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Neues Etikett des Bieres „Chiemseer“

Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 05.12.2018, Az. 38 O 152-16


Neues Etikett des Bieres „Chiemseer“

In einem Urteil vom 05.12.2018, Az. 38 O 152-16 entschied das Landgericht Düsseldorf, dass die neue Aufmachung des Bieres „Chiemseer“ nicht gegen die Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) verstoße. Ein normal informierter und verständiger Durchschnittsverbraucher nehme bei Kenntnisnahme des neuen Flaschenetiketts aufgrund des blickfangmäßigen Zusatzes „gebraut in Rosenheim am Inn“ nämlich im Gegensatz zu dem alten Etikett nicht an, dass das abgefüllte Bier am Chiemsee oder im Chiemgau gebraut wurde.

„Chiemseer Hell“ und „Chiemseer Braustoff“
Klägerin des Verfahrens war eine Brauerei. Diese braut in Rosenheim am Inn die Biersorten „Chiemseer Hell“ und „Chiemseer Braustoff“, welche sie im ganzen Bundesgebiet vertreibt. Der Beklagte ist eine Selbstkontrollinstitution der gesamten Wirtschaft mit der Aufgabe, den Wettbewerb im Interesse der Allgemeinheit zu schützen.

Rechtsstreit vor Münchener Gericht 
Maßgeblich für den vorliegenden Rechtsstreit war ein vor dem Landgericht München I und dem Oberlandesgericht München geführter Prozess. Hierin klagte der jetzige Beklagte gegen die jetzige Klägerin auf Unterlassung der Bezeichnung des Bieres als „Chiemseer“. Nach Ansicht der jetzigen Beklagten führe der Titel des Bieres als geographische Herkunftsangabe die Verbraucher in die Irre. Das Etikett suggeriere durch den über der Bezeichnung des Bieres liegenden Schriftzug „Chiemgauer Brauerei“ und der sich anschließenden Textzeile „Rosenheim“ nämlich, dass Rosenheim am Chiemsee liege und das Bier dort gebraut werde. Tatsächlich aber liege die Stadt Rosenheim westlich des Inns und mithin nicht am Chiemsee, sondern sogar außerhalb des Chiemgaus. Eine Aufklärung der Verbraucher dahingehend finde jedoch nicht statt.

Oberlandesgericht untersagte Bezeichnung „Chiemseer“
Das Oberlandesgericht München entschied in dem Verfahren mit Urteil vom 17.03.2016, Az. 29 U 3187/15 zugunsten der jetzigen Beklagten. Es untersagte der jetzigen Klägerin das Bier im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs unter der Bezeichnung „Chiemseer“ anzubieten, zu vertreiben oder sonst in den Verkehr zu bringen, sofern dieses in Rosenheim am Inn gebraut wird.

Neue Gestaltung des Flaschenetiketts
Im Nachgang dieser Entscheidung unternahm die Klägerin Anpassungen im Hinblick auf das Etikett ihres Bieres. Seit Mai 2016 liefert diese nun nur noch in der neuen Aufmachung aus. Jene ist so gestaltet, dass sich unter der Bezeichnung „Chiemseer“ der Hinweis „gebraut in Rosenheim am Inn“ findet. Außerdem weist sie in einem roten Textfeld den Hinweis „Bitte Rückseite beachten!“ auf. Sodann wird auf der Rückseite der Flasche eine Karte mit der Lage Rosenheims zwischen Wendelstein und dem Chiemsee abgebildet. Dazu heißt es: „Wir brauen in Rosenheim. Zwischen Wendelstein und Chiemsee gelegen, ist dies eine der schönsten und vielfältigsten Landschaften Bayerns“.

Beklagte rügte auch neues Etikett
Anfang 2016 bemerkte die jetzige Beklagte, dass vier Abnehmer der Klägerin Bilder in ihrer Werbung nutzten, die das Bier in der vom Oberlandesgericht München für unzulässig gehaltenen Aufmachung zeigten. Aus diesem Grund mahnte die Beklagte die Klägerin ab und forderte sie auf, die Verwendung der rechtskräftig gerichtlich festgestellten Etiketten aufgrund deren Wettbewerbswidrigkeit zu unterbinden. Ferner behauptete die Beklagte gegenüber der Klägerin, dass die durch die Bezeichnung „Chiemseer“ hervorgerufene Irreführung auch infolge der neuen Etikettengestaltung nicht ausgeräumt werde. Letztlich stellte die Beklagte eine weitere Abmahnung in den Raum.

Neue Aufmachung ist zulässig
Mit dem streitgegenständlichen Verfahren erstrebte die Klägerin nun die Feststellung, ob die Beklagte von ihr verlangen kann, die seit Mai 2016 praktizierte Gestaltung des Flaschenetiketts zu unterlassen. Das Landgericht Düsseldorf kam insgesamt zu dem Ergebnis, dass dem Beklagten entgegen seiner Behauptung kein Anspruch auf Unterlassung des Anbietens, Vertreibens und Inverkehrbringens des von der Klägerin gebrauten Bieres in seiner neuen Aufmachung zukomme.

Kein Verstoß gegen Art. 7 LMIV
So verstoße das veränderte Flaschenetikett nach den Ausführungen des Gerichts insbesondere nicht gegen das spezielle Irreführungsverbot des Art. 7 LMIV. Gemäß Art. 7 Abs. 1 lit. a) LMIV dürfen Informationen über Lebensmittel nicht irreführend sein, insbesondere in Bezug auf ihren Herkunftsort. Zudem müssen jene nach Art. 7 Abs. 2 LMIV zutreffend, klar und für die Verbraucher leicht verständlich sein. Das gilt auch für die Werbung und die Aufmachung von Lebensmitteln, insbesondere deren Verpackungen, Art. 7 Abs. 4 LMIV.

Verständnis eines Durchschnittsverbrauchers maßgeblich
Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Lebensmittel diesen Anforderungen entspricht, sei das mutmaßliche Verständnis eines normal informierten und verständigen Durchschnittsverbrauchers, der einer geschäftlichen Handlung die der Situation angemessene Aufmerksamkeit entgegenbringt, so das Landgericht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 19.04.2018, Az. I ZR 244/16 – Namensangabe).

Wie ist der Gesamteindruck der Aufmachung?
Das Gericht hielt fest, dass ein solcher Verbraucher bei Kenntnisnahme der neu verwendeten Etiketten insgesamt nicht annehme, das in den Flaschen abgefüllte Bier sei am Chiemsee oder jedenfalls im Chiemgau gebraut worden. Zwar könne bei einer isolierten Betrachtung des Produktnamens „Chiemseer“ durchaus der Anschein entstehen, dass das Bier der Region des Chiemsees entspringt. Allerdings sei nach Ansicht des Gerichts nicht allein der durch die Produktbezeichnung hervorgerufene Eindruck entscheidend. Vielmehr sei auf den Gesamteindruck der Aufmachung abzustellen (vgl. BGH, Urteil vom 02.12.2015, Az. I ZR 45/13 – Himbeer-Vanille-Abenteuer II). Vor diesem Hintergrund sei also, selbst wenn man der Produktbezeichnung einen Herkunftshinweis entnehme, die weitere Gestaltung des Flaschenetiketts in die Betrachtung einzubeziehen, wobei angesichts der Regelung des Art. 7 LMIV ein strenger Maßstab gelten müsse.

Neues Etikett deutet nicht auf Chiemsee als Brauort hin
Nach Ansicht des Gerichts befinde sich auf dem neuen Etikett nicht nur der Schriftzug „Chiemseer“ im Blickfang eines Durchschnittsverbrauchers, sondern auch der unmittelbar unterhalb vorzufindende Zusatz „gebraut in Rosenheim am Inn“. Diese Angabe verdeutliche einem Verbraucher bereits, dass das Bier nicht am Chiemsee gebraut wird. Es liege schließlich auf der Hand, dass eine Stadt nicht zugleich an einem Fluss („am Inn“) und einem See gelegen ist. Selbst wenn der Verbraucher nicht wisse, dass der Inn weder zu den Zuflüssen des Chiemsees zählt noch sein Abfluss ist, gehe er aufgrund des Zusatzes nicht davon aus, das Bier entstamme einer am Chiemsee gelegenen Brauerei, so das Landgericht Düsseldorf. Vielmehr werde ein solcher die Braustätte in der – ihm möglicherweise nicht bekannten, aufgrund ihrer Bezeichnung auf dem Etikett aber als am Inn gelegen vorgestellten – Stadt Rosenheim verorten. Ferner unterscheide sich die neue Etikett-Gestaltung wesentlich von der alten Aufmachung, welche Gegenstand des Verfahrens vor dem Oberlandesgericht München war. Die früher vorhandene Bezugnahme auf das Chiemgau („Chiemgauer Brauerei“) finde sich auf den neuen Etiketten gerade nicht.

Auch Rückseite enthält Hinweis zum tatsächlichen Brauort
Ohne dass es nach den vorstehenden Ausführungen noch entscheidend darauf ankäme, enthalte auch die Rückseite des neuen Etiketts nähere Hinweise zum Brauort einschließlich der kurzen Skizze zu dessen geografischer Lage, so das Gericht weiter. Da ein durchschnittlicher Verbraucher, der an zusätzlichen Informationen über ein bestimmtes Bier interessiert sei, wisse, dass er nähere Angaben hierzu typischerweise auf dem rückseitigen Etikett finde (vgl. BGH, Urteil vom 19.09.2001, Az. I ZR 54/96 – Warsteiner III), würden ihm derartige Informationen auch nicht verborgen bleibe. Hinzu komme, dass die Klägerin auf dem Vorderetikett explizit mit einem Schriftzug („Bitte Rückseite beachten!“) auf die Rückseite der Flasche verweist. Zuletzt hielt das Gericht fest, dass sich auch kein abweichendes Bild auftue, wenn man den Kasten des Bieres in die Betrachtung miteinbeziehe. Dies gelte schon deshalb, da der Verbraucher wisse, dass Bierkästen vornehmlich der Lagerung und dem Transport von Flaschenbier dienen und er sich deshalb bei seiner Entscheidung nicht von dem Aufdruck auf dem Kasten leiten lassen werde und zudem erwarten werde, auf diesem weitergehende Hinweise zur Braustätte des Bieres zu finden (vgl. BGH, Urteil vom 18.04.2002, Az. I ZR 71/99 – Original Oettinger).

Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 05.12.2018, Az. 38 O 152/16

von Sabrina Schmidbaur, Dipl.Jur.-Univ.


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