Notarielle Unterlassungserklärung beseitigt nicht die Wiederholungsgefahr
Der BGH hat mit Urteil vom 21.04.2016, Az. I ZR 100/15 entschieden, dass eine notarielle Unterlassungserklärung nicht ausreiche, um das Rechtsschutzbedürfnis des abmahnenden Gläubigers zu beseitigen. Notwendig sei die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.
Einstweilige Verfügung trotz notarieller Unterlassungserklärung
Zwei Händler, die im Internet Fahrradzubehör vertreiben, stritten wegen einer irreführenden Produktbeschreibung. Die Klägerin mahnte den Beklagten ab, woraufhin sich dieser mit einer notariellen Urkunde zur Unterlassung verpflichtete und sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwarf. Dennoch sah die Klägerin sich veranlasst, eine einstweilige Verfügung zu erwirken. Nach Beantragung der Androhung von Ordnungsmitteln beim Amtsgericht Ingolstadt, in dessen Bezirk der beurkundende Notar seinen Sitz hatte, wurde Klageerhebung angeordnet.
Streit um die Feststellung der Erledigung des Unterlassungsantrags
Die Klägerin machte die Klage zur Hauptsache anhängig und begehrte zunächst Unterlassung und Freistellung von den Abmahnkosten. Nachdem der Androhungsbeschluss dem Beklagten zugegangen war, erklärte die Klägerin den Unterlassungsantrag jedoch für erledigte. Dieser Erklärung schloss sich der Beklagte nicht an. Das Landgericht Köln erkannte der Klägerin den Freistellungsantrag zu, wies den Antrag auf Feststellung der Erledigung des Unterlassungsantrags jedoch ab. Dagegen hielt das Berufungsgericht den ursprünglichen Unterlassungsantrag für erledigt, wogegen sich der Beklagte mit der Revision wendete.
Die Unterlassungsklage wäre trotz notarieller Unterlassungserklärung begründet gewesen
Das Berufungsgericht begründete seine Entscheidung damit, die Unterlassungsklage sei anfänglich begründet gewesen. Erst durch Zustellung des Beschlusses über die Androhung von Ordnungsmitteln sei die Wiederholungsgefahr entfallen. Denn von der notariellen Unterlassungserklärung, die der Beklagte abgegeben habe, gehe keine unmittelbare Abschreckungswirkung aus. Sie müsse erst noch dem Schuldner zugestellt, vom Gläubiger ein Androhungsbeschluss beantragt, der Schuldner dazu angehört und diesem der Androhungsbeschluss zugestellt werden. In der Zwischenzeit könne der Schuldner weitere Verstöße begehen. Anders sei dies dagegen bei Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, deren Wirkung sofort nach Abgabe eintrete.
Die Klägerin habe ein schutzwürdiges Interesse an der Rechtsverfolgung gehabt
Der BGH bestätigte die Begründung des Berufungsgerichts. Wenn der Kläger den Rechtsstreit für erledigt erkläre, sei zu prüfen, ob der Unterlassungsantrag vorher zulässig und begründet gewesen sei. Dann sei weiter zu prüfen, ob der Unterlassungsantrag durch das erledigende Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden sei. In diesem Fall sei dann festzustellen, dass die Hauptsache erledigt sei. Andernfalls müsse die Klage abgewiesen werden. Auch sei es richtig, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Klageerhebung ein Rechtsschutzbedürfnis gehabt habe. Dabei komme es darauf an, ob der Klägerin trotz der notariellen Unterlassungserklärung ein schutzwürdiges Interesse an der Rechtsverfolgung im Hauptsacheverfahren zuzubilligen sei. Da der Beklagte durch Fristsetzung zur Hauptsacheklage signalisierte, dass er die einstweilige Verfügung nicht als endgültige Regelung betrachte, stand der Verfolgung im Hauptsacheverfahren nichts im Weg. Die parallele Vorgehensweise sei hier nicht als rechtsmissbräuchlich zu werten.
Die notarielle Unterlassungserklärung biete keine gleichwertige Vollstreckungsmöglichkeit
Zur Beurteilung der Frage, ob der Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis habe, sei dagegen allein maßgeblich, ob die notarielle Unterlassungserklärung eine Vollstreckungsmöglichkeit biete, die dem vom Kläger per Klage angestrebten Titel gleichwertig sei. Dies sei nicht der Fall, solange der Beschluss über die Androhung von Ordnungsmitteln wegen Verstoß gegen die notarielle Unterlassungserklärung dem Schuldner nicht zugestellt worden sei. Aber auch im Hinblick auf die Gerichtsstandswahl und der möglichen Pflicht, das Ordnungsmittelverfahren vor dem Amtsgericht am Sitz des Notars geltend machen zu müssen, sei die notarielle Unterlassungserklärung nachteilig. Insgesamt habe diese im Streitfall das Rechtsschutzbedürfnis für die Erhebung der Hauptsacheklage nicht beseitigt.
Eine notarielle Unterlassungserklärung könne zu zeitlichen Rechtsschutzlücken führen
Der Unterlassungsantrag des Klägers sei im Zeitpunkt der Klageerhebung auch begründet gewesen. Zwar sei eine notarielle Unterlassungserklärung grundsätzlich, wie andere Vollstreckungstitel auch, geeignet, eine Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Jedoch ergeben sich besondere Anforderungen an den Inhalt, den Umfang und die Ernsthaftigkeit der Erklärung. Ob die Zustellung des Androhungsbeschlusses notwendig ist, sei unterschiedlich zu beurteilen. Vorliegend sei dies jedenfalls erforderlich gewesen, da andernfalls in der Zwischenzeit Rechtsschutzlücken eingetreten wären und so kein effizienter Rechtsschutz geboten sei.
Erst der Androhungsbeschluss brachte die Absicht zur Anspruchsdurchsetzung zum Ausdruck
Außerdem ergebe sich daraus die Verfolgungsbereitschaft des Gläubigers. Erst nach Erwirkung des Androhungsbeschlusses könne davon ausgegangen werden, dass der Kläger den Unterlassungsanspruch wirklich durchsetzen werde. Im vorliegenden Rechtsstreit habe der Zugang der notariellen Unterlassungserklärung die Vermutung für das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr jedenfalls nicht beseitigen können. Der BGH kam also zu dem Schluss, dass der Unterlassungsantrag in der Hauptsache durch Zustellung des Beschlusses über die Androhung von Ordnungsmitteln erledigt gewesen sei, weil der Klageantrag infolge des Wegfalls der Wiederholungsgefahr unbegründet geworden sei. Die Revision des Beklagten sei darum erfolglos.
BGH, Urteil vom 21.04.2016, Az. I ZR 100/15