Medizinische Leistungen mit kostenlose Taxifahrten
Wirbt ein Klinikum mit der "Terminvergabe für alle ambulanten Untersuchungen & stationären Behandlungen“ sowie mit einem kostenfreien Taxiservice bei vorheriger Terminvergabe, so liegt keine unlautere Werbung vor, selbst dann, wenn das Klinikum vermeintlich auch ambulante Leistungen bewirbt, die es laut Zulassung nicht erbringen darf.
Hintergrund war die Werbung eines ostdeutschen Klinikums, in dem dieses mit der Terminvergabe für alle ambulanten Untersuchungen und stationären Behandlungen warb und dies zusätzlich mit einer freien Taxinutzung verband. Die Klage wendete sich dagegen, dass die Klinik zum einen nicht für alle medizinischen Dienste zugelassen war (§§ 115 ff. Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V), das Wort alle also als wettbewerbswidrig einstufte, zum anderen gegen die Gratiszugabe des Taxishuttles.
Das Gericht führt dazu aus, dass ein Klinikum ein Wirtschaftbetrieb sei, der nur bedingt unter die strengen Regelungen des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) falle (vgl. BVerfG, Az. 1 BvR 2115/02 und 1 BvR 547/99).
Werbe ein Klinikum nicht für ganz spezifische medizinische Leistungen oder Medikamente („Produktwerbung“), so läge eine zulässige Imagewerbung vor, die – in eingeschränkter Weise – auch ein Arzt vornehmen könne (vgl. BVerfG, Az. 1 BvR 233/10). Die Einschätzung, ob eine Produkt- oder Unternehmenswerbung vorläge, hänge dabei maßgeblich von der Gestaltung der Werbung ab (vgl. BGH, Az. I ZR 99/07 und I ZR 60/00). Die Werbung für die Terminvergabe für „alle“ Behandlungsarten sei daher nicht als Produktwerbung anzusehen, da sie sich nicht auf einzelne Produkte beziehe.
Auch im Falle des Taxiservice handele es sich nicht um eine verbotene Zugabe im Sinne des HWG (vgl. BGH, Az. I ZR 145/03 und OLG Rostock, Az. 2 U 54/04), sondern um eine zusätzliche Dienstleistung der Klinik, also einen zulässigen Teil der Imagewerbung.
Da für die Inanspruchnahme sowohl der medizinischen Dienste als auch der kostenfreien Taxifahrt zuvor ein Termin vereinbart werden solle, könne auch keine wettbewerbsrelevante Irreführung oder unberechtigte Beeinflussung des Konsumverhaltens der Kunden angenommen werden (vgl. BGH, Az. I ZR 131/97), da bei der Kontaktaufnahme oder spätestens bei der ärztlichen Beratung vor Ort vom Klinikum klargestellt würde, ob eine Behandlung überhaupt durchgeführt werden könne. Auch eine vom Kunden ohne Terminvergabe durchgeführte Taxifahrt, die dann nicht erstattet würde, erfülle daher nicht den Tatbestand der Irreführung.
Es sei den durchschnittlichen Patienten – und auf die komme es an (vgl. BGH, Az. I ZR 106/89) – insbesondere zuzumuten, selbst darüber entscheiden zu können, ob sie für das Angebot des Klinikums z.B. das bereits bestehende Vertrauensverhältnis zu ihrem Hausarzt aufgeben wollten oder nicht.
Weiterhin liege keine „unsachlichen Beeinflussung“ des Patienten im Zusammenhang mit einer Gesundheitsgefährdung (vgl. BVerfG, Az. 1 BvR 2334/03, BGH, Az. I ZR 51/04 und I ZR 265/01) vor.
Schließlich sei der medizinische Bereich nicht per se vor Konkurrenz geschützt (vgl. BVerfG, Az. 1 BvR 1608/02).
Für die Praxis bedeutet dies, dass auch im Gesundheitswesen durchaus Imagewerbung erlaubt ist, die zudem mit geldwerten Zugaben verbunden werden kann. Maßgeblich ist hierbei, dass die Werbung sich nicht auf einzelne medizinische Leistungen oder Medikamente beziehen darf und die Zugabe den Kunden nicht zu „sachfremden Kalkulationen“ veranlasst (z.B. Bonuspunkte, Medikamentenrabatte).
OLG Rostock, Urteil vom 14.03.2012, Az. 2 U 22/10