unternehmen beantragte Abweisung der Klage. Die Berufung war zulässig und erfolgreich, auch gegen die Klageerweiterung bestanden keine Bedenken. Klageänderungen sind nach § 533 ZPO aus zwei Gründen zulässig: wenn der Gegner einwilligt (was in diesem Fall nicht geschah) und/oder das Berufungsgericht sie für zulässig hält, was der Fall war. Das Oberlandesgericht München hielt die Klageerweiterung für sachdienlich, um weitere Prozesse zu vermeiden. Auch konnte der vorhergehende Prozess zur Urteilsfindung herangezogen werden, weil in diesem essenzielle Grundlagen des Streites schon behandelt worden waren. Klageerweiterungen sind nicht zulässig, wenn völlig neue Streitstoffe eingebracht werden, was hier aber nicht der Fall war. Die Berufung selbst ist wiederum begründet, weil o2 tatsächlich in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen - betreffend der verlangten Entgelte für Papierrechnungen - unzulässige und nach § 307 BGB Absätze 1 und 2 unwirksame Klauseln verwendet. Zwar ist es zulässig und auch üblich, Rechnungen elektronisch zuzustellen, das schließt aber nach Auffassung der Richter am Oberlandesgericht München keinesfalls automatisch die Rechnung in Papierform aus, die deshalb vom Kunden zusätzlich zu bezahlen wäre. Der § 307 BGB stellt vielmehr fest, dass ein ausschließlicher elektronischer Rechtsverkehr aktuell noch nicht als durchgängiger Standard anzusehen ist.

Urteilsbegründung

Ein Dienstleister kann heute noch nicht davon ausgehen, dass elektronische Rechnungen genügen. Der private Rechtsverkehr über das Medium Internet hat noch nicht die Stärke eines allgemeinen Standards erreicht. Wer Telekommunikationsdienstleistungen anbietet, muss auch Papierrechnungen kostenlos erstellen und kann sich dieser Pflicht nicht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen entledigen. Im speziellen Fall wird diese Position auch dadurch gestärkt, dass Telekommunikationsverträge mit o2 auch im Ladengeschäft abgeschlossen werden können. Der angebotene Internetzugang zur Rechnung ist also nur als Zusatzleistung zu verstehen. Auch die Modalitäten des Einzelverbindungsnachweises in elektronischer Form, wie sie die Bundesnetzagentur im April 2008 formuliert hat, stehen dem nicht entgegen. Die Klauseln, die o2 in seinen Geschäftsbedingungen einsetzt, sind auch kontrollfähig. Damit widersprach das OLG München seinen Kollegen vom Landgericht. Zwar können Vertragsparteien Leistungen und Entgelte prinzipiell frei vereinbaren, jedoch dürfen Nebenabreden nicht vom Gesetz abweichen, das eine papierne Rechnungslegung vorschreibt. Wenn das dennoch geschieht - wie im vorliegenden Fall -, unterliegen solche Nebenabreden der Inhaltskontrolle und werden dadurch juristisch angreifbar. Das dispositive Recht schreibt vor, dass die Verpflichtung zur Rechnungslegung ohne gesondertes Entgelt zu erfüllen ist. Mit den bisherigen Klauseln benachteiligt o2 seine Kunden unangemessen. Damit obsiegt der Verbraucherschutzverband, dem o2 seine Abmahnkosten erstatten muss. Eine Revision gegen das Urteil ist nicht zulässig.

Oberlandesgericht München, Urteil vom 05.02.2015, Az. 29 U 830/14


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