Mehrfachverfolgung eines Verletzers
Das Urteil vom OLG Frankfurt zeigt, dass Verbraucher vorsichtig im Umgang mit Finanzdienstleistern sein sollten, die sich als unabhängige Dienstleister präsentieren. Die Richter entschieden insofern, dass eine bewusste Irrführung vorliegt, wenn der Finanzdienstleister sich als unabhängig vorstellt, obwohl etwa 97% der eigenen Unternehmensaktien von einem Anbieter gehalten werden, dessen Produkte von dem Finanzfachgeschäft an den Verbraucher vermittelt werden.
Die Beklagte wurde vom Landgericht verurteilt, "es bei Meidung eines von Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten...zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr direkt oder sinngemäß mit folgenden Äußerungen zu werben:
a) X ist Europas größter unabhängiger Finanzdienstleister,
b) X – Europas Nr. 1 für unabhängige Finanzoptimierung und/oder
c) X bietet eine unabhängige, ganzheitliche Finanzberatung".
Gegen dieses Urteil legte die Beklagte Berufung ein. Die Berufung war zwar zulässig, hatte in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Klage war schon deswegen begründet, weil durch die Formulierungen der Verbraucher in die Irre geführt werden konnte. Durch die Umschreibung "unabhängig" gibt die Beklagte unmissverständlich zu verstehen, dass sie gerade nicht von anderen Anbietern sowie deren Produkten abhängig ist. Letztendlich möchten sich Verbraucher unabhängig von dem Dienstleister beraten lassen. Dies gilt umso mehr, wenn der Anbieter zugleich mit seiner Unabhängigkeit wirbt.
Denn der Kunde vertraut in diesem Fall darauf, dass er ein individuell angelegtes Finanzmodell erhalten wird. Wenn nunmehr die Finanzdienstleistung den Vertrag mit einem anderen Unternehmen vermittelt, wobei das Unternehmen die Mehrheitsanteile an den Aktien des Finanzdienstleisters hält, dann verstößt der Werbeslogan schlichtweg gegen die Realität. Eine ungebundene Beratung ist folglich nicht mehr möglich, auch wenn der Verbraucher dies nicht unbedingt bemerkt. Wissenschaftliche Studien haben jedenfalls gezeigt, dass durch das Wort "unabhängig", eine Verbindung mit der Aussage "ist nicht mit einem anderen Unternehmen rechtlich verbunden" vorgenommen wird. In dem vorliegenden Fall war es für die Richter des OLG Frankfurt jedoch nicht entscheidend, dass die wissenschaftliche Studie zu diesem eindeutigen Ergebnis gekommen ist. Vielmehr verdeutlicht der Aktienanteil von 97% die Verbundenheit, die zwischen den beiden Unternehmen schlichtweg bestehen muss. Vor allem Aktiengesellschaften sind darauf angelegt, größtmögliche Kapitalsummen zu erwirtschaften, um die Aktionäre zufrieden zu stellen. Wenn nunmehr der Hauptaktionär selbst Finanzprodukte anbietet, dann wäre es insofern nicht lebensnah, wenn der Finanzdienstleister auch Konkurrenzprodukte vermitteln dürfte. In dem Rechtsstreit hätte der Hauptaktionär zudem jederzeit die Möglichkeit gehabt, den Aufsichtsrat des Finanzdienstleisters mit eigenen Mitarbeitern zu besetzen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass gerade die Interessen des Hauptaktionärs durchgesetzt werden sollten. Daher liegt in dem Werbe-Slogan schlichtweg eine Täuschung des Verbrauchers, der sich letztendlich nur für vorgegebene Finanzprodukte entscheiden kann. Eine autarke Beratung ist insofern nicht möglich, womit es daher auch an einer freien Vermittlung von Finanzprodukten fehlt.
Das Urteil vom OLG Frankfurt zeigt, dass der Verbraucherschutz nach wie vor eine entscheidende Rolle in unserer Gesellschaft spielen muss. Immerhin vertraut er sich einem scheinbar verantwortlichen Unternehmen an, das ihn sodann nicht mit vorgefertigten Vertragspapieren beraten sollte. Stattdessen muss eine unabhängige Beratung eben das ermöglichen, was sie letztendlich verspricht, eine individuelle Vermittlung von Finanzprodukten.
OLG Frankfurt, Urteil vom 02.12.2010, Az. 6 U 238/09