Mollath-Unterstützer darf Brief nicht veröffentlichen
Unwahre Behauptungen sind auch dann rechtswidrig, wenn das öffentliche Interesse an diesen Äußerungen groß ist. Die Richter hatten darüber zu entscheiden, ob die durch das Grundrecht garantierte freie Meinungsäußerung des Beklagten Vorrang vor dem Persönlichkeitsrecht der Klägerin genießt. Wann muss das Persönlichkeitsrecht einer Person gegenüber dem öffentlichen Interesse zurückzutreten? Der Tenor lautet dahingehend, dass „eine Namensnennung in Zusammenhang mit einer unwahren Tatsachenbehauptung nicht verbreitet werden darf.“ Über ein Nürnberger Internetportal veröffentlichte der Betreiber und Beklagte einen Brief des bekannten ehemaligen Psychiatrie-Insassen Gustl Mollath.
Mollath behauptete, eine Mitarbeiterin der HypoVereinsbank sei an der Verschiebung von Schwarzgeld beteiligt gewesen und habe die Bank mit diesen Geschäften betrogen. Diese illegalen Geschäfte seien der Grund für ihre Kündigung gewesen. Der Beklagte verfasste eine Einleitung zu dem Brief Mollaths, in der er schrieb, es sei Mollaths Anliegen gewesen, das an den illegalen Geschäften beteiligte Netzwerk von Bankmitarbeitern zu entlarven. Diese Mitarbeiter hätten sich anschließend für die Aufdeckung ihrer betrügerischen Machenschaften und die damit verbundenen Kündigungen rächen wollen. Klägerin ist eine in Mollaths Brief namentlich genannte ehemalige Bankmitarbeiterin. Sie bestreitet die Behauptungen Mollaths und geht mit einer einstweiligen Verfügung gegen den Betreiber des Internetportals vor. Das Landgericht Fürth hat am 14.03.2014 ein antragsgemäßes Urteil ergehen lassen. Das Urteil ist eine Niederlage für den Kläger, das ihn verpflichtet, von einer weiteren Verbreitung der unwahren Behauptungen Mollaths über sein Internetportal abzusehen. Bei jedem Fall der Zuwiderhandlung wird eine Ordnungsstrafe von 250.000 Euro fällig.
Die Klägerin ist in der Lage, die streitgegenständlichen Behauptungen mit einer eidesstattlichen Versicherung zu entkräften. Der mit den Beweismitteln vorgelegte Sonderrevisionsbericht der HypoVereinsbank sowie die glaubhaften Aussagen der Klägerin beweisen, dass der Klägerin von ihrem Arbeitgeber nicht gekündigt wurde. Mollaths Behauptungen betreffend die Schwarzgeldgeschäfte entsprechen nicht in allen Punkten der Wahrheit. Anstatt einer Kündigung hat es einen Aufhebungsvertrag zwischen der Klägerin und ihrem Arbeitgeber gegeben. Der Sonderrevisionsbericht bestätigt zwar einige Aussagen Mollaths hinsichtlich dubioser Bankgeschäfte, nicht jedoch, dass die Klägerin als Vermögensverwalterin darin verwickelt war. Der Sonderrevisionsbericht bestätigt lediglich, dass der Klägerin eine Trennung von ihrem Arbeitgeber empfohlen wurde, was im Kern einer Kündigung gleich kommt. Juristisch wird zwischen einem Aufhebungsvertrag und einer Kündigung durch den Arbeitgeber unterschieden. Daher sind die mit der angeblichen Kündigung der Klägerin verbundenen Behauptungen Mollaths als falsche Tatsachenbehauptungen einzustufen. Daran ändert auch die für jedermann erkennbare Gesamtwürdigung der vorliegenden Umstände nichts. Das Gericht erkennt das öffentliche Interesse an dem streitgegenständlichen Dokument, schränkt jedoch die Presse- und Meinungsfreiheit des Beklagten als Betreiber des Internetportals ein. Vor der Veröffentlichung derartiger Dokumente sind ihm eine vorherige Prüfung und die Herausnahme unwahrer Behauptungen durchaus zuzumuten.
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Verbreitung unwahrer Behauptungen nicht durch die Presse- und Meinungsfreiheit geschützt. Nach dem pars pro toto-Prinzip hat der Beklagte die falsche Kernaussage Mollaths betreffend die Kündigung der Klägerin aus seiner Internet-Veröffentlichung zu entfernen. Alle damit in Verbindung stehenden weiteren Behauptungen sind gleichfalls zu entfernen beziehungsweise zu schwärzen, selbst dann, wenn sie der Wahrheit entsprechen. Nach diesem Prinzip führt eine falsche Tatsachenbehauptung dazu, dass alle weiteren damit verbundenen Äußerungen als ein Ganzes mit der hauptsächlichen Äußerung angesehen werden. Sie sind daher gleichfalls zu entfernen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Beklagte hat die Möglichkeit, das Rechtsmittel der Berufung gegen das Urteil einzulegen.
Gustl Mollath wurde über viele Jahre lang gegen seinen Willen in der Psychiatrie festgehalten und sieht sich als Opfer der deutschen Justiz und eines Komplotts seiner Ehefrau. Der Nürnberger Internetbetreiber war nur einer der vielen Unterstützer des Psychiatrie-Insassen, der im Sommer 2013 auf freien Fuß gesetzt wurde. Mollath führte in der Folgezeit seine Mission gegen die angeblichen dubiosen Geldschäfte der Bank und seine Ehefrau fort. Es gibt viele ähnliche Veröffentlichungen von Mollath-Unterstützern. Daher kann dieses Urteil durchaus den Charakter eines Präzedenzfalls bekommen, da es das erste Urteil seiner Art gegen einen Mollath-Unterstützer ist. Es bleibt abzuwarten, ob weitere Klagen und Urteile folgen werden.
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 14.03.2014, Az. 11 O 1226/14